Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

ASIEN/808: Islamabad nimmt Friedensgespräche mit den Taliban auf (SB)


Islamabad nimmt Friedensgespräche mit den Taliban auf

Spitzenvertreter beider Seiten wollen in direkten Kontakt treten



Begleitet von einer seit dem 25. Dezember anhaltenden, inoffiziellen Pause der CIA-Drohnenangriffe in Nordwasiristan, trafen sich am 6. Februar in Islamabad Vertreter der Regierung Pakistans und der pakistanischen Taliban zu einer ersten Gesprächsrunde. Bei den Verhandlungen soll ein Ausweg aus den seit sieben Jahren anhaltenden Kämpfen im Grenzgebiet zu Afghanistan, die Tausende von Menschen das Leben gekostet und Zehntausende zu Binnenflüchtlingen gemacht haben, gefunden werden. Die Gespräche zwischen der Zentralregierung in Islamabad und der Tehreek-e Taliban Pakistan (TTP) finden vor dem Hintergrund des geplanten Abzugs der NATO-Kampftruppen aus Afghanistan bis Ende des Jahres statt, was Anlaß zu einem gewissen Optimismus bietet.

Im vergangenen Mai hatte die konservative Pakistanische Moslem-Liga (PML-N) um Nawaz Sharif die Parlamentswahlen unter anderem mit Kritik am Kriegskurs bzw. an der kontraproduktiven Aufstandsbekämpfungsstrategie der damals regierenden Pakistan People's Party um Präsident Asif Ali Zardari, den Witwer von Benazir Bhutto, gewonnen. Nach gelungenen Annäherungsversuchen sollten die ersten offiziellen Gespräche zwischen Regierung und Taliban Pakistans bereits Ende letzten Jahres stattfinden. Doch mit einem gelungenen, per Drohne durchgeführten Angriff auf den damaligen TTP-Chef Hakimullah Mehsud am 1. November im Dorf Dande Darpa Khel in Nordwasiristan haben die Amerikaner der Regierung Sharif einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wegen des Verdachts, die pakistanischen Behörden könnten der CIA den entscheidenden Hinweis auf den Aufenthaltsort Mehsuds gegeben haben, zog sich die verbotene TTP bis auf weiteres vom geplanten Auftakttreffen zurück und wählte Maulana Fazlullah zum neuen Emir, der als wenig kompromißbereiter Fundamentalist in Fragen der Auslegung des Korans gilt.

Als sich Anfang des Jahres beide Seiten doch noch auf die Abhaltung eines ersten Rendezvous durchringen konnten, hat die TTP dem Oppositionspolitiker Imran Khan angeboten, ihr Verhandlungsteam anzuführen. Khan, der ehemalige Kapitän der pakistanischen Cricket-Nationalmannschaft, ist, wie die meisten Taliban beiderseits der Grenze zu Afghanistan, Paschtune. Seit Jahren kämpft er gegen Korruption im pakistanischen Staatswesen. In letzter Zeit hat er sich als Kritiker der amerikanischen Drohnenangriffe in den paschtunischen Grenzbezirken zu Afghanistan hervorgetan. Bei den Wahlen im Mai wurde Khans Pakistan Tehreek-e-Insaf (Pakistanische Bewegung für Justiz) zur drittstärksten Kraft im Bundesparlament in Islamabad, zweitstärksten in der Provinz Punjab und der Millionenmetropole Karatschi sowie zur stärksten in der nordwestlichen Provinz Khyber Paktunkhwa, wo sich quasi alle Drohnenangriffe der CIA und die meisten Kämpfe zwischen staatlichen Sicherheitskräften und TTP ereignen. Der westlich geprägte Khan, der in England zur Schule und auf die Universität ging und dort viele Jahre als Profi Cricket spielte, hat das Angebot, die TTP bei den Verhandlungen zu vertreten, dankend abgelehnt.

Statt dessen wurde die TTP-Delegation vom sunnitischen Islamgelehrten Sami Ul Hak angeführt, der wegen seiner Verbindungen zu den früheren afghanischen Mudschaheddin, die in den achtziger Jahren gegen die Sowjetarmee in Afghanistan kämpften, "Vater der Taliban" genannt wird. Ul Hak gilt auch als Vertrauter des Chefs der afghanischen Taliban, Mullah Mohammad Omar, der sich seit dem Einmarsch der NATO-Streitkräfte in Afghanistan Ende 2001 nicht mehr in der Öffentlichkeit gezeigt hat und an einem geheimen Ort in der Stadt Quetta im pakistanischen Belutschistan vermutet wird. Ul Hak ist von Anfang an ein erbitterter Gegner der westlichen Truppenpräsenz in Afghanistan gewesen. Nach mehreren Jahren als Senator steht er inzwischen dem Difa-e-Pakistan Council (Rat zur Verteidigung Pakistans) als Vorsitzender vor. Es handelt sich hier um eine Sammelbewegung mehrerer, zum Teil verbotener islamistischer Organisationen, die als Reaktion auf die US-Luftangriffe auf einen Grenzposten, die im November 2011 24 pakistanische Soldaten das Leben kostete, gegründet wurde. Der Difa-e-Pakistan Council fordert unter anderem die Beendigung des Transports von Nachschub für die NATO-Streitkräfte in Afghanistan vom Hafen Karatschis auf dem Landweg durch Pakistan.

Entgegen aller Erwartung ist die erste Verhandlungsrunde recht positiv verlaufen. Sowohl Sami Ul Hak als auch Irfan Siddiqui, der Chefunterhändler der Regierung und Sonderberater von Premierminister Sharif, erklärten anschließend vor der Presse, beide Seiten seien sich mit gegenseitigem Respekt und Vertrauen begegnet. Siddiqui hat Ul Hak ein Positionspapier überreicht, demzufolge die tatsächlichen Verhandlungen auf der Basis der republikanischen Verfassung Pakistans geführt werden müssen. Dies könnte für die TTP, welche die Einführung der Scharia auf ihre Fahne geschrieben hat, zum Problem werden. Die andere Forderung der Regierung, mit der Taliban-Führung in direkten Kontakt zu treten, dürfte weniger schwer zu erfüllen sein, sofern Sicherheitsgarantien abgegeben werden. Schließlich soll Ul Hak Siddiqui mitgeteilt haben, daß ihrerseits die TTP-Führung mit Premierminister Sharif, Armeechef General Raheel Sharif und Generalleutnant Zahir Ul Islam, dem Leiter des mächtigen pakistanischen Geheimdienstes Inter-Services Intelligence Directorate (ISI), verhandeln will. Mehr über den Inhalt der Unterredung ist nicht bekannt. Die nächsten Tage werden zeigen, ob ein Ende des Bürgerkrieges in den pakistanischen Grenzgebieten möglich ist oder die Aussicht darauf nur eine Fata Morgana war.

8. Februar 2014