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ASIEN/870: Wie reagieren die USA auf Nordkoreas Wasserstoffbombe? (SB)


Wie reagieren die USA auf Nordkoreas Wasserstoffbombe?

Kim Jong-un antwortet auf Donald Trumps Sprücheklopferei


Mit dem erfolgreichen Test einer Wasserstoffbombe in den frühen Morgenstunden des 3. September hat Nordkorea einen sehr gefährlichen Schritt im Dauerstreit mit den USA unternommen. Der Test wurde von Erdbebenwarten weltweit registriert. Die Stärke der Erschütterungen wurde mit 6,3 auf der Richter-Skala gemessen, was eine Steigerung zu früheren nordkoreanischen Tests um fast das Zwanzigfache darstellt. Am heutigen 4. September findet deshalb eine Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in New York statt, bei der die USA auf die Verhängung weiterer Sanktionen gegen Pjöngjang drängen werden. Die Geschichte zeigt jedoch, daß sich derlei Maßnahmen nicht sonderlich dazu eignen, die Kriegsgefahr zu verringern. Das Gegenteil ist der Fall.

Nachdem sich Nordkorea 2005 in Peking im Rahmen der Sechsergespräche mit Südkorea, Japan, Rußland, China und den USA bereit erklärt hatte, auf sein damals erst im Entstehen befindliches Atomwaffenprogramm gänzlich zu verzichten, machte das Finanzministerium in Washington durch die Verhängung von Wirtschaftssanktionen alle Bemühungen um eine Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel zunichte. Ein Jahr später führte Nordkorea den ersten von bislang sechs Atomtests durch. Im vergangenen Juli hat Pjöngjang zwei Interkontinentalraketen getestet, mit denen theoretisch das nordamerikanische Festland in Reichweite nordkoreanischer Atomsprengköpfe gerät. Am Vorabend des jüngsten unterirdischen Tests wurden Bilder veröffentlicht, auf denen zu sehen ist, wie Kim Jong-un im nationalen Atomlabor solch einen angeblich einsatzfähigen Wasserstoffsprengkopf inspiziert.

Für die brisante Entwicklung tragen die USA eindeutig die Hauptverantwortung. Seit 1953 weigern sie sich beharrlich, den Waffenstillstand, der den dreijährigen Koreakrieg unterbrach, durch einen Friedensvertrag zu ersetzen und diplomatische Beziehungen zu Nordkorea aufzunehmen. Wegen des Strebens Washingtons, in Pjöngjang irgendwann einmal doch noch einen "Regimewechsel" herbeizuführen, herrscht am 38. Breitengrad immer noch der Kriegszustand. Die Waffen, die dort schweigen, können von einer Sekunde zur nächsten zum Einsatz gebracht werden. In Südkorea haben die USA nach wie vor 38.500 Soldaten stationiert. Im Kriegsfall geht das Oberkommando über die südkoreanische Armee an den höchsten US-Militär vor Ort.

Seit zwei Jahren halten die amerikanischen und südkoreanischen Streitkräfte regelmäßig Manöver auf der Basis von OPLAN 5015 ab. Jener Operationsplan des Pentagons sieht ausdrücklich die Durchführung eines präemptiven Überraschungsangriffs samt Enthauptungsschlag gegen die nordkoreanische Staatsführung vor. Aus diesem Grund können Kim Jong-un und seine Militärs niemals wissen, ob aus einem großangelegten Kriegsspiel des Feindes entlang der nordkoreanischen Land- und Seegrenze nicht bitterer Ernst wird. Deshalb hat Pjöngjang wiederholt angeboten, auf weitere Atom- und Raketentests zu verzichten, wenn im Gegenzug Washington und Seoul ihre provokativen Manöver einstellen. Auch China und Rußland befürworten einen solchen "double freeze", um weitere Drehungen der Gewaltspirale zu unterbinden. Die USA lehnen jedoch die Idee der gegenseitigen Einfrierung im Rüstungswettlauf ab, weil damit Washington mit Pjöngjang auf einer Stufe gestellt werde, was für Amerikas Imperialisten inakzeptabel ist.

Die Anfang August erfolgte Drohung Nordkoreas, vier Interkontinentalraketen Richtung Guam abzufeuern und sie dort vor der Küste ins Meer stürzen zu lassen, hängt mit OPLAN 5015 direkt zusammen. Auf dem US-Überseeterritorium im westlichen Pazifik sind jene Tarnkappenbomber stationiert, die im Kriegsfall Nordkoreas Staats- und Militärführung ausschalten sollen. Als Nordkorea jedoch öffentlich auf die Waffenschau verzichtete, reklamierte US-Präsident Donald Trump die Zurückhaltung Pjöngjangs als Ergebnis der eigenen Kriegsdrohungen für sich. Am 18. August wurde Trumps wichtigster politischer Berater Steve Bannon entlassen, drei Tage nachdem er im Interview mit der linken Politzeitschrift American Prospect eindeutig erklärt hatte, es gäbe wegen der Gefahr von Millionen von Toten in der Koreakrise keine militärische Option. Seitdem werden Trump, Verteidigungsminister James Matthis und der Nationale Sicherheitsberater Herbert McMaster nicht müde zu betonen, daß "alle Optionen" sehr wohl "auf dem Tisch liegen".

Solche Äußerungen geparrt mit der Teilnahme von B1-B-Bombern aus Guam, die mit Atombomben und -raketen bestückt werden können, in den letzten Wochen am amerikanisch-südkoreanischen Großmanöver Ulchi-Freedom Guardian erklären, warum Nordkorea am 29. August erst zum dritten Mal nach 1998 und 2009 eine Mittelstreckenrakete über Japan hinweg feuerte und am 3. September eine Wasserstoffbombe testete. Trump und seine Generäle Matthis und McMaster fühlen sich durch die nordkoreanischen Abschreckungsmaßnahmen provoziert, sehen die USA in ihrer Handlungsfreiheit als Supermacht eingeschränkt. Doch sie haben sich selbst durch eine konsequente Vernachlässigung diplomatischer Möglichkeiten in Handlungszwang gebracht. Die Schwäche, die die Politelite in Washington nicht akzeptieren will, beruht auf der Beschränktheit der eigenen Weltsicht.

Man kann nur hoffen, daß die Trump-Administration den unzweideutigen Leitartikel nicht übersehen hat, der am 12. August bei der staatseigenen chinesischen Zeitung Global Times erschienen ist. Dort hieß es nämlich, daß im Fall einer nordkoreanischen Militärprovokation Pjöngjang auf sich allein gestellt wäre, wiewohl im Falle eines amerikanischen Angriffs auf Nordkorea China auf seiten des kommunistischen Nachbarlandes militärisch eingreifen werde. Man kann davon ausgehen, daß ähnliches für Rußland gilt.

4. September 2017


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