Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


ASIEN/915: Koreakonflikt - Beschwörungen und Versprechen ... (SB)


Koreakonflikt - Beschwörungen und Versprechen ...


"Ich nehme kein Blatt vor den Mund ... er läßt sich durch die Annahmen seiner Vorgänger nicht beschränken. Präsident Trump ist bereit, diesen Krieg zu beenden. Er ist vorbei. Er hat sich erledigt. Wir werden nicht in Nordkorea einmarschieren. Wir streben nicht den Sturz des nordkoreanischen Regimes an." So sprach der Nordkorea-Sonderbeauftragte des US-Außenministeriums Stephen Biegun bei Fragen nach einer aufsehenerregenden Rede vor dem versammelten Koreaexpertentum der USA am 31. Januar an der Stanford University in Palo Alto, Kalifornien. Die Rede Bieguns samt anschließender Erläuterungen dürfte in die Geschichtsbücher gehen, denn sie leitet, solange nichts Unerwartetes geschieht, das formelle Ende des Koreakriegs, der sich seit 1953 lediglich im Waffenstillstand befindet, ein.

Der dramatische Auftritt der rechten Hand von Außenminister Mike Pompeo in Sachen Korea erfolgte zu einem Zeitpunkt, an dem sich Präsident Donald Trump heftigster Kritik seitens der Medien und des Kongresses wegen seines angeblich zu nachsichtigen Umgangs mit Pjöngjang ausgesetzt sah. Bei der Präsentation des jährlichen Berichts aller 17 US-Geheimdienste zur Weltlage hatte am 29. Januar vor dem Kongreß Daniel Coats, Director of National Intelligence (DNI), erklärt, es sei "unwahrscheinlich", daß Nordkorea "alle seine Atomwaffen und Produktionsstätten" aufgeben werde, denn diese seien aus Sicht der Führung in Pjöngjang für das Überleben des "Regimes" "unerläßlich". Die Nordkoreaner versuchten lediglich "über partielle Denuklearisierung zu verhandeln, um wichtige Zugeständnisse seitens der USA sowie international zu erwirken", so der DNI.

Trump, der im vergangenen Sommer als erster US-Präsident den nordkoreanischen Staatsratsvorsitzenden Kim Jong-un in Singapur getroffen und damit aus Sicht der außenpolitischen Elite in Washington auf unzulässige Weise das kommunistische "Regime" in Pjöngjang "aufgewertet" hatte, fühlte sich vom Urteil der eigenen Geheimdienste öffentlich düpiert und giftete zurück. Per Twitter warf er Coats und Konsorten, "passiv" und "naiv" zu sein und empfahl ihnen, "zurück in die Schule" zu gehen. Die Konzernmedien, die Trump bis heute seinen Überraschungssieg über Hillary Clinton bei der Präsidentenwahl 2016 nicht verziehen haben, fielen über den New Yorker Immobilienhai her, weil sich dieser nicht nur nicht an die Vorgaben des eigenen Sicherheitsapparats hält, sondern eigene Wege in der Außen- und Sicherheitspolitik beschreitet.

Man muß Trump als Person nicht mögen oder sein protziges Verhalten gutheißen, um anzuerkennen, daß er in zwei Jahren die Diplomatie auf der koreanischen Halbinsel weiter vorangetrieben hat als alle seine Vorgänger zusammen - nicht zuletzt, weil er im Vergleich zu ihnen als amerikanischer Präsident bereit war, den höchsten Repräsentanten Nordkoreas auf Augenhöhe zu begegnen. Zu einem solchen Schritt, der Vertrauen beiderseits des 38. Breitengrads schaffte und von den Menschen in ganz Asien positiv bewertet wurde, haben sich weder Bill Clinton noch Barack Obama durchringen können, und zwar aus Angst, in Washington als "Schwächling" bezeichnet zu werden. Trump, der selbsternannte "Meister des Deals", der ausschließlich in pragmatischen Kategorien denkt und nichts auf die Meinung der vermeintlichen Besserwisser in Washington gibt, hatte da weniger Hemmungen.

Laut dem Sonderbeauftragten Biegun, der seit Monaten in Pjöngjang, in Stockholm und in Washington mit dem nordkoreanischen Chefunterhändler Kim Yong-chol über Wege der Annäherung diskutiert, sind beide Parteien auf dem besten Weg, eine stabile Friedensordnung auf der koreanischen Halbinsel zu schaffen. In seiner Stanford-Rede räumte der Repräsentant des State Departments ein, daß man in Washington und Pjöngjang jeweils etwas anderes unter dem Begriff "Denuklearisierung" verstehe. Doch nachdem sich Kim in seiner Neujahrsrede zur Offenlegung sämtlicher Atom- und Raketenanlagen - auch bisher geheimgehaltener - bekannt hat, läge das Hauptproblem in der "Sequenzierung", das heißt in der Frage, welche einzelnen Schritte Pjöngjang beim Abbau seines Kernwaffenprogramms unternimmt und wie die USA die jeweilige Maßnahme belohnen. Am Ende des Prozesses soll ein atomwaffenfreies Nordkorea stehen, das zugleich von sämtlichen Finanz- und Wirtschaftssanktionen der USA befreit ist.

Das langfristige Ziel ist die "Normalisierung" der Beziehungen zwischen Pjöngjang und Washington bis hin zum Austausch von Botschaftern. Auf dem Weg dahin ist aktuell als erster gemeinsamer Schritt eine Erklärung zur Beendigung des Koreakrieges im Gespräch. Zwar käme das offizielle Friedensabkommen etwas später, aber immerhin stünden sich dann die Amerikaner und Nordkoreaner nicht mehr als Feinde gegenüber. Laut Biegun könnte eine entsprechende Stellungnahme, zu der die Südkoreaner seit langem drängen, auf dem zweiten Gipfeltreffen Kim-Trump, das noch vor Ende Februar voraussichtlich in der vietnamesischen Metropole Da Nang stattfinden soll, erfolgen. In der Tat müssen die Amerikaner aufpassen, nicht die Kontrolle über die Entspannung in Ostasien zu verlieren. Angeführt von Südkorea wollen auch China, Rußland und Japan an der Integrierung Nordkoreas in die regionale Wirtschaft mitwirken und mitverdienen. Allein für die Generalüberholung des nordkoreanischen Verkehrswesens und die Anbindung Südkoreas an die chinesischen und russischen Straßen- und Schienennetze werden Investitionen von mindestens 40 Milliarden Dollar erwartet.

Nicht umsonst hat am 28. Januar Premierminister Shinzo Abe bei der Parlamentseröffnung in Japan seinen Willen bekundet, sich ebenfalls demnächst mit Kim Jong-un zu treffen. Bislang nahm Tokio eine ausgesprochen feindselige Haltung gegenüber Pjöngjang ein. Nippons Konzerne drängen im Hintergrund auf die Einrichtung einer Freihandelszone China-Japan-Nordkorea-Südkorea. Und auch die Russen wollen nicht zu kurz kommen. Berichten zufolge hat Moskau Pjöngjang bereits heimlich angeboten, einen größeren russischen Kernreaktor in Nordkorea zu bauen, um den Strommangel des Landes zu beheben und die Friedensbemühungen Trumps und Kims zu unterstützen. Leider dürfte ein solch vernünftiger Vorschlag aus Rußland jenen Kräften, die seit 2016 Trump als Marionette des Kremls zu diffamieren versuchen, weitere mediale Munition liefern.

2. Februar 2019


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang