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LATEINAMERIKA/2173: Chávez macht seinem Ärger über Obama Luft (SB)


Wann endet die Schonzeit für den Sonnenkönig im Weißen Haus?


Was wird Obama tun und lassen? In welchem Ausmaß diese Frage das Feld beherrscht, alle Aufmerksamkeit bindet, Hoffnung weckt und Mißtrauen einschläfert, vor allem aber die Politik der US-Administration hinter der Lichtgestalt des neuen Sonnenkönigs verbirgt, der sich nicht wie der historische mit dem Staat gleichsetzt, sondern schlimmer noch ebenso anbiedernd wie inhaltsleer behauptet, wir könnten es schaffen, spricht Bände. Wie das Kaninchen vor der Schlange sitzt alle Welt gleichsam paralysiert vor dem Weißen Haus, um nur ja nicht zu versäumen, wenn dessen neuer Chef nonchalant die Augenbraue hebt. War das schon das Startsignal auf dem Weg zum Besseren oder nur ein dezenter Hinweis, daß man sich noch eine Weile gedulden muß, da der US-Präsident zuvor letzte Stolpersteine aus dem Weg zu räumen hat? Hatte man seinem unsäglichen Amtsvorgänger noch die Pest an den Hals gewünscht, so neigt dieselbe Heerschar der Pseudokritiker nun dazu, den Nachfolger in Schutz zu nehmen: Drängt ihn bloß nicht, er hat es ohnehin schwer genug, die Welt für uns wieder in Ordnung zu bringen!

Auch die Regierungen Lateinamerikas harren konkreter Schritte und substantieller Maßnahmen der neuen Regierung in Washington, die Grund zur Annahme geben könnten, daß die US-Führung ihr Verhältnis zu den nahen und fernen südlichen Nachbarn tatsächlich revidiert und auf der Grundlage gegenseitiger Achtung gestaltet. Versprochen wurde viel, und mit einer Riesenportion guten Willens bis zum Beweis des Gegenteils für bare Münze genommen nicht weniger - doch was ist bislang daraus geworden?

Ungeduld zeigt, wie könnte es anders sein, als erster Hugo Chávez. Der Präsident Venezuelas und Kritiker des Imperiums hatte sich vorab zum direkten Dialog mit Barack Obama bereiterklärt und fragt sich inzwischen vermutlich, wie viele Amtszeiten er auf die Antwort aus Washington warten soll. In seiner sonntäglichen Radio- und Fernsehsendung hielt er mit seinem Groll nicht hinter dem Berg und signalisierte Obama, daß dieser noch viel über Lateinamerika lernen müsse. Wie der venezolanische Staatschef mitteilte, sei er gerade dabei gewesen, einen Botschafter seines Landes in Washington zu ernennen, als der neue US-Präsident ihn beschuldigt habe, er exportiere den "Terrorismus" und sei ein Hindernis für den Fortschritt der Region. "Armer ignoranter Mensch" sei noch das wenigste, was man dazu sagen könne, erklärte Chávez, der seinem Amtskollegen riet, ab und zu ein paar Seiten zu lesen, damit er etwas über die Realität erfahre. Nach dieser Spitze stellte der venezolanische Präsident klar: "Wenn Obama uns respektiert, respektieren wir ihn." Sollte Obama aber versuchen, Venezuela respektlos zu behandeln, werde man dem nordamerikanischen Imperium die Stirn bieten. (New York Times vom 23.03.09).

Solch deutliche Worte wird man von Mauricio Funes wohl nicht zu hören bekommen. Der frühere Korrespondent der spanischsprachigen Abteilung von CNN und Gastgeber einer populären Talkshow hat kürzlich für die Partei der ehemaligen Guerilla (FMLN) die Präsidentschaftswahl in El Salvador gewonnen und damit die Vormacht der langjährigen reaktionären Regierungspartei ARENA gebrochen. Er sicherte den Schutz des Privateigentums zu und lud die Wirtschaft seines Landes ein, mit ihm zusammen eine dynamische Ökonomie aufzubauen, die in Lateinamerika ihresgleichen suche. Nachdem ihm seine politischen Gegner vorgeworfen hatten, er sei eine Marionette des venezolanischen Staatschefs, stellte er dessen Vorbildfunktion mit Nachdruck in Abrede und ordnete sich dem brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva zu, der es mustergültig geschafft habe, Wirtschaftskreise seines Landes einzubinden und von den Vorzügen seines politischen Kurses zu überzeugen. Was aber sein Verhältnis zu Obama betrifft, so machte Funes in einem Interview mit der Washington Post aus seiner Bewunderung keinen Hehl und kündigte verstärkte Bemühungen an, die Beziehungen El Salvadors zu den Vereinigten Staaten zu vertiefen und partnerschaftlich zusammenzuarbeiten. Am Handelsabkommen zwischen den beiden Länder werde er keinesfalls rühren.

Stellt man die Frage, was außer kunstvoll produzierter heißer Luft bislang bei Barack Obamas Wahlkampfversprechen, er werde auf die Länder Lateinamerikas als Partner zugehen, herausgekommen ist, kann man sich an die Kubaner wenden. Von direkten Gesprächen mit der Führung in Havanna ist derzeit keine Rede mehr. Wurde die Forderung Luiz Inácio Lula da Silvas gehört, die für eine breite Mehrheit des Südens sprach, als er dringend zu einem Ende der Blockade gegen Kuba riet, wenn denn glaubwürdig von einer Korrektur der Lateinamerikapolitik Washingtons die Rede sein soll?

Was der US-Kongreß beschlossen hat, kann man nur als minimal bezeichnen. Die Lieferungen US-amerikanischer Lebensmittel und Medikamente dürfen aufgestockt werden, Havanna braucht künftig keine Vorkasse mehr zu leisten, es sind wieder jährliche Besuche in Kuba gestattet und während des unbeschränkten Aufenthalts darf eine größere Summe als bislang ausgeben werden. So erfreulich diese Erleichterungen auch sein mögen, werden damit im wesentlichen doch nur Verschärfungen des Embargos zurückgenommen, die unter George W. Bush verhängt worden waren. Wesentliche Teile der Blockade haben weiter Bestand, und wer sich mit der Hoffnung tröstet, es sei doch immerhin ein Anfang gemacht, sollte dabei den gebotenen Zweifel nicht unter den Tisch fallen lassen, daß das womöglich auch schon alles war, was Führungskreise der USA zu gewähren bereit sind.

Fidel Castro hatte Anfang des Jahres in einer seiner Reflexionen geschrieben, er halte Barack Obama für glaubwürdig. Sollte dieser aber versuchen, den imperialistischen Strukturen seines Landes zu Leibe zu rücken, sei sein Scheitern unvermeidlich. Im Lichte der jüngsten Entwicklung kann man die Analyse zuspitzen: Obama wird nicht scheitern, da die absehbare Leistung seiner Amtszeit darin besteht, in rhetorischem Kontrast zu seinem Vorgänger die Fortentwicklung derselben Politik vor aller Welt zu verschleiern.

23. März 2009