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LATEINAMERIKA/2180: Ecuador schützt seine Wirtschaft mit Importzöllen (SB)


Notlösung Protektionismus spiegelt die Strategien der Führungsmächte


In verzweifelter Reaktion auf die unverstandene und unkontrollierbare kapitalistische Systemkrise verstoßen die nationalstaatlichen Akteure mit protektionistischen Maßnahmen zunehmend gegen den Mythos freien Handels, die ja nie etwas anderes als ein mit Brachialgewalt durchgesetztes Regime der Starken zu Lasten der Schwachen war. Wie der in der Vergangenheit wohl meistdiskutierte Streitpunkt von Subventionen für die Landwirtschaft der führenden Industriemächte zeigt, gehört Protektionismus in deren Händen zu den fürchterlichsten Vernichtungswaffen, die Millionen von Menschen in den armen Ländern ins Elend stürzen und zu Verlierern im erbitterten Kampf um die mangelnden Sourcen des Überlebens machen.

Da Handel stets dem Interesse geschuldet ist, den Handelspartner zu übervorteilen, gleichen Regulationen des Welthandels einem Pakt unter Räubern, die befristete Bündnisse zu Lasten der Schwächsten in ihrem Kreis eingehen. In der Krise kündigen sie diese Kumpanei des Schreckens mehr oder minder auf, um die eigene Haut zu retten. Da sie mit diesem tendentiellen Torschluß aber das Gesamtsystem akut gefährden, von dem sie zu profitieren hoffen, erinnern sie sich mit Schrecken an die historischen Folgen früherer Krisenreaktion durch massiven Protektionismus, der als eine der wichtigsten Ursachen für die Weltkriege und der Depression zwischen beiden gilt. Wie der Frieden die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln ist, droht dieser Prozeß aggressiver Wirtschaftsbeziehungen umgekehrt in eine bellizistische Konfrontation umzuschlagen, wenn die verheerenden Krisenfolgen anders nicht mehr auszukämpfen sind.

Die Konsequenz ist nicht der Verzicht auf protektionistische Maßnahmen, sondern die Verschleierung der eigenen diesbezüglichen Manöver und die lautstarke Bezichtigung der Regulierungsversuche anderer Länder. Weil dieses gegenseitige Belauern letzten Endes einem Tappen im Dunkeln gleicht, muten die Strategien der einzelnen Regierungen in einer Region wie Lateinamerika in ihrem Erscheinungsbild recht unterschiedlich an.

Peru und Chile setzen weiter auf Freihandel und haben ihre Handelspartner weltweit diversifiziert. Kolumbien investiert verstärkt in die Infrastruktur, während Brasilien mit einem Finanzpaket vornehmlich den Energiesektor und das Transportwesen stimuliert. Argentinien hat die Lizenzen für Importgüter eingeschränkt, weshalb Paraguay ebenfalls Zölle auf bestimmte Einfuhren erhebt. (The Christian Science Monitor vom 03.04.09)

Am weitesten geht jedoch Ecuador, dessen Präsident Rafael Correa für überraschende und nicht selten radikale wirtschaftspolitische Manöver bekannt ist. Die Regierung in Quito erhebt seit Anfang des Jahres neue Zölle auf rund 630 Importartikel, was dazu führt, daß für die Mehrzahl der Konsumenten nur noch die nun wesentlich billigeren einheimischen Produkte erschwinglich sind. Correa hat diese Maßnahme als unverzichtbar zum Schutz der eigenen Wirtschaft verteidigt, in der auf diese Weise 1,46 Milliarden Dollar in Zirkulation gehalten werden sollen.

Viele lateinamerikanische Volkswirtschaften sind angesichts ihrer Abhängigkeit vom Export von Rohstoffen und dem Rückfluß der Gelder ihrer ins Ausland abgewanderten Bürger in der Krise besonders gefährdet. Im Falle Ecuadors kommt jedoch die verhängnisvolle Dollarisierung hinzu, die den finanzpolitischen Spielraum der Regierung minimiert. Während die Nachbarländer ihre Währungen abgewertet und sich damit Exportvorteile verschafft haben, ist Quito dieser Weg verschlossen. Mit dem US-Dollar als Landeswährung hängt das Land unmittelbar von den Manövern der USA ab, ohne jedoch über deren Option zu verfügen, eigenes Geld nachzudrucken. Correa wußte natürlich um dieses Verhängnis und hat schon vor geraumer Zeit eine mögliche Abkehr vom US-Dollar und die Wiedereinführung einer eigenständigen Landeswährung in Erwägung gezogen. Da dieser Schritt jedoch umstritten, kompliziert und riskant ist, wurde er bislang nicht in Angriff genommen.

Wenngleich die protektionistische Maßnahme Ecuadors ausgeprägter als die seiner regionalen Nachbarn ist, braucht sich die Regierung in Quito von den führenden Industriestaaten diesbezüglich nichts vorwerfen zu lassen. So haben seit dem G20-Treffen im November 2008 nicht weniger als 17 der 20 weltgrößten Volkswirtschaften ihr Versprechen gebrochen, vom protektionistischen Schutz der eigenen Ökonomie abzusehen, und Regierungen weltweit seit August letzten Jahres nahezu hundert derartige Maßnahmen ergriffen.

Abgesehen davon, daß die Richtlinien der Welthandelsorganisation (WTO) Protektionismus in gewissem Umfang durchaus zulassen, klaffen offizielle Verlautbarungen und tatsächlich ergriffene Maßnahmen nicht selten weit auseinander. So traten der britische Premierminister Gordon Brown und der mexikanische Präsident Felipe Calderón bei einer gemeinsamen Stellungnahme in London für den Freihandel und gegen Protektionismus ein. Dabei hat die Regierung Mexikos erst kürzlich die Zölle auf diverse Importe aus den USA angehoben oder wieder eingeführt, um sich für die Einstellung des Pilotprojekts zur Zulassung mexikanischer Spediteure im US-Straßenverkehr zu revanchieren.

Im Handelskrieg sind alle Mittel geboten, doch zugleich mögliche Reaktionen gefürchtet, was im Rahmen der eingespielten Ausbeutungsverhältnisse den Schein von Rechtmäßigkeit und Normalität über gewisse Fristen aufrechterhält - sofern man nicht in den unteren Regionen der Freßkette sein Dasein fristet und sich wenig Illusionen über die Segnungen des Welthandels machen kann. In Zeiten der eskalierenden Krise bricht sich die Vorteilsnahme immer unverhohlener Bahn und droht Kettenreaktionen auszulösen, die nicht mehr unterbrochen werden können.

3. April 2009