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LATEINAMERIKA/2182: Venezuela baut Zusammenarbeit mit dem Iran aus (SB)


Präsident Chávez stärkt in Teheran die strategische Partnerschaft


Venezuelas Präsident Hugo Chávez hat sich seit jeher nicht gescheut, Kontakt mit jenen Staaten und Führungspersonen aufzunehmen, die von den Vereinigten Staaten und deren Verbündeten mit politischen, wirtschaftlichen und militärischen Mitteln angegriffen wurden. Das gilt für Libyens Omar al-Gaddafi, Saddam Hussein im Irak, Weißrußlands Alexander Lukaschenko und derzeit seinen iranischen Amtskollegen Mahmud Ahmadinedschad. "Warum können arabische Politiker nicht das tun, was ein Nicht-Araber und Nicht-Moslem fertigbringt?", fragte der arabische Fernsehsender Al-Dschasira in einem Bericht über den populären Venezolaner, der nach dem Angriff auf den Gazastreifen, bei dem rund 1.400 Palästinenser getötet und Schäden in Milliardenhöhe angerichtet wurden, im Januar die Beziehungen zu Israel abgebrochen hat.

Mit seiner Außenpolitik hält Chávez der US-amerikanischen Hegemonie eine multipolare Welt entgegen, zu der er mit dem Ausbau politischer und wirtschaftlicher Beziehungen zu den genannten Ländern sowie insbesondere auch zu Rußland und China in besonderem Maße beiträgt. Mag es ihn sicher auch persönlich reizen, dem Imperium den einen oder andern Stich zu versetzen, so entspringt der Vorwurf, er handle aus Eitelkeit, Geltungssucht und Machthunger doch demselben Arsenal der Bezichtigung, das den Gegner nicht nur als andersdenkend konfrontiert, sondern in seinem Wesen zu diffamieren und bis hin zum "Terroristen" zu entmenschlichen sucht. Der Zusammenhalt von Menschen, Strukturen, Regionen oder gar Ländern unter Bewahrung ihrer Verschiedenheit und Vielfalt ist das Feindbild und Hindernis einer globalen Weltordnung, wie sie die USA und ihre Verbündeten unter Spaltung, Fragmentierung und Pulverisierung aller verbindenden und solidarischen Bezüge und Denkweisen vorantreiben.

Am Rande eines Treffens von südamerikanischen und arabischen Staaten in Doha sagte Chávez dem Sender Al-Dschasira, Venezuela habe keine Probleme damit, Menschen aufzunehmen. Mit dieser Äußerungen nahm er Bezug auf Bestrebungen der US-Regierung, Aufnahmeländer für Insassen des Lagers Guantánamo zu finden, dessen Schließung Präsident Barack Obama angekündigt hat. Zugleich forderte Chávez die US-Regierung erneut dazu auf, die Militärbasis Guantánamo Bay an Kuba zurückzugeben.

Bei seinem anschließenden Besuch im Iran verlieh Präsident Chávez dennoch seiner Hoffnung Ausdruck, daß es auf dem bevorstehenden Amerikagipfel zu einer Neugestaltung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten kommt. Bislang konnte der venezolanische Staatschef der rasant um sich greifenden Blauäugigkeit und Euphorie hinsichtlich der Intentionen der neuen US-Administration nichts abgewinnen, wobei er zuletzt unverhohlen Kritik an Barack Obama übte. Nachdem dieser von kurzem behauptet hatte, der Präsident Venezuelas "exportiere den Terrorismus" und sei ein Hindernis für den Fortschritt in Lateinamerika, hatte Chávez ihn als "ignorant" bezeichnet, was angesichts der Schwere der Vorwürfe noch eine relativ milde Reaktion war. Nun zeigte sich der venezolanische Staatschef gewillt, das Verhältnis der beiden Regierungen wieder auf eine rationale Ebene zurückzuführen. Er sei bereit für einen Neustart, versicherte Chávez in einem Telefongespräch mit dem venezolanischen Fernsehen aus Teheran, und er hoffe, daß dies auch für die Politik Präsident Obamas gelte.

Bekanntlich verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Venezuela und den USA während der Regierungszeit George W. Bushs dramatisch und erreichten einen Tiefpunkt, als Chávez den US-Botschafter in Caracas ausweisen ließ und den Chefdiplomaten seines Landes aus Washington zurückrief. Der Gipfel vom 17. bis 19. April in Trinidad und Tobago könnte der geeignete Ort und Zeitpunkt für eine Normalisierung sein. Wie der venezolanische Staatschef sagte, erwarte er nun Signale aus Washington, daß Obama seinerseits zu derartigen Schritten bereit ist.

Wenn man beim Gipfel zusammenkomme, werde er dem neuen US-Präsidenten eine Reihe drängender Fragen stellen. Vor allem wolle man doch wissen, welche Lösungsansätze Obama angesichts der weltweiten Krise habe, die auch Lateinamerika schwer in Mitleidenschaft zieht. Zudem sei man gespannt, ob die Blockade Kubas aufrechterhalten wird und ob endlich Bewegung in den Fall Posada Carriles kommt. Caracas hat die Erneuerung des Auslieferungsgesuchs angekündigt, um den ehemaligen CIA-Agenten wegen des Bombenanschlags auf eine kubanische Verkehrsmaschine, bei dem 1976 alle 73 Insassen starben, erneut in Haft zu nehmen.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Chávez kritisierte der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad die Ergebnisse des G20-Gipfels. Die beteiligten Industriestaaten und Schwellenländer setzten den Weg fort, der die Welt in die Wirtschaftskrise geführt hat. Auch Chávez zeigte sich enttäuscht von den Ergebnissen des Londoner Gipfels. Er beschrieb die aktuelle Krise als "einen Krebs, der sich ausgebreitet hat und die Beziehungen zwischen den Völkern angreift". Der geistliche Führer des Landes, Ayatollah Ali Khamenei, lobte die "mutige" Entscheidung der venezolanischen Regierung, die diplomatischen Beziehungen zu Israel nach dem Angriff auf den Gazastreifen abzubrechen. Damit habe Venezuela übernommen, was eigentlich Aufgabe der Staaten Europas gewesen wäre, die hohe Standards bei der Einhaltung der Menschenrechte für sich in Anspruch nehmen.

Chávez, der vom lateinamerikanisch-arabischen Gipfel in Doha zum siebten Besuch des Irans in seiner zehnjährigen Amtszeit nach Teheran gereist war, traf während seines dreitägigen Aufenthalts zu zahlreichen offiziellen und privaten Gesprächen mit Mahmud Ahmadinedschad zusammen. Im Mittelpunkt des Staatsbesuchs stand die Einweihung der ersten gemeinsamen Bank, die laut staatlichen iranischen Medien mit einem Startkapital von 200 Millionen Dollar ausgestattet ist, das beide Länder zu gleichen Teilen bereitstellten. Langfristig soll es auf 1,2 Milliarden Dollar aufgestockt werden und einen Gemeinschaftsfonds bilden, aus dem Industrieprojekte finanziert werden.

Die beiden OPEC-Mitglieder unterstrichen ihre Bereitschaft, für ein gemeinsames Vorgehen aller erdölproduzierenden und -importierenden Länder einzutreten, um einen fairen Preis im internationalen Handel zu erreichen. Zudem wurde eine Reihe von bilateralen Abkommen in den Bereichen Ölexploration, Erdgasverarbeitung, Bergbau, Landwirtschaft und Pharmazie sowie hinsichtlich der Visaerteilung unterzeichnet.

Mit seiner Lateinamerikapolitik durchbricht der Iran die außenpolitische Isolation, in die ihn Washington nach der Islamischen Revolution von 1979 getrieben hat. Umgekehrt unterstützt Teheran nicht nur Venezuela, sondern in der Folge auch Bolivien und Nicaragua beim Aufbau einer industriellen Infrastruktur, welche die Abhängigkeit von den USA und Europa reduziert. Dies macht deutlich, warum beide Regierungen von einer strategischen Partnerschaft sprechen, die durchaus Signalwirkung haben könnte. Wie Chávez darlegte, wolle man die Handelsallianz stärken, um sich vom Welthandel zu befreien und einen gerechten Handel zu schaffen, bei dem man einander ergänze. Ahmadinedschad sprach von einer Welt, die in Veränderung begriffen sei. Die bilateralen Beziehungen zwischen dem Iran und Venezuela sollten ein Beispiel für brüderliche und konstruktive Beziehungen mit anderen Ländern der Welt geben.

7. April 2009