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LATEINAMERIKA/2189: Charmeoffensive im Dienst des Hegemonialstrebens (SB)


Barack Obama umwickelt die Eisenfaust mit Worten aus Watte


Auf dem 5. Amerikagipfel der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Port of Spain in Trinidad und Tobago haben die lateinamerikanischen Staatschefs Barack Obama zugestanden, es mit dem angekündigten Neuanfang in den gegenseitigen Beziehungen ernst zu meinen. Wenngleich sie sich durchaus im klaren darüber sind, daß die Offensive des neuen US-Präsidenten der Wahrung eigener hegemonialen Interessen in dieser Weltregion gilt und darauf angelegt ist, dem wachsenden Widerstand gegen die Dominanz Washingtons während der Bush-Administration die Spitze zu nehmen, halten sie ihrerseits die Tür offen, um die nicht gänzlich auszuschließende Chance einer substantiellen Veränderung in diesem Verhältnis zu wahren, das in der Vergangenheit auf die Formel reduziert wurde, Lateinamerika sei der Hinterhof der USA.

George W. Bush stand für eine Ära brachialer Gewalt, in der die Welt in die "Koalition der Willigen" auf der Seite des Guten, und die "Terroristen" samt ihren Unterstützern auf der des Bösen geschieden wurde. Da sich die Nationen in der gegenwärtigen Phase der Herrschaftssicherung nur bedingt in dieses Schema pressen ließen und sich aus aus dieser Reibung Gegenströmungen entwickelten, folgt nun mit Barack Obama eine messianische Führerfigur, die Versöhnung mit den USA predigt und an allen Fronten die Wende in Aussicht stellt. Es wäre verhängnisvoll, diese Abfolge als Pendelschlag zu mißdeuten, da eine solche Interpretation die innewohnende Entwicklungslogik und -dynamik ignoriert oder leugnet. Während die Vorgängerregierung offen die Keule schwang, um Geld und Truppen für den Krieg zu requirieren und dem Denken fundamentale Dogmen einzubläuen, steht Obama für die nicht zu unterschätzende Kunst der Verführung, die alle Register zieht, um die Versöhnungsbereitschaft in sämtlichen Spielarten von Furcht bis Gewinnstreben hervorzulocken und in Dienst zu nehmen. So gesehen war Bush ein Waisenknabe, an dessen plumper Bigotterie sich die Gemüter erhitzen und abarbeiten konnten.

Denkt man an die heftigen Turbulenzen beim vorangegangen Amerikagipfel 2005 in Argentinien zurück, der einem Schlachtfeld des Streits um die Politik der USA glich, so zeichnete sich das nun zu Ende gegangene Treffen der 34 Staats- und Regierungschefs durch eine je nach Standpunkt geradezu paradiesische oder aber gespenstische Harmonie aus. Barack Obama bewegte sich auf diesem schwierigen Parkett der Diplomatie wie ein Fisch im Wasser, ging auf Hugo Chávez zu, um ihn zu begrüßen, gab sich als Politiker, der gekommen sei um zuzuhören und zu lernen, lachte, scherzte und versprühte Zuversicht. Natürlich hatte er es zumindest in Teilen dieses Kreises mit erfahrenen und standfesten Naturen zu tun, die sich davon nicht blind um den Finger wickeln lassen. Dennoch kam unter dem Strich dabei eine Gemengelage heraus, die beiderseits als erfreulich und erfolgreich bezeichnet werden konnte. Die Tür wurde keineswegs weit geöffnet, doch andererseits auch nicht zugeschlagen, was angesichts des Scherbenhaufens, den es zu kitten gilt, beachtlich war.

Venezuelas Präsident Hugo Chávez, der in den zurückliegenden Jahren als schärfster Kritiker der Vereinigten Staaten und ihres Präsidenten George W. Bush in Erscheinung getreten war, ging freundlich mit Obama um und verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, daß es zu einer wesentlichen Verbesserung des Verhältnisses zwischen den beiden Regierungen kommen werde. Wie Chávez ankündigte, wolle er die diplomatischen Beziehungen wiederherstellen und den früheren Außenminister Roy Chaderton zum Botschafter in Washington ernennen. Venezuela hatte im September 2008 den US-Botschafter des Landes verwiesen, worauf die US-Regierung am folgenden Tag den venezolanischen Chefdiplomaten aufforderte, das Land zu verlassen. Das US-Außenministerium bestätigte Gespräche zwischen Präsident Hugo Chávez und Außenministerin Hillary Clinton über die Wiederbesetzung der beiderseitigen Botschafterposten.

Im Mittelpunkt der offiziellen Debatten standen die Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise, in deren Verlauf auch die Länder Lateinamerikas schweren Schaden zu nehmen und weit in ihrer Entwicklung zurückgeworfen zu werden drohen. Chiles Präsidentin Michelle Bachelet rief die Gipfelteilnehmer dazu auf, die Probleme der Menschen in den Vordergrund zu stellen. Obama stellte einen Wachstumsfonds in Aussicht, der mit 100 Millionen Dollar dotiert sein und vor allem sehr kleinen Unternehmen helfen soll.

Tatsächlich stand dieser Gipfel jedoch im Zeichen der Kubafrage, die schon weit im Vorfeld als Lackmustest für die Absichten der neuen Präsidentschaft in den USA eingestuft wurde. Selbst als Verbündete Washingtons einzustufende Regierungen wie die Mexikos und Kolumbiens schließen sich inzwischen der Forderung nach einer vollständigen Aufhebung der Blockade an. Während sich einige Staatschefs wie Luiz Inácio Lula da Silva erneut als Vermittler anboten, gingen andere schärfer mit Washington ins Gericht und verlangten als sofortigen Schritt die künftige Teilnahme Kubas an den seit 1994 stattfindenden Amerikagipfeln.

Obama sparte in seiner kurzen Rede alle konfrontativen Themen aus und ging auch mit keinem Wort auf die Blockade Kubas ein. Wie er bei seinem vorangegangenen Besuch in Mexiko erklärt hatte, sei nun die kubanische Regierung an der Reihe, den nächsten Schritt zu machen. Dabei hatte diese längst die angekündigten Erleichterungen für Exilkubaner als enttäuschend gering eingestuft, doch zugleich ihre Gesprächsbereitschaft signalisiert, sofern man auf gleicher Augenhöhe zusammenkomme. Auf einer Pressekonferenz in Port of Spain wies Obama Kritik aus Kreisen der US-Republikaner an seinem Auftritt beim Gipfel mit den Worten zurück, Chávez und anderen roten Tüchern der US-Konservativen die Hände zu schütteln und sich höflich mit ihnen zu unterhalten, könne wohl kaum als Gefahr für die strategischen Interessen der Vereinigten Staaten bezeichnet werden. Mit dieser ihm zu Gebote stehenden geschmeidigen Ironie lektionierte er die Protagonisten der Konfrontation als Sachwalter einer bornierten Rammbockstrategie, die ihr Werk getan haben, doch seinem als Konzessionsbereitschaft maskierten Griff in die Eingeweide der Beteiligung nicht in die Quere kommen sollen.

Er habe den Weg freigemacht für einen offenen Dialog mit Ländern wie Venezuela und Kuba, deren Beziehungen zu den USA überstrapaziert worden seien. Zugleich unterstrich er jedoch, daß er nach wie vor große Differenzen mit Chávez habe und darauf bestehe, daß die Freiheit des kubanischen Volkes das Leitmotiv seiner Außenpolitik sei. Das bleibe sein Leitstern, ließ Obama keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit, die Linie des Hegemonialstrebens uneingeschränkt fortzusetzen. Er sei unbesorgt hinsichtlich der politischen Ergebnisse des Gipfels, denn was die Wahrung US-amerikanischer Interessen betreffe, habe er das Richtige getan.

20. April 2009