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LATEINAMERIKA/2194: Ecuadors Präsident Correa im Amt bestätigt (SB)


Klares Votum für die Fortsetzung des Reformwerks


Ecuadors Staatschef Rafael Correa ist bei der Präsidentschaftswahl im Amt bestätigt worden und kann sein Reformwerk fortsetzen. Der 46 Jahre alte Wirtschaftsexperte setzte sich nach Angaben der zentralen Wahlkommission bereits im ersten Wahlgang mit rund 51 Prozent der abgegebenen Stimmen deutlich gegen sieben weitere Kandidaten durch. Auf den früheren Präsidenten Lucio Gutiérrez entfielen 28 Prozent, während der Bananenmagnat und reichste Mann des Landes, Alvaro Noboa, mit acht Prozent weit abgeschlagen an dritter Stelle landete. Wahlbeobachter der Europäischen Union und der Organisation Amerikanischer Staaten attestierten dem Urnengang einen ordnungsgemäßen Ablauf.

"Dies ist ein Tag der Freude", rief Correa in der Hafenstadt Guayaquil seinen jubelnden Anhängern zu und versprach die Fortsetzung seiner Sozialreform. "Wir haben einen historischen Schritt bei der Konsolidierung unserer sozialen Revolution vollzogen." Wohlfahrtsprogramme für die arme Bevölkerungsmehrheit haben ihm starken Rückhalt eingebracht, wobei sich auch seine Maßnahmen zum Schutz der einheimischen Wirtschaft vor dem Hintergrund der weltweiten Krise bislang großer Zustimmung erfreuen. Demgegenüber gelang es dem alten politischen Establishment nicht, seine Zersplitterung zu überwinden und einen auch nur annähernd konkurrenzfähigen Gegenentwurf zu präsentieren. (New York Times 27.04.09)

Correas schärfster Rivale Lucio Gutiérrez, der 2005 als Präsident gestürzt worden war, konnte ihm in der aktuellen Situation nicht das Wasser reichen. Der ehemalige Oberst der Armee war seinerzeit als Kandidat eines Linksbündnisses Staatschef geworden, worauf er eine Kehrtwende vollzog und sich als Protagonist neoliberaler Anpassung hervortat. Er ging in die Geschichte des südamerikanischen Landes als eine von vielen zwielichtigen Figuren ein, die einander die Klinke des Präsidentenpalastes in die Hand gaben.

Rafael Correa ist bereits der zehnte Präsident Ecuadors seit 1996, doch mit Abstand der stärkste Staatschef seit Ende der Militärdiktatur im Jahr 1979. Er wurde 2006 auf Grundlage eines Programms gewählt, das in deutlichem Kontrast zu der politischen Ausrichtung seiner Vorgänger stand, die den Eliten und wohlhabenden Schichten in die Tasche wirtschafteten, wofür sie zumeist unter wachsendem Druck des Protests auf der Straße mit dem vorzeitigen Ende ihrer Amtszeit bezahlen mußten. Der in den USA ausgebildete Wirtschaftswissenschaftler Correa galt zunächst als linksbürgerlicher Staatschef, der wenig mit Hugo Chávez oder Evo Morales gemeinsam hatte und den sozialdemokratischen Amtskollegen in Südamerika näherstand.

Wie sich jedoch rasch herausstellte, beendete Correa nicht nur die Periode politischer Instabilität mit ständig wechselnden Präsidenten, sondern ließ sich auch von Bezichtigungen und Drohungen aus Richtung Washington nicht einschüchtern. Heute stimmt er in vielerlei Hinsicht mit Chávez und Morales überein, was nicht zuletzt darin seinen Ausdruck fand, daß auf seine Initiative hin auch in Ecuador eine neue Verfassung entworfen und im September letzten Jahres in einer Volksabstimmung angenommen wurde. Nach seinem Wahlsieg vom Wochenende tritt Correa nun eine vierjährige Amtszeit an und kann danach noch ein weiteres Mal kandidieren.

Zu den wichtigsten Maßnahmen im sozialen Bereich gehört eine Unterstützung armer Familien in Höhe von 30 Dollar pro Monat. Im Dezember 2008 gab Präsident Correa unter dem Eindruck dramatisch fallender Ölpreise und einer krisenhaften Entwicklung der Weltwirtschaft bekannt, daß seine Regierung wichtigere Aufgaben im eigenen Land zu erfüllen habe, als die Auslandschulden zu bezahlen. Damit vollzog er einen jener unerwartet weitreichenden Schritte vor allem im wirtschaftspolitischen Bereich, durch den sich seine Präsidentschaft auszeichnet. Der eigenen Bevölkerung Vorrang vor den ausländischen Gläubigern zu geben, gleicht einem Tabubruch, der fast zwangsläufig Sanktionsversuche nach sich zieht. Allerdings lehrt das historische Beispiel Argentiniens, daß die Erklärung staatlicher Zahlungsunfähigkeit nicht das Ende des Staatswesens, sondern der Anfang einer Bewältigung der tiefen Wirtschaftskrise war, die damals als "argentinische Krankheit" in die Annalen einging.

Seit Ende letzten Jahres sind die Reserven an harten Devisen in Ecuador um ein Drittel auf rund 3 Milliarden Dollar geschrumpft. Um den Abfluß von US-Dollars zu bremsen, die offizielle Landeswährung sind, erhöhte die Regierung die Zölle auf zahlreiche eingeführte Produkte. Da die einheimischen Erzeugnisse dementsprechend billiger sind, werden sie von der Masse der Konsumenten eher gekauft, was wiederum die Wirtschaft des Landes unterstützt. Dies brachte Correa den heftigen Vorwurf ein, er greife zu extrem protektionistischen Maßnahmen, die Gift in einem Stadium der weltweiten Krise seien und zu einer Kettenreaktion allseitiger Abschottung beitragen könnten. Einem kleinen Land wie Ecuador vorzuhalten, es dürfe sich nicht durch eigenständige Manöver vor den Krisenfolgen zu schützen versuchen, soweit das überhaupt möglich ist, klingt jedoch wie Hohn aus dem Mund politischer und ökonomischer Giganten, deren Portokasse mehr Kleingeld enthält, als Ecuador an Devisenreserven zur Verfügung steht.

Zudem hat die Regierung in Quito Kredite von mehr als einer Milliarde Dollar von den Chinesen erhalten, die mit keinen Auflagen verbunden sind, wie sie die internationale Finanzadministration den Schuldnerländern aufzuzwingen pflegt. Mit einer Inflationsrate von 7,4 Prozent steht Ecuador derzeit besser als viele Nachbarländer da, was ebenfalls dazu beiträgt, daß Correas Kritiker im In- und Ausland zähneknirschend einräumen müssen, daß er bislang nicht nur keine gravierenden Fehler begangen, sondern Ecuador ganz im Gegenteil eine Stabilität gebracht hat, wie sie angesichts der vorangegangenen politischen Turbulenzen und heute im Zeichen der kapitalistischen Systemkrise fast schon an ein Wunder grenzt.

Mangels ernsthaften Argumenten, die sich aus bürgerlichen Kreisen gegen Rafael Correa vorbringen lassen, greift man wie in solchen Fällen üblich zu mehr oder minder nebulösen Warnungen vor angeblich diktatorischen Ambitionen des Präsidenten und kündigt unterdessen hämisch an, seine Politik werde den Bach heruntergehen, sobald sich ihr ökonomisches Umfeld weiter verschlechtert. Steuergelder an die Armen zu verschwenden, könne man sich eben nur leisten, solange die Erlöse aus dem Ölgeschäft sprudeln. Allerdings muten diese Standardvorwürfe derzeit eher wie eine Pflichtübung, denn wie hitzige Polemik an, was womöglich daran liegen könnte, daß ihren Verfassern dabei das Wort im Hals steckenbleibt. Die Zeiten, in denen man andere Länder und Regierungen herablassend belehrt hat, wie Politik und Wirtschaft ordentlich kapitalistisch zu funktionieren haben, sollten fürs erste der Vergangenheit angehören.

27. April 2009