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LATEINAMERIKA/2208: Kongreß in Bogotá ebnet Weg für Wiederwahl Uribes (SB)


Referendum über eine dritte Amtszeit des Präsidenten beschlossen


Der Beschluß des Kongresses in Bogotá, ein Referendum über eine dritte Amtszeit Präsident Alvaro Uribes durchzuführen, hat den Staatschef Kolumbiens der Verlängerung seiner Machtposition um weitere vier Jahre einen großen und vermutlich entscheidenden Schritt nähergebracht. Da niemand davon ausgeht, daß sich die Bevölkerung mehrheitlich dagegen aussprechen würde, ist Uribe diesbezüglich so gut wie am Ziel seiner Wünsche, wenngleich er sich noch immer nicht öffentlich dazu geäußert hat. Die ungewohnte Zurückhaltung des Präsidenten ist zweifellos taktischen Gründen geschuldet, da er auf diese Weise die Unwägbarkeiten eines allzu langen Wahlkampfs vermeidet, mögliche Konkurrenten auch in den eigenen Reihen im Ungewissen läßt und 2010 im Handstreich wiedergewählt zu werden hofft. Würde er hingegen eine weitere Amtszeit ausschließen, hätte er es wohl gar nicht erst zu dem Referendum kommen lassen.

Da die kolumbianische Verfassung ursprünglich nur eine Amtszeit des Präsidenten gestattete, bedurfte es bereits im Jahr 2006 einer Verfassungsänderung, um Uribe die Möglichkeit der Wiederwahl einzuräumen. Wie sich später herausstellte, war ein Teil der Stimmen im Kongreß gekauft, als dieser mehrheitlich diese weitreichende Neuerung billigte. Daß solche Enthüllungen Uribes Position nicht schwächen, unterstreicht das Ausmaß seines Einflusses und die Gefahr, die von ihm ausgeht. Selbst der Umstand, daß inzwischen die Mehrzahl seiner Verwandten und engsten politischen Vertrauten wegen Straftaten wie der Kollaboration mit den Paramilitärs im Gefängnis sitzen oder unter Anklage gestellt sein dürfte, konnte ihm nichts anhaben.

Dies legt den Schluß nahe, daß der engste Verbündete der US-Regierung in Lateinamerika neben der schützenden Hand Washingtons auch über den Rückhalt aller relevanten gesellschaftlichen Kräfte in Kolumbien verfügt, in deren Macht es stünde, sich des Staatschefs zu entledigen. Weder die Wirtschaftseliten, noch die Streitkräfte, und wie es scheint auch nicht die Paramilitärs oder Drogenkartelle wollen ihn loswerden. Offenbar sehen sie in ihm weiterhin den bestmöglichen Sachwalter ihrer Interessen und fürchten zugleich seine Verbindungen zu den Todesschwadronen und anderen zwielichtigen Kräften, die ihn zu einem gefährlichen Gegner machen, mit dem man sich besser nicht anlegt.

Nach nahezu sieben Jahren im höchsten Staatsamt erfreut sich Alvaro Uribe in Umfragen noch immer eines Zuspruchs von gut 70 Prozent. In einer Meinungsumfrage des Instituts Invamer-Gallup vom 8. Mai kündigten 84 Prozent der Befragten, die an einem Referendum teilnehmen wollten, eine Stimme für die Ermöglichung einer dritten Amtszeit des Präsidenten an. Dieser hat nicht nur sein Interesse bekundet, den eingeschlagenen Kurs seiner Sicherheitspolitik auch künftig fortgesetzt zu sehen, sondern mehr als nur angedeutet, daß er selbst am besten dafür geeignet sei.

In Bogotá und Medellín sind die Bürger zu einem hohen Prozentsatz mit seiner Führung zufrieden, da er den Bürgerkrieg ins Hinterland zurückgedrängt und ein ansehnliches Wirtschaftswachstum zustande gebracht hat. Da erhebliche Teile der Bevölkerung in den Elendsvierteln der Städte und insbesondere auf dem Land nie befragt werden, wen sie wählen würden, und auch nur zu einem geringen Bruchteil am Urnengang teilnehmen, spiegeln die vielzitierten günstigen Umfragewerte des Präsidenten die Befindlichkeit der bessergestellten Kreise auf den urbanen Inseln wider, die häufig unzulässig mit ganz Kolumbien gleichgesetzt werden.

Für die Opposition käme eine dritte Amtszeit Uribes einer Katastrophe gleich, da dies einen weiteren Ausbau des Sicherheitsapparats und neue repressive Gesetze erwarten ließe. Zugleich müßten kritische Oppositionelle, Gewerkschafter und Journalisten unverändert Drangsalierung bis hin zu Mordanschlägen fürchten, deren mutmaßliche Täter aus Kreisen paramilitärischer Kräfte so gut wie nie zur Rechenschaft gezogen werden. Im langjährigen Schnitt wird in Kolumbien alle drei Tage ein Gewerkschafter umgebracht, und wer seine Nase in die Machenschaften der Sicherheitskräfte und Todesschwadrone steckt, muß mit einer radikal verkürzten Lebenserwartung rechnen.

Eine dritte Amtszeit Uribes, warnte kürzlich das renommierte Nachrichtenmagazin "Semana", hätte gravierende institutionelle Rückwirkungen. Selbst in Uribe nahestehenden Kreisen regt sich Widerspruch, da man eine Aushöhlung demokratischer Institutionen befürchtet, sollte der Staatschef weiter an der Macht bleiben. So sprach sich Fabio Echeverri, der einer der wichtigsten Berater Uribes und dessen Wahlkampfmanager in den Jahren 2002 und 2006 gewesen war, gegen diese Option aus, die er weder mit Blick auf das Land, noch den Präsidenten selbst für angemessen erachtet. In diesem Sinn äußerte sich auch Fernando Londoño, der Uribes erster Innenminister gewesen war. (The Christian Science Monitor 20.05.09)

Sollte Alvaro Uribe wider Erwarten doch keine erneute Kandidatur anstreben, steht Verteidigungsminister Juan Manuel Santos Gewehr bei Fuß, um in die Bresche zu springen. Er gilt in Fragen der Sicherheitspolitik als absolut konform mit dem Staatschef und macht aus seinem Wunsch kein Geheimnis, sich selbst um das Präsidentenamt zu bewerben. Anfang der Woche gab er offiziell den Rücktritt von seinem Ministerposten bekannt, wobei er unterstrich, daß er nur dann antreten werde, wenn sich Uribe nicht zur Wiederwahl stelle.

22. Mai 2009