Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

LATEINAMERIKA/2231: Washington hält dem Regime in Honduras den Rücken frei (SB)


Ausbleibende Sanktionen der USA ermutigen die Putschisten


Läge es in der Absicht der US-Regierung, dem Putsch in Honduras ein Ende zu setzen, wäre der Spuk längst Vergangenheit. Das ist jedoch offensichtlich nicht der Fall. Die Vereinigten Staaten gebieten über wirkmächtigere Mittel als jedes andere Land, um diplomatischen, finanziellen und ökonomischen Druck auf die Putschisten in Tegucigalpa auszuüben, doch macht Washington keinen Gebrauch davon. Die USA haben ihren Botschafter nicht abberufen. Sie haben noch immer nicht offiziell erklärt, daß es sich um einen Staatsstreich handelt. Sie haben die Handelsbeziehungen nicht eingeschränkt. Damit signalisieren sie den Putschisten, daß diese keineswegs vollständig isoliert sind, sondern mit dem alles entscheidenden Verbündeten rechnen können, der hinter den Kulissen die Strippen für sie zieht. Solange die Obama-Administration nicht explizit von einem illegalen Umsturz spricht, werden die US-Hilfsgelder für Honduras nicht eingefroren. Solange der bilaterale Handel ungestört weiterläuft, auf den sich die Wirtschaft des mittelamerikanischen Landes zum überwiegenden Teil stützt, bleiben die von dritter Seite verhängten Sanktionen weitgehend wirkungslos.

Dieser Situation bewußt, wenden sich beide Konfliktparteien an die Obama-Regierung, um eine entscheidende Stellungnahme zu ihren Gunsten zu erwirken. Nach seiner von den Putschisten gewaltsam verhinderten Landung in Honduras trifft Präsident Manuel Zelaya heute zum ersten Mal mit US-Außenministerin Hillary Clinton zusammen. Wie er vor seinem Abflug nach Washington in der nicaraguanischen Hauptstadt Managua sagte, erwarte er eine klare Unterstützung für die Resolutionen der UNO und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) über die Wiederherstellung seiner Präsidentschaft. [1]

Unterdessen ist auch eine Sonderdelegation der Putschisten am Hauptsitz der OAS in Washington eingetroffen. Der sogenannte Interimspräsident Roberto Micheletti erhofft sich davon eine Stellungnahme der USA, daß Zelaya verfassungswidrig gehandelt habe, sowie vermittelnde Gespräche mit Außenministerin Clinton und Rückendeckung der OAS bei der Vereinbarung von Lösungswegen. Er schlug vor, den früheren Präsidenten und Botschafter seines Landes, Carlos Flores, mit Vermittlungsgesprächen in Washington zu beauftragen. "Ich vertraue darauf, daß Frau Clinton anerkennt, daß Herr Zelaya Rechenschaft ablegen muß. Unsere Verfassung sagt, daß Zelaya das Gesetz gebrochen hat", erklärte Micheletti gegenüber dem Fernsehen in Honduras. Er hoffe sehr, daß die US-Außenministerin Herrn Zelaya klarmache, daß Demokratie und Sicherheit für Honduras genauso wichtig wie für die Vereinigten Staaten ist. Eine Rückkehr Zelayas sei nicht verhandelbar, fügte der Außenminister der Putschregierung, Enrique Ortiz, hinzu. [2]

Clintons Sprecher Ian Kelly hat unterdessen bestätigt, daß sich die US-Regierung das Ziel gesetzt habe, die Wiedereinsetzung Zelayas zu ermöglichen. Auch kündigte er an, daß man Gesandte der Putschregierung von Honduras nicht empfangen wolle: "Wer auch immer ein Regime repräsentiert, das wir nicht anerkennen, wird große Probleme haben, die Beglaubigung zu erhalten." Eine klare und eindeutige Stellungnahme zugunsten Zelayas ist das jedoch nicht, da die Obama-Administration zwar die Fassade der Empörung aufrechterhält, aber andererseits weiterhin betont, sie wolle in Honduras keinesfalls intervenieren, da diese Politik der USA in der Vergangenheit den Beziehungen zu den lateinamerikanischen Ländern abträglich gewesen sei. Wie ein Regierungsvertreter in Washington erklärte, wolle man natürlich nicht so tun, als verfüge man über keinen Einfluß. Hier gehe es jedoch um die Entwicklung von Demokratie, wobei man den Akteuren in Honduras helfen wolle, ihre Probleme selbst zu lösen. Intervention sei diesbezüglich ein kurzschlüssiger Ansatz, da sie es den Verursachern der Probleme gestatte, ungeschoren davonzukommen. [3]

Die euphemistische Umschreibung des langjährigen Hegemonialregimes gibt schon für sich genommen darüber Aufschluß, woher der Wind weht. Abgesehen davon sollten alle Alarmglocken läuten, wenn eine US-Regierung ausdrücklich erklärt, sie wolle sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes einmischen. So geschah es beim gewaltsamen Sturz Jean-Bertrand Aristides in Haiti, der die Bush-Regierung vergeblich um Hilfe gegen die vorrückenden Putschisten gebeten hatte, und vom Prinzip her durchaus vergleichbar vollzieht sich nun die angestrebte Entmachtung Zelayas, welche die US-Regierung von ihren Günstlingen und Handlangern in Honduras über die Bühne bringen läßt, ohne sich die Hände schmutzig zu machen.

Die Obama-Regierung hat sich bislang jeglicher Sanktionen gegen die Putschisten enthalten und statt dessen die OAS vorgeschoben, wohl wissend, daß die seltene Einmütigkeit dieses Gremiums in der Verurteilung des Staatsstreichs auf tönernen Füßen steht, sobald die Frage möglicher Druckmittel und Strafmaßnahmen auf die Tagesordnung gesetzt wird. Eine vor allem von Nicaragua und Venezuela angeführte Fraktion fordert wirksame Sanktionen wie ein Handelsembargo und schließt eine militärische Intervention nicht aus. Dem stehen Kanada und die USA als Wortführer von Verhandlungen gegenüber, die auf eine Kompromißlösung drängen, welche den von Zelaya zumindest im Ansatz favorisierten Entwurf einer gesellschaftlichen Umgestaltung im Sande verlaufen lassen soll. Mit Hilfe ihrer engsten Verbündeten Mexiko, Costa Rica und Kolumbien verhinderten sie in der Resolution über den Ausschluß von Honduras die Aufnahme von Bestimmungen, welche Mitgliedsstaaten der OAS verpflichtet hätten, die bilaterale Kooperation mit dem Land einzustellen.

Während sämtliche Mitgliedsländer der EU wie auch fast alle Regierungen Lateinamerikas ihre Botschafter aus Tegucigalpa abberufen haben, bleiben die USA mit ihrem Chefdiplomaten weiterhin vor Ort und behaupten, sie wollten Kanäle der Kommunikation mit der honduranischen Zivilgesellschaft offenhalten. Zahlreiche Staatschefs der Region haben sich in die Bemühungen eingeschaltet, Zelaya die Rückkehr ins Amt zu ermöglichen. Dieser wurde bei seinem letztlich gescheiterten Einreiseversuch von dem Präsidenten der UN-Vollversammlung, dem nicaraguanischen Diplomaten Miguel D`Escoto Brockman, mehreren Botschaftern und Journalisten begleitet. Nach der erzwungenen Umkehr landete er schließlich in Nicaragua und reiste dann nach El Salvador weiter. In die Hauptstadt San Salvador flog auch ein weiteres Flugzeug mit einer Delegation von Politikern, die Zelaya unterstützen. An Bord befanden sich der Vorsitzende der OAS, José Miguel Insulza, und die Präsidenten Cristina Fernández de Kirchner aus Argentinien, Rafael Correa aus Ecuador und Fernando Lugo aus Paraguay. Hingegen haben es bislang weder Präsident Obama, noch Außenministerin Clinton für nötig gehalten, mit dem rechtmäßigen honduranischen Staatschef oder anderen Regierungsvertretern der Region zusammenzutreffen.

Die Putschisten gehen offensichtlich davon aus, daß sie bloßem diplomatischen Druck ohne gravierende Sanktionen durchaus bis zu den Novemberwahlen standhalten können, bei denen Zelaya gemäß der Verfassung nicht erneut kandidieren darf. Lange Verhandlungen, die ihnen den nötigen Zeitgewinn bescheren, sind daher durchaus in ihrem Sinn, woraus sich nicht zuletzt ihr repressives Vorgehen gegen die Rückkehr des Präsidenten erklärt. Nach Angaben des honduranischen Militärs hatte die Polizei schon zuvor mehr als 800 Personen festgenommen, denen ein Verstoß gegen die seit Ende Juni verhängte nächtliche Ausgangssperre vorgeworfen wird. In Erwartung Zelayas waren dann mehrere hunderttausend Menschen aus der Innenstadt Tegucigalpas zum Flughafen gezogen, um den Präsidenten bei der Rückkehr zu begrüßen und ihn des großen Rückhalts in der armen Bevölkerungsmehrheit zu versichern. Die Soldaten feuerten in die Menge, als diese das Rollfeld stürmen und die dort errichteten Hindernisse beseitigen wollte. Zwei Menschen starben und viele andere wurden verletzt, wobei zu befürchten ist, daß im Verlauf der für die kommenden Tage angekündigten Massendemonstrationen beider Lager weitere Opfer zu beklagen sind. Die doppelzüngige Warnung, Zelaya dürfe keinesfalls zurückkehren, da für diesen Fall ein Blutbad zu befürchten sei, leugnet die längst um sich greifende Repression des Putschistenregimes und die Drangsalierung einer den Militärs ausgelieferten Bevölkerung.

Sollten die Putschisten dank der Rückendeckung Washingtons ihr Ziel erreichen, wäre dies ein folgenschweres Signal für die Nachbarländer. In Guatemala haben ein Dutzend reaktionäre Kolumnisten wie auch diverse Rundfunkkommentatoren ihrer Unterstützung der "tapferen und furchtlosen" Honduraner Ausdruck verliehen, die Zelaya aus dem Amt gejagt und der internationalen Staatengemeinschaft standhaft die Stirn geboten hätten. Auch in El Salvador und Nicaragua stehen rechtsgerichtete Gesinnungsgenossen Gewehr bei Fuß, dem Beispiel der honduranischen Umstürzler zu folgen und den Staatsstreich zu wagen, wenn er denn plötzlich wieder so erfolgversprechend scheint.

Anmerkungen:

[1] http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/669391

[2] http://www.domradio.de/aktuell/artikel_54766.html

[3] New York Times (07.07.09)

7. Juli 2009