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LATEINAMERIKA/2237: Putschisten lassen Vermittlungsgespräche scheitern (SB)


Oscar Arias warnt vor "Bürgerkrieg und Blutbad" in Honduras


Wie skeptisch man die Trag- und Reichweite von Manuel Zelayas persönlichem Entwurf auch einschätzen mag, so repräsentiert seine tendentielle Assoziation mit wirkmächtigeren Vorbildern in einigen anderen Ländern Lateinamerikas doch ein Potential zur Initialzündung einer gesellschaftlichen Umgestaltung, das auch und gerade wegen der in diesem Zusammenhang nur unvollständig oder noch gar nicht in Angriff genommenen Entwicklung der Streitbarkeit Parteinahme unverzichtbar macht. Die Gegenseite hat das frühzeitig und schon im Vorfeld in einem Maße realisiert, das den brutalen Übergriff in den Rang einer opportunen Handlungsoption erhob, um die aufkeimenden Ansätze abzuwürgen, indem vollendete Tatsachen geschaffen wurden. Bezeichnenderweise läuft die weithin geforderte und prompt installierte Vermittlungsoption auf eine Kompromißlösung hinaus, die dem von Zelaya aufgegriffenen und kraft seines Amtes gebündelten und artikulierten Zweifel an den herrschenden Verhältnissen die Spitze und Wirksamkeit nehmen soll.

Die Vermittlungsgespräche zwischen Vertretern des gestürzten honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya und Repräsentanten der Putschisten sind vorerst gescheitert. Costa Ricas Staatschef Oscar Arias, der als Vermittler zwischen den Konfliktparteien tätig ist, hatte am Wochenende einen Sieben-Punkte-Plan vorgeschlagen, der von seiten Zelayas akzeptiert, von der sogenannten Übergangsregierung jedoch abgelehnt wurde. "Es tut mir sehr leid, aber diese Vorschläge sind inakzeptabel", sagte Carlos Lopez, der Gesandte des international nicht anerkannten Regimes, am Ende der zweitägigen Gespräche in der Hauptstadt San José. Im Gegenzug erklärte Zelayas Vertreterin Rixi Moncada die Gespräche für beendet.

In einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur Reuters, das er von Nicaragua aus führte, erklärte Zelaya, daß die Tür für weitere Verhandlungen grundsätzlich offenstehe. Angesichts des jüngsten Scheiterns rechne er jedoch nicht damit, daß auf diesem Wege eine Einigung zustande kommen werde. Arias will eigenen Angaben zufolge weiterhin versuchen, einen Kompromiß herbeizuführen, und sich mindestens drei Tage lang noch einmal um eine Lösung bemühen, wozu er insbesondere Gespräche mit Zelaya und Micheletti plane. [1]

Der Chef der Übergangsregierung, Roberto Micheletti, lehnt die Rückkehr Zelayas in das Präsidentenamt ab, wie sie Arias in seinem Plan vorgeschlagen hat. Dieser sah außerdem die Bildung einer "Regierung der nationalen Einheit und Versöhnung" unter Beteiligung aller politischen Kräfte des Landes bis zum Ende des verfassungsmäßigen Mandats Zelayas am 27. Januar 2010 vor. Offen blieb dabei, ob dieser von Zelaya geführten Regierung auch Personen angehören sollen, die unmittelbar in den Putsch verwickelt waren. Weiterhin schlug Arias im Zusammenhang mit dem Putsch eine Generalamnestie vor. Ein weiterer zentraler Punkt ist der offizielle Verzicht der Regierung Zelayas auf eine Abstimmung über die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung parallel zu den bevorstehenden Wahlen. Die für den 29. November anberaumten Wahlen des neuen Präsidenten, der Parlamentsabgeordneten und der Bürgermeister sollen um einen Monat auf den letzten Sonntag im Oktober vorgezogen werden. Ferner sollte die Kontrolle über die Streitkräfte dem Vorschlag zufolge einen Monat vor der Präsidentschaftswahl der Obersten Wahlbehörde übertragen werden, um "die Transparenz und Normalität der Abstimmung zu garantieren." Zudem soll eine Kommission mit Vertretern internationaler Organisationen und wichtigen Personen des Landes die Wiederherstellung der verfassungsgemäßen Ordnung beobachten. [2]

Der Sieben-Punkte-Plan des costaricanischen Staatschefs Oscar Arias stellt einen Winkelzug da, der Präsident Zelaya beträchtliche und im Grunde nicht hinzunehmende Opfer abverlangt. Die Forderung der OAS nach einer sofortigen und bedingungslosen Rückkehr Zelayas wird über Bord geworfen, indem mögliche Maßnahmen, die Umsetzung zu erzwingen, völlig ausgeblendet werden und anstelle dessen über Einbußen verhandelt wird, die Zelaya hinnehmen soll, damit man die Rückkehr in sein Amt gestattet. Als zahnlos gewordener Staatschef müßte er insbesondere auf die Abstimmung über eine verfassunggebende Versammlung und damit das wichtigste institutionelle Instrument des Umgestaltungsprozesses verzichten. Zudem unterstellt die geforderte Generalamnestie Rechtsbrüche auf beiden Seiten, womit sie dem Putsch ein gewisses Maß an Legitimität zuerkennt und nicht zuletzt die massive Repression im Gefolge des Staatsstreichs mit toten, verletzten, inhaftierten, ausgewiesenen und auf andere Weise drangsalierten Menschen jeder Strafverfolgung entzieht.

Wie Oscar Arias schon zuvor im Einklang mit überstaatlichen Organisationen und Regierungen unterstrichen hatte, sei die Forderung nach einer unbeschadeten Rückkehr Zelayas in sein Land und das Präsidentenamt nicht verhandelbar. Dem stemmen sich die Putschisten jedoch mit aller Macht entgegen, wobei sich Micheletti sogar zum Rücktritt bereiterklärt hatte, sofern Zelaya auf die Präsidentschaft verzichtet. Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten, José Miguel Insulza, erklärte hingegen, die neuen Machthaber in Honduras müßten anerkennen, daß dieser Putsch gescheitert sei.

Nach dem erneuten Scheitern seiner Vermittlungsbemühungen warnte Oscar Arias vor einem Bürgerkrieg in Honduras. Die Konfliktparteien müßten "einen Bürgerkrieg und ein Blutbad" verhindern, warnte er in San José. Zelaya betonte vor Journalisten in Nicaragua, daß ihn niemand davon abhalten könne, in sein Land zurückzukehren. "Wir haben damit begonnen, den inneren Widerstand für meine Rückkehr zu organisieren", sagte er. "Wir werden den Putschisten gegenüber keine Zugeständnisse machen", betonte Zelaya gegenüber der Deutschen Welle. [3]

Präsident Zelaya war am 28. Juni vom Obersten Gericht und vom Parlament des mittelamerikanischen Landes entmachtet und von Militärs außer Landes gebracht worden. Am 5. Juli war sein Versuch gescheitert, per Flugzeug in die Heimat zurückzukehren, da Soldaten die Landebahn blockierten. Seither tragen die Anhänger des gestürzten Staatschefs ihren Protest immer wieder in die Öffentlichkeit, errichten Straßensperren, bereiten die Besetzung öffentlicher Gebäude vor und organisieren Streiks. Die Putschisten wollen Zelaya im Falle einer Rückkehr festnehmen und ihn unter anderem wegen Hochverrats vor Gericht zu stellen. Daher sind für diesen Fall gewaltsame Auseinandersetzungen zu befürchten.

Unterdessen sind die Putschisten bemüht, die Verhandlungen in die Länge zu ziehen, da die Präsidentschaftswahlen im November durchaus dazu führen könnten, daß ein Schlußstrich unter den Staatsstreich gezogen wird und eine auf diesem Wege erzwungene Beilegung des Konflikts einen unbelasteten Neuanfang suggeriert. Auch zeichnet sich ab, daß die vorgehaltene Front der OAS auf Dauer brüchig wird und sich der Einfluß der US-Administration durchsetzt, die eine umfassende Restauration der ihr genehmen Herrschaftsverhältnisse in Honduras anstrebt.

Anmerkungen:

[1] http://www.zeit.de/online/2009/30/honduras-zelaya-stur

[2] junge Welt 20.07.2009

[3] http://www.dw-world.de/dw/function/0,,12356_cid_4501339,00.html

20. Juli 2009