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LATEINAMERIKA/2247: Washington führt den Putsch an langer Leine (SB)


Verzögertes Bremsmanöver soll das Schicksal Zelayas besiegeln


Einen Monat lang hat die US-Regierung alle ernstzunehmenden Sanktionen gegen die Putschisten in Honduras verschleppt. Auch jetzt fährt die Obama-Administration noch kein wirklich schweres Kaliber auf, sondern bedient sich einer demonstrativen diplomatischen Geste, um ihr Gesicht zu wahren, ohne ihre strategischen Interessen in dem mittelamerikanischen Land preiszugeben. Präsident Zelayas Initiative einer Gesellschaftsreform und außenpolitischen Kurskorrektur zu neutralisieren, ohne sich dem Vorwurf interventionistischer Übergriffe auszusetzen, ist das absehbare Ziel Washingtons im Sinne des neu definierten Umgangs mit den Staaten Lateinamerikas.

Die US-Regierung hat nun mit der Begründung, sie betrachte den gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya als rechtmäßigen Staatschef von Honduras, vier Vertretern des Putschregimes in Tegucigalpa ihr Visum entzogen. Der Sprecher des Außenministeriums, Ian Kelly, teilte ohne Angaben zur Identität der Betroffenen darüber hinaus mit, daß man derzeit die Diplomatenvisa sämtlicher Mitarbeiter der de-facto-Regierung einschließlich ihrer Angehörigen überprüfe. Nach Angaben der sogenannten Übergangsregierung in Tegucigalpa haben Verteidigungsminister Adolfo Lionel Sevilla, Parlamentspräsident José Alfredo Saavedra, der Menschenrechtsbeauftragte Ramón Abad Custodio sowie der Oberste Richter Tomás Arita ihre Einreiseerlaubnis in die USA verloren. [1]

Die Organisation Amerikanischer Staaten hat Honduras in Reaktion auf den Staatsstreich vorerst ausgeschlossen, die Vereinten Nationen haben den Putsch verurteilt und die Rückkehr Zelayas verlangt, die Europäische Union hat ihre Botschafter abgezogen und die Entwicklungshilfe auf Eis gelegt. Spaniens Außenminister Miguel Angel Moratinos kündigte während eines Besuchs in Venezuela an, er werde die EU auffordern, ihrerseits Visa von Funktionsträgern des Regimes zu annullieren. Die USA haben demgegenüber als wichtigster Handelspartner des Landes wie auch aufgrund ihrer engen militärischen Zusammenarbeit die weitaus größten Druckmittel, auf die Putschisten einzuwirken, machen von ihren diesbezüglichen Möglichkeiten jedoch nur äußerst sparsamen Gebrauch. So wurde der Umsturz zwar verurteilt und die Militärhilfe auf Eis gelegt, doch zog Washington nicht einmal seinen Botschafter ab und drohte die Einstellung weiterer Hilfen lediglich an, ohne dies mit konkret abrufbaren Schritten oder Fristen zu verknüpfen. Auch der nun erfolgte Entzug der vier diplomatischen Visa bleibt weit hinter den verfügbaren Optionen, Druck auf die Putschisten auszuüben, zurück.

Der sogenannte Interimspräsident Roberto Micheletti folgt dem Drehbuch der Inszenierung, das offensichtlich einen schrittweisen Rückzug der Putschisten vorsieht, der Zelaya dennoch seiner Wirkungsmöglichkeiten beraubt. Wie der illegitime Regierungschef mitgeteilt hat, sei er bereit, mit dem internationalen Vermittler und Präsidenten von Costa Rica, Oscar Arias, Gespräche über die Rückkehr seines abgesetzten Vorgängers Manuel Zelaya zu führen. Da jedoch einige Politiker des Landes wie auch einflußreiche Kräfte in der Wirtschaft die Rückkehr Zelayas in sein früheres Amt ablehnten, solle Arias einen Sonderbotschafter entsenden, der mit diesen Politikern Gespräche führt. Offenbar denkt man dabei an den früheren Präsidenten der Interamerikanischen Entwicklungsbank, Enrique Iglesias, der darauf hinwirken soll, das Abkommen von San José schmackhaft zu machen. [2]

Micheletti nimmt damit den Ball auf, den ihm die US-Regierung zugespielt hat, und signalisiert, daß mit ihm durchaus zu reden sei, was jedoch nicht für den gesamten Kongreß und andere wesentliche gesellschaftliche Kräfte gelte. Nachdem die Putschisten den von Arias vorgelegten Plan, der ihnen wenig, Zelaya aber fast alles abverlangt, rundweg abgelehnt haben, bestehen sie nun auf weiteren Verhandlungen mit einzelnen halsstarrigen Kumpanen, wodurch Bewegung eher vorgetäuscht als herbeigeführt wird und weitere Tage und Wochen verstreichen.

Das San-José-Abkommen sieht die Wiedereinsetzung Zelayas bis zum Ende seiner Amtszeit im kommenden Januar vor, doch schränkt es seine Machtbefugnisse deutlich ein. Da er einer Allparteienregierung vorstehen soll, die mehrheitlich gegen ihn wäre, sind ihm unter diesen Voraussetzungen die Hände weitgehend gebunden. Auch müßte er auf ein Referendum über die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung verzichten und einer Generalamnestie zustimmen. Diese Konstellation kommt einem Erfolg des Staatsstreichs gleich und ist weit unter den Positionen der Widerstandsbewegung angesiedelt.

Allem Anschein nach waren Teile des militärischen Apparats schon vor Tagen bereit, diesem Scheinkompromiß zu Lasten Zelayas zuzustimmen. Ob es sich bei dieser Initiative um ein abgekartetes Spiel mit verteilten Rollen zur Vortäuschung differenzierter Positionen im Lager der Putschisten handelt oder sich tatsächlich Brüche in der Kumpanei abzeichnen, ist ungewiß. Ausschließen läßt sich nach aktuellem Kenntnisstand nicht, daß den Militärs das Einfrieren ihrer Gelder nicht geschmeckt hat oder eine jüngere Fraktion innerhalb der Streitkräfte ein moderneres Konzept ihres Machterhalts favorisiert als das Putschschema der Diktaturzeit und deshalb mit Abgeordneten des Kongresses in Washington über ein baldiges Ende des Konflikts in Honduras beraten hat.

Unterdessen haben die Anhänger Zelayas in Tegucigalpa eine Großdemonstration abgehalten, mit der die Verkehrsverbindung zum Hafen Puerto Cortés blockiert wurde. Es kam zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, in deren Verlauf mehrere Menschen verletzt und fast hundert festgenommen wurden. Michelettis Regierung verlängerte erneut die Ausgangssperre, die im Grenzgebiet zu Nicaragua rund um die Uhr, in den anderen Landesteilen während der Nachtstunden gilt. Die Armee hindert die Widerstandsbewegung nach wie vor daran, zum Präsidenten vorzudringen, der sein Lager auf der nicaraguanischen Seite aufgeschlagen und angekündigt hat, er wolle "friedliche Milizen" aufbauen. Anhänger Zelayas versuchen zu Tausenden, Polizei und Militär auf Schleichwegen zu umgehen und den Aufenthaltsort des Präsidenten zu erreichen. [3]

Dies ist kein Staatsstreich, der ein Militärregime oder eine ganz bestimmte Riege von Machthabern in Stellung bringen und verankern soll, sondern vielmehr ein Gewaltakt zur Aushebelung Zelayas und des von ihm in Angriff genommenen Veränderungsprozesses. Daher ist das Regime einschließlich Michelettis durchaus bereit, den Platz zu räumen und Wahlen abzuhalten, wenn damit nur die alten Herrschaftsverhältnisse wiederhergestellt werden und eine politische Führung reinstalliert ist, die einen Kurs im Sinn der honduranischen Eliten garantiert. Die Putschisten spielen in der Hoffnung auf Zeit, die verbliebenen Handlungsspielräume Zelayas zu verringern und die Widerstandsbewegung von ihm zu trennen und verebben zu lassen. Unterstützt werden sie bei der Umsetzung dieser Strategie von der US-Regierung, die ihnen nur lose Zügel anlegt und damit ein langgezogenes Bremsmanöver inszeniert, das wie ein Sieg über die Putschisten aussehen, in Wirklichkeit aber das Scheiterns Zelayas und der Widerstandsbewegung besiegeln soll.

Anmerkungen:

[1] Honduras. USA entziehen Vertretern von Putschregierung Visa (29.07.09)
http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/honduras-usa-entziehen-vertretern-von- putschregierung-visa_aid_421795.html

[2] Micheletti offen für Gespräche (31.07.09)

http://german.cri.cn/1565/2009/07/31/1s119298.html

[3] Machtkampf in Honduras. Druck auf Putschisten zeigt Wirkung (31.07.09)
http://www.taz.de/1/politik/amerika/artikel/1/druck-auf-putschisten-zeigt-wirkung.html

31. Juli 2009