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LATEINAMERIKA/2282: Kumpanei der Putschisten zeigt erste Risse (SB)


Honduranischer Kongreß verweigert Ausnahmezustand die Zustimmung


Die Reaktion der US-Administration auf die Verhängung des Ausnahmezustands in Honduras sprach Bände. Zunächst verurteilte das Außenministerium die Handlungsweise der sogenannten Übergangsregierung mit den Worten, es sei an der Zeit für das De-facto-Regime, die Schaufel wegzulegen und das Loch nicht immer tiefer zu graben. Im Hauptquartier der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Washington, wo sich die Diplomaten zu einer Sondersitzung trafen, behielt sich der US-Vertreter indessen die heftigste Kritik für Präsident Zelaya vor. W. Lewis Amselem bezeichnete den honduranischen Staatschef als "unverantwortlich und dumm", weil dieser vor der Aushandlung eines Abkommens in sein Land zurückgekehrt sei. Der Präsident solle aufhören, sich so zu benehmen, als spiele er die Hauptrolle in einem alten Film. [1]

Damit hat die US-Regierung erneut unter Beweis gestellt, daß ihre Unterstützung der Rückkehr Zelayas ins Amt nichts weiter als ein taktisches Lippenbekenntnis ist, das die Strategie seiner Entmachtung und der Zurückdrängung seines Einflusses auf die honduranische Gesellschaft verschleiern soll. Obgleich die Putschisten in Tegucigalpa nie den offiziellen Segen Washingtons erhielten, wußten sie doch die Signale milder Sanktionen als Zustimmung zu deuten.

Während die US-Regierung nichts unternahm, um den Ausnahmezustand in Honduras zu verhindern, und dem zurückgekehrten Zelaya die Schuld in die Schuhe schob, sorgte das honduranische Parlament dafür, daß dem Treiben der Putschregierung Einhalt geboten wurde. Hochrangige Repräsentanten des Kongresses suchten den Präsidentenpalast auf, um Roberto Micheletti mitzuteilen, daß man seinem Dekret nicht zustimmen werde, wie es von Gesetzes wegen erforderlich ist. Parlamentspräsident José Alfredo Saavedra führte zur Begründung an, man müsse den Druck senken, um die Lage zu beruhigen und in einen Dialog einzutreten. Diese Weigerung der Abgeordneten, die Eskalation mitzutragen, ist der erste deutliche Riß in den Reihen der Koalition, die Präsident Zelaya vor drei Monaten gestürzt und vertrieben hatte. Der Regierungschef der Putschisten, Micheletti, sah sich gezwungen, in einer vom Fernsehen übertragenen Pressekonferenz das honduranische Volk um Verzeihung zu bitten und zu versichern, er werde den Obersten Gerichtshof anweisen, das Dekret so schnell wie möglich aufzuheben. Auch lud die Putschregierung eine Delegation der Organisation Amerikanischer Staaten wieder ein, der sie erst am Vortag die Einreise verweigert hatte. Nun erklärte das Außenministerium, die Teilnehmer könnten am Freitag Honduras besuchen.

Während die Regierung weiterhin einen konfrontativen Kurs fahren wollte, sind die führenden Parteien im Kongreß offenbar zu der Auffassung gelangt, daß nun eine politische Lösung der Krise gefunden werden muß. Zahlreiche Länder hatten angekündigt, sie würden unter den gegenwärtigen Bedingungen die Präsidentschaftswahl am 29. November nicht anerkennen. Da der verhängte Ausnahmezustand erst zwei Wochen vor dem Termin des Urnengangs geendet hätte, wäre das Wahlergebnis im Ausland um so wahrscheinlicher für illegitim erklärt worden. Hinzu kommen eingefrorene Hilfsgelder, die auf Dauer zu spürbaren Ausfällen im Staatshaushalt führen und langfristig nicht kompensiert werden können.

Allerdings hatte die Verhängung des Ausnahmezustands und die daraus resultierende Repression ihr unmittelbares Ziel bereits erreicht, nämlich die landesweite Mobilisierung am Montag gewaltsam zu verhindern, zu der Zelaya anläßlich des Putsches vor genau drei Monaten aus der brasilianischen Botschaft aufgerufen hatte. Nach Aufhebung der Bürgerrechte konnten Versammlungen aufgelöst, Menschen willkürlich verhaftet und Medien an ihrer Tätigkeit gehindert werden, wovon die Sicherheitskräfte ausgiebig Gebrauch machten. Am frühen Montagmorgen stürmten Soldaten die Studios des Fernsehsenders Canal 36 und von Radio Globo, die als einzige große Stationen seit dem Staatsstreich das Putschistenregime kritisiert und die Nachrichten der Widerstandsbewegung verbreitet hatten. [2] Später am Tag verhinderte ein massives Polizeiaufgebot eine geplante Demonstration der Anhänger Zelayas und kesselte die Teilnehmer einer Kundgebung ein, so daß der Auftakt zu einer finalen Kampagne gegen die Putschisten unterbunden wurde.

Präsident Zelaya rief die Vereinten Nationen um Hilfe an. In einem aus der brasilianischen Botschaft geführten Telefonat forderte er die UN-Vollversammlung auf, dem Rechtsstaat in Honduras wieder Geltung zu verschaffen und sich für seine persönliche Sicherheit einzusetzen. Sollte noch jemand Zweifel daran gehabt haben, daß es sich bei der Putschregierung in Honduras um eine Diktatur handele, müßten "die vergangenen 93 Tage der Unterdrückung" diese Zweifel ausgeräumt haben.

Anmerkungen:

[1] Honduras Shuts Down Media Outlets, Then Relents (29.09.09)
New York Times

[2] TV- und Radiosender gestürmt (29.09.09)

junge Welt

[3] Regierung in Honduras erwägt Aufhebung von Ausnahmezustand (29.09.09)
http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5hH2JN1gb0vCQn2Mcqz7ScttyiVXQ

29. September 2009