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LATEINAMERIKA/2302: USA bei Kuba-Embargo fast vollständig isoliert (SB)


Ein halbes Jahrhundert Blockade hat Kuba nicht in die Knie gezwungen


Seit 49 Jahren drangsalieren die Vereinigten Staaten das kleine Nachbarland Kuba mit Handelssanktionen, die ihren Zweck verfehlt haben, das kubanische Gesellschaftssystem in die Knie zu zwingen. Die Blockade richtete jedoch immensen wirtschaftlichen Schaden an und beeinträchtigte die Entwicklung des Landes in hohem Maße. Das Embargo stellt somit eine permanente Repression dar, die als Status quo niemals Grundlage von Verhandlungen sein kann, die diesen Namen verdienen. Die Forderung nahezu aller Länder weltweit, die Blockade vollständig aufzuheben, entspricht der Auffassung, daß im ersten Schritt eine Normalisierung in den Beziehungen der beiden Länder herbeizuführen sei, wie sie dem Völkerrecht entspricht.

Wenn die US-Regierung das Embargo nur geringfügig lockert und dafür Gegenleistungen der Kubaner verlangt, gleicht dies der Forderung einer Belagerungsarmee, sie werde ihre permanente Kanonade um einige Geschütze verringern, worauf die gegnerische Seite Entgegenkommen zeigen und ihre Verteidigungsmaßnahmen abbauen müsse, während weiterhin Granate auf Granate einschlägt. Dies bringt die Denkweise ins Bild, auf die man westlicherseits die Interpretation der Verhältnisse eingeschworen hat.

Die UNO-Vollversammlung in New York hat vor wenigen Tagen zum achtzehnten Mal in Folge die sofortige Aufhebung des Handels- und Wirtschaftsembargos gegen Kuba gefordert. Das Ritual gilt längst als Paradebeispiel für die Bedeutungslosigkeit der sogenannten internationalen Staatengemeinschaft, für deren Beschlüsse sich die Vereinigten Staaten allenfalls dann interessieren, wenn sie in ihrem Sinn ausfallen. Relevant bleibt einzig und allein der Sicherheitsrat mit dem Vetorecht der ständigen Mitglieder, und selbst dieses zentrale Gremium zur Steuerung der Weltpolitik ignoriert die US-Regierung im Zweifelsfall.

Bemerkenswert an der Abstimmung der UNO-Vollversammlung über die von Kuba eingebrachte Resolution ist immerhin das Rekordergebnis, da sich diesmal 187 der 192 Mitgliedsstaaten und damit zwei mehr als im vergangenen Jahr für das Ende des Embargos ausgesprochen haben. El Salvador stimmte nach der Regierungsübernahme der früheren Befreiungsbewegung FMLN erstmals für die Resolution, und selbst der Irak votierte gegen die Besatzungsmacht USA. Diesen blieb nur noch der ewige Kumpan Israel sowie die kaum mehr als 20.000 Einwohner zählende Pazifikrepublik Palau, während sich die Marshall-Inseln und Mikronesien enthielten. [1]

Die Kubaner können sich zumindest darüber freuen, daß sich die Zustimmung zu ihrer Resolution im Lauf der Jahre deutlich konsolidiert hat. So hatten 1992 nur 59 Staaten dafür gestimmt, während drei dagegen votierten, sich 71 enthielten und 46 nicht an der Abstimmung teilnahmen. Man war zwar gegen die Blockade, aber nicht für Havanna und wollte vor allen Dingen den USA nicht auf die Füße treten. Seither ist die Zahl der Blockadegegner jedoch derart gewachsen, daß die US-Delegierten seit dem Jahr 2000 auf Lobbyarbeit verzichten, da sie sinnlos geworden war. [2]

Alle Mitgliedsländer der Europäischen Union haben ein Ende der Blockade gefordert, was man nicht mit plötzlicher Sympathie für den kubanischen Gesellschaftsentwurf verwechseln darf. Es geht vielmehr um eine günstigere Positionierung im Welthandel, da die Interessen europäischer Unternehmen durch die US-Embargo-Bestimmungen beeinträchtigt werden. Ungeachtet der Bündnispolitik möchte man ohne Einschränkungen Handel treiben, was Washington mit seinen Strafmaßnahmen sanktioniert. Daher sprechen die führenden Mächte Europas mit gespaltener Zunge, wenn es um Kuba geht, dessen Systemwechsel sie nach wie vor befürworten.

Der venezolanische Präsident Hugo Chávez rief seinen Amtskollegen Barack Obama dazu auf, die Verleihung des Friedensnobelpreises ernst zu nehmen und die Vereinten Nationen zu respektieren. Nun könne sich Obama den Preis verdienen und die Gelegenheit nutzen, in die Geschichte einzugehen. Kubas Außenminister Bruno Rodríguez Parilla räumte zwar ein, daß Präsident Obama einige Schritte zur Entspannung der strapazierten Beziehungen eingeleitet hat, doch wies er zugleich darauf hin, daß die wesentlichen Elemente des Embargos nach wie vor Bestand haben. Die Wirtschaftsblockade habe die patriotische Entschlossenheit des kubanischen Volkes nicht gebrochen und werde dieses Ziel auch künftig nicht erreichen, hob Rodríguez hervor. Sie führe jedoch zu Engpässen und sei damit zweifellos das entscheidende Hindernis bei der wirtschaftlichen Entwicklung seines Landes. [3]

Die US-Administration machte keinen Hehl daraus, daß sie die Forderung der UNO-Vollversammlung erneut ignorieren wird. Ihre Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Susan E. Rice, lehnte die Resolution mit der Begründung ab, diese unterschlage die Unterdrückung durch die eigene Regierung, welche die wahre Ursache des Leidens der Kubaner sei. Die Restriktionen international anerkannter sozialer, politischer und wirtschaftlicher Freiheit seien die entscheidende Quelle des Vorenthalts und das Haupthindernis der Entwicklung Kubas. Rice bezeichnete es als bedauerlich, daß Havanna nach den "wichtigen Schritten" der US-Regierung kein entsprechendes Entgegenkommen zeige.

Obama machte Exilkubanern unbeschränkte Reisen und Geldüberweisungen möglich, gestattete Gespräche über die Wiederaufnahme des direkten Postverkehrs, ließ Emigrationsverhandlungen wieder aufnehmen und genehmigte die Installation von 177 Kilometer Spezialunterwasserkabel zwischen Florida und Kuba. Was die Obama-Administration jedoch als bedeutende Erleichterung der Blockade verkaufen möchte, fällt deutlich hinter den Stand zurück, den einige Amtsvorgänger aus dem Lager der Demokraten herbeigeführt hatten. James Carter hob seinerzeit die Reisebeschränkungen vollständig auf und William Clinton ließ immerhin noch einen weitgehenden akademischen und kulturellen Austausch zu. Sich nun an George W. Bush zu messen, der das Embargo deutlich verschärft hatte, ist Roßtäuscherei der Obama-Regierung, die den Ländern Lateinamerikas im allgemeinen und Kuba im besonderen bislang vollmundige Versprechen, doch keine nennenswerten Taten geboten hat. Es handelt sich mithin um die Fortsetzung derselben Hegemonialpolitik, wobei die harschen Worte Bushs, die viel Porzellan in dieser Weltregion zerschlagen haben, durch die verführerische Einflüsterung Obamas ersetzt worden sind.

Juristische Grundlage der Blockade liefert das aus dem Weltkriegsjahr 1917 herrührende "Gesetz über den Handel mit dem Feind", das in den sechziger Jahren aktualisiert und später ausdrücklich allein auf Nordkorea und Kuba beschränkt wurde, bis George W. Bush Nordkorea von der Schwarzen Liste strich. Im Juli 1960 beschnitt Präsident Eisenhower die Zuckerquote, um Kuba für die Enteignung US-amerikanischer Unternehmen zu bestrafen. Daraufhin warf die Sowjetunion offiziell ihren Hut in den Ring und kaufte Havanna den Zucker fortan zum Vorzugspreis ab. Nun verhängte Eisenhower ein Teilembargo gegen Kuba, das Kennedy im Februar 1962 vervollständigte, da Kuba unterdessen sämtliche US-Firmen enteignet hatte.

Parallel zu der Handels- und Wirtschaftsblockade rollte eine Welle von Angriffen und Anschlägen gegen Kuba, da Eisenhower bereits Anfang 1959 militante Exilkubaner zu einem derartigen Vorgehen ermächtigt hatte. Im folgenden Jahr beauftragte er die CIA mit dem Sturz der kubanischen Regierung, widerrief jedoch diese Anordnung wenig später und ließ statt dessen 1.500 Exilkubaner, die von der CIA ausgebildet worden waren, auf die Insel los. Präsident Kennedy gab nach nur drei Monaten im Amt im April grünes Licht für die Operation, die mit dem Desaster in der Schweinebucht endete. Es folgten Tausende Anschläge in Kuba und Hunderte Attentatsversuche gegen Fidel Castro, da die US-Regierungen die Kubaner fortan als Erzfeinde betrachteten, an denen sie sich auch über rationale geopolitische Erwägungen hinaus rächen wollten. Niemand bietet ungestraft den Vereinigten Staaten die Stirn, lautet die unausgesprochene, aber fundamentalste Doktrin der Supermacht. [4]

Im August 1961 signalisierte Fidel Castro Gesprächsbereitschaft, worauf Che Guevara mit Kennedys Lateinamerikaberater Richard Goodwin zusammentraf. Die kubanische Regierung sondierte, ob der US-Präsident seine Angriffe einstellen würde, sofern Havanna die militärische Zusammenarbeit mit Moskau beendete, den Export der Revolution einstellte und enteignete US-Unternehmen entschädigte. Diese weitreichende Kompromißbereitschaft wurde jedoch von Kennedy barsch zurückgewiesen, worauf es wenig später zur Stationierung sowjetischer Atomraketen kam. Im Oktober 1962 eskalierte der Konflikt zur Kubakrise, in der nur mit Mühe der drohende Atomkrieg abgewendet werden konnte.

In der Folge setzte Kennedy um so stärker auf wirtschaftliche und politische Sanktionen. Im Februar 1963 untersagte er den Reiseverkehr und im Juli ließ er kubanische Werte in den USA einfrieren. Zudem erwirkte Washington den Ausschluß Kubas aus der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), obwohl deren Charta keine angemessenen Gründe für diesen Schritt bot. Der Präsident setzte die Monroe-Doktrin brutal durch, die ganz Lateinamerika zum Einflußbereich der USA erklärt. Nachfolger im Weißen Haus wie Ford und Carter milderten das Embargo graduell, andere wie insbesondere Reagan verschärften es. Dieser privatisierte die Kubapolitik insofern, als er die Cuban American National Foundation in Miami stärkte, die fortan führend im Kampf gegen Castro und die Regierung in Havanna war. In den neunziger Jahren folgten schließlich weitere Verschärfungen der Blockade wie insbesondere das Helms-Burton-Gesetz, welches das Embargo internationalisiert und weltweit Unternehmen, die Geschäfte mit Kuba machen, mit Sanktionen bedroht.

Wie viele Kubaner starben, weil dringend benötigte Medikamente oder medizinische Geräte nicht beschafft werden konnten, wie viele Menschen sich einschränken mußten, weil die Blockade ihre Versorgung beeinträchtigte, wieviel Not die Sanktionen der USA im Laufe eines halben Jahrhunderts verursachten, kann allenfalls geschätzt werden. Man geht davon aus, das sich der wirtschaftliche Schaden inzwischen auf nahezu hundert Milliarden Dollar summiert haben dürfte.

Anmerkungen:

[1] Fast alle für Kuba (30.10.09)

junge Welt

[2] UNO-Vollversammlung watscht die USA ab. Neuer Rekord bei der Verurteilung der Kuba-Blockade (30.10.09)
Sozialistische Tageszeitung

[3] U.S. Embargo on Cuba Again Finds Scant Support at U.N. (28.10.09)
New York Times

[4] Nothing Succeeds Like Failure. The Cuban Embargo (30.10.- 01.11.09)
Counterpunch

2. November 2009