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LATEINAMERIKA/2312: Zelaya beklagt Verrat der US-Regierung (SB)


Gestürzter Staatschef lehnt Kuhhandel mit den Putschisten ab


Der gestürzte honduranische Staatschef Manuel Zelaya hat zwei Wochen vor der Präsidentenwahl auf die Wiedereinsetzung in sein Amt verzichtet. Wie er zugleich ankündigte, werde er den Urnengang am 29. November nicht anerkennen und dessen Ergebnis anfechten. Offenbar hat er jede Hoffnung aufgegeben, in sein Amt zurückzukehren, da das Ende Oktober mit dem Regime um Roberto Micheletti geschlossene Abkommen zur Lösung der Krise von den Umstürzlern boykottiert wird. [1]

In einem Brief an US-Präsident Barack Obama erklärte Zelaya, er akzeptiere kein Abkommen über eine Rückkehr ins Präsidentenamt, das den Staatsstreich vertuschen würde. Zugleich warf er den Vereinigten Staaten vor, "ihn im Regen stehengelassen zu haben". Washington habe seinen Kurs geändert und verurteile den Staatsstreich nicht mehr um jeden Preis. Der US-Regierung sei inzwischen egal, zu welchen Konditionen die Wahl am 29. November stattfindet, schrieb Zelaya. Im Namen Tausender Honduraner werde er die Wahlen nicht anerkennen. Sie seien illegal, da der Wahlprozeß nicht allen Menschen die gleichen Rechte und Freiheiten gewähre und somit ein antidemokratisches Wahlmanöver sei. Die USA hatten zuvor erklärt, sie würden die kommenden Wahlen in Honduras anerkennen, selbst wenn Zelaya bis dahin nicht ins Präsidentenamt zurückgekehrt sei. [2]

Ende Oktober war unter Vermittlung des Staatssekretärs im US-Außenministerium, Thomas Shannon, ein Abkommen zwischen Zelaya und Micheletti geschlossen worden, das eine Rückkehr Zelayas für die verbliebenen Wochen seiner Amtszeit vorsah. Die Wiedereinsetzung hätte der Vereinbarung zufolge jedoch vom Parlament abgesegnet werden müssen. Ein Termin für die erforderliche Kongreßsitzung wurde bislang jedoch nicht festgelegt. Zelaya warf seinen Widersachern deshalb zu Recht vor, sie wollten bis zu den Wahlen auf Zeit zu spielen. [3]

Unterdessen laufen in Honduras die Vorbereitungen für die Wahl auf Hochtouren. Die Putschregierung Roberto Michelettis kündigte an, sie werde alles tun, damit der Urnengang ungehindert vonstatten gehe. Sie ließ 5.000 Reservisten in die Streitkräfte einziehen, die gemeinsam mit den 12.000 aktiven Soldaten am Wahltag die Sicherheit im Land gewährleisten sollen. Der neue Präsident wird Ende Januar sein Amt antreten. Für die Abstimmung in zwei Wochen gilt Porfirio Lobo als haushoher Favorit, der Zelaya vor vier Jahren knapp unterlegen war. Der reiche Viehzüchter geht für die konservative Nationale Partei ins Rennen.

Manuel Zelaya war am 28. Juni im Morgengrauen von Soldaten verschleppt und nach Costa Rica ins Exil gebracht worden. Seither hatte der gestürzte Präsident auf einer Rückkehr nach Honduras und der Wiedereinsetzung in sein Amt als Voraussetzung für die Wiederherstellung der demokratischen Ordnung beharrt. Nur so könnten die Novemberwahlen legitimiert werden. Nachdem seine Einreise auf dem Luftweg und zweimal zu Lande von den honduranischen Sicherheitskräften verhindert worden war, gelangte er schließlich am 21. September heimlich nach Tegucigalpa, wo ihm seither die brasilianische Botschaft Schutz gewährt.

Honduras, das in Mittelamerika zwischen Guatemala und Nicaragua liegt, erlangte 1821 die Unabhängigkeit von der spanischen Kolonialmacht. Es gehört zu den ärmsten Ländern des Kontinents, wobei nur in Haiti die Not noch größer ist. Bis zu 80 Prozent der 7,6 Millionen Einwohner leben in bitterer Armut. Angewiesen auf Kredite und ausländische Hilfsgelder bedarf die Regierung in der Millionenstadt Tegucigalpa so dringend internationaler Anerkennung, daß Sanktionen gegen das Regime binnen kurzer Frist greifen müßten, würden die USA als weitaus einflußreichste Macht die Putschisten nicht gewähren lassen.

Barack Obama hatte einen Tag nach dem Umsturz in Honduras erklärt, daß der Coup illegal sei und Zelaya der demokratisch gewählte Präsident des Landes bleibe. Nachdem die US-Regierung diese Position in ihren offiziellen Verlautbarungen vier Monate lang aufrechterhalten, jedoch von weitreichenden Sanktionen gegen das Regime Abstand genommen hatte, erklärt das Außenministerium in Washington mittlerweile, man werde das Ergebnis der Wahlen am 29. November auch ohne vorherige Rückkehr Zelayas ins Präsidentenamt akzeptieren. Wie Außenamtssprecher Ian Kelly vor wenigen Tagen mitgeteilt hat, unterstütze man die Vorbereitung und Durchführung der Wahlen in Honduras, die wichtig für die Wiederherstellung der Demokratie und verfassungsmäßigen Ordnung im Land seien.

Mehr als 240 US-amerikanische Professoren und andere Lateinamerikaexperten hatten Präsident Obama vor wenigen Tagen in einem Brief auf die zahllosen und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen durch das Putschregime in Honduras hingewiesen. Auf der Pressekonferenz blockte Kelly diesbezügliche Fragen der Journalisten mit der absurden Behauptung ab, ihm seien derartige Berichte nicht bekannt. Man benötige zunächst nähere Einzelheiten, bevor man dieses Thema kommentieren könne. [4]

Wenn das US-Außenministerium allen Ernstes behauptet, ihm sei nicht bekannt, was in Honduras vor sich geht, obwohl darüber seit Monaten in zahlreichen internationalen Medien berichtet wird und die Regierung in Washington selbstverständlich auf ihre eigenen Quellen vor Ort zurückgreifen kann, unterstreicht dies die Entschlossenheit der Administration, ihre Lösung des Konflikts zu Lasten Zelayas und des von ihm eingeleiteten Reformprozesses durchzusetzen.

Diese Haltung der Regierung wird nicht von allen Abgeordneten der Demokraten geteilt. So hat Jan Schakowsky aus Illinois nach ihrer Rückkehr von einem dreitägigen Besuch in Tegucigalpa die Wiedereinsetzung Zelayas gefordert, mit dem sie in der brasilianischen Botschaft zusammengetroffen war. Ihrem Bericht zufolge wurde sie Zeugin weit verbreiteter Menschenrechtsverletzungen seitens des Regimes, darunter die gewaltsame Auflösung friedlicher Demonstrationen und Repressionen gegen honduranische Journalisten. Sie selbst sei beim Verlassen des Botschaftsgebäudes von einem maskierten Soldaten gefilmt worden.

Vordergründig stellt sich die vermeintliche Kehrtwendung der US-Regierung als innenpolitische Kapitulation vor der reaktionären Lateinamerikapolitik einer Fraktion im Lager der Republikaner dar. Als deren Wortführer hat sich Senator Jim DeMint aus South Carolina profiliert, der offenbar die Rolle des verstorbenen Kommunistenfressers Jesse Helms übernimmt. Dieser hatte seine einflußreiche Position im Senatsausschuß für auswärtige Angelegenheiten dazu genutzt, ihm genehme Regierungen und Gruppierungen in lateinamerikanischen Staaten zu unterstützen, ja mitunter sogar persönlich aufzusuchen, selbst wenn dies in Widerspruch zur offiziellen Politik der US-Regierung stand.

Wie seinerzeit Helms bedient sich auch DeMint des Druckmittels, kraft seines Einflusses in diesem Ausschuß Nominierungen der Regierung zu blockieren. So zog er seine Einwände gegen Arturo Valenzuela als Nachfolger Thomas Shannons im Außenamt erst zurück, als die Regierung auf seine Haltung im Honduraskonflikt eingeschwenkt war. Obama ist damit in Personalfragen jedoch keineswegs aus dem Schneider, da andere republikanische Senatoren nun die geplante Ernennung Shannons zum Botschafter in Brasilien ausbremsen, weil sie die Kubapolitik des Präsidenten für zu nachgiebig halten.

DeMint erklärte die Entmachtung Zelayas für rechtmäßig, da diese zunächst vom Obersten Gerichtshof und später auch vom honduranischen Parlament gebilligt worden war. Während die US-Regierung das Vorgehen der Putschisten offiziell mißbilligte, sprach sich der Senator für das Regime um Roberto Micheletti aus und reiste schließlich sogar Anfang Oktober mit einer kleinen Delegation nach Tegucigalpa, um den sogenannten Interimspräsidenten demonstrativ seiner Rückendeckung zu versichern.

Nachdem Thomas Shannon das Abkommen zwischen Zelaya und Micheletti vermittelt hatte, dessen Formulierung sich als Falle für den entmachteten Präsidenten erwies, erklärte Jim DeMint am 5. November triumphierend, Außenministerin Hillary Clinton habe ihm ihr Wort gegeben, daß die Vereinigten Staaten nicht länger auf der Rückkehr Zelayas ins Amt bestünden und die Novemberwahlen in jedem Fall anerkennen wollten. Er sei sehr dankbar, daß Präsident Obama und Secretary Clinton zuguterletzt Partei für das Volk von Honduras ergriffen hätten und dazu beitragen wollten, daß dieses seine Zukunft frei wählen könne, sagte der Senator der Zeitung "McClatchy".

Zelaya, der seit seiner Entmachtung eine Kröte nach der andern geschluckt hat, um sich mit seiner weitreichenden Kompromißbereitschaft internationalen Rückhalt zu verschaffen, sieht sich von der US-Regierung bitter enttäuscht: "Sie haben uns mitten im Fluß im Stich gelassen und erklären nun, ihre Priorität sei die Wahl und nicht die Wiederherstellung der Demokratie", zog er in einem costaricanischen Radiosender ernüchtert Bilanz. Wie Manuel Zelaya wird es noch vielen Menschen in aller Welt gehen, die in Barack Obama das freundliche Gesicht der Amerikaner zu sehen glaubten und sich allzu bereitwillig unter die Fittiche des Weißkopfadlers begaben, der sie nun um so leichter verschlingt.

Anmerkungen:

[1] Honduras. Zelaya verzichtet auf Präsidentenamt (15.11.09)
http://www.handelsblatt.com/politik/international/honduras-zelaya- verzichtet-auf-praesidentenamt;2484370

[2] Brief an Barack Obama. Zelaya verzichtet auf sein Amt (15.11.09)
http://www.n-tv.de/politik/Zelaya-verzichtet-auf-sein-Amt- article590742.html

[3] Zelaya lehnt Handel mit Putschisten ab (15.11.09)
http://www.dw-world.de/dw/article/0,,4895527,00.html

[4] Honduras shows Latin America's 'strongman' is Jim DeMint (14.11.09) McClatchy Newspapers

16. November 2009