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LATEINAMERIKA/2416: Kolumbien mauert - Krisentreffen der UNASUR erfolglos (SB)


Vermittlungsversuch an Betonköpfen der Uribe-Fraktion gescheitert


Unter der Doktrin, "Drogen und Terrorismus" zu bekämpfen, verfolgt die US-Administration eine interventionistische Strategie in Südamerika, bei der Kolumbien eine Schlüsselrolle spielt. Uribe versucht vor seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt, Venezuela zu provozieren, um eine neue Krise in den Beziehungen der Nachbarländer vom Zaum zu brechen. Entsprechend der Blaupause aggressiver Kampagnen der USA und ihrer Verbündeten in anderen Weltregionen werden angebliche Beweise in der Absicht fabriziert, Vorwände für ökonomische Sanktionen und Angriffskriege zu schaffen, die in Folge der über Jahre eingehämmerten Bezichtigung den Charakter der Legitimität und Legalität annehmen sollen.

Den Außenministern des Staatenbundes Union der Südamerikanischen Nationen (UNASUR) ist es bei ihrem Gipfeltreffen in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito nicht gelungen, einen Ausweg aus der Krise zwischen Kolumbien und Venezuela zu finden. Wie der Außenamtschef des Gastgeberlands, Ricardo Patiño, nach den fünfstündigen Beratungen der Vertreter von elf Staaten des Bündnisses mitteilte, sei es unmöglich gewesen, sich auf ein Dokument zu einigen. Dessen ungeachtet unterstrich er die Bedeutung des Treffens, das seine Amtskollegen aus Kolumbien und Venezuela, Jaime Bermúdez und Nicolás Maduro, an einen Tisch gebracht habe. Zugleich regte Patiño einen außerordentlichen Gipfel der Staats- und Regierungschefs zur Beilegung der Krise an. Allerdings rechnet niemand mit einer Einigung zwischen den beiden Ländern, bevor es zur Amtsübergabe Alvaro Uribes an seinen Parteifreund und gewählten Nachfolger Juan Manuel Santos gekommen ist. [1]

"Leider haben wir keinen Konsens erreicht", bestätigte auch der Außenminister Kolumbiens, Jaime Bermúdez, vor Journalisten das Scheitern des Ministertreffens. "Kolumbien sucht nach einer effektiven Zusammenarbeit. Wir sind gewillt, mit Hilfe der ganzen Welt den Drogenhandel und den Terrorismus zu bekämpfen." Hingegen sah sein venezolanischer Amtskollege Nicolás Maduro das wichtigste Ergebnis des UNASUR-Forums in Quito in der Tatsache, daß sich Vertreter Kolumbiens und Venezuelas überhaupt getroffen haben. "Die Hauptaufgabe war, eine Diskussion in einer offenen und aufrichtigen Form zu führen und Wege zu einer friedlichen Lösung der Situation zu besprechen, und das haben wir erreicht", stellte Maduro fest. [2]

Bogotá hatte der Regierung in Caracas vorgeworfen, sie beherberge etwa 1.500 Guerilleros der FARC und ELN auf ihrem Territorium, was von venezolanischer Seite entschieden zurückgewiesen wurde. In der vergangenen Woche hatte Kolumbien in einer außerordentlichen Sitzung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Washington fadenscheinige und offenbar fabrizierte Beweise für die Präsenz kolumbianischer Rebellen im Nachbarland vorgelegt. Der Präsident Venezuelas, Hugo Chávez, reagierte auf diese Bezichtigung mit dem endgültigen Abbruch der seit längerem eingefrorenen diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien und der Warnung vor Kriegsgefahr durch einen Angriff auf sein Land. Venezuela rief seinen Botschafter aus Kolumbien ab, worauf Kolumbien im Gegenzug seine Botschafterin ebenfalls aus dem Nachbarland zurückbeorderte. [3] Die Vorwurfslage folgt einem Muster, das die kolumbianische Führung seit Jahren in Stellung gebracht und trotz einer unglaubwürdigen Beweislage und mehrfach nachgewiesener Haltlosigkeit in immer neuen Varianten aufgewärmt und modifiziert hat.

Die UNASUR wurde im Mai 2008 ins Leben gerufen, um die Zusammenarbeit der südamerikanischen Staaten insbesondere in Sicherheitsfragen zu vertiefen. Ihr gehören heute die zwölf Mitglieder Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Ecuador, Guayana, Kolumbien, Paraguay, Peru, Suriname, Uruguay und Venezuela an. Sie bewies bereits mehrfach ihre Fähigkeit, Konflikte einzudämmen: Durch eine klare Parteinahme für die Regierung Boliviens und den von Präsident Evo Morales angeführten Reformprozeß nahm sie den reaktionären und sezessionistischen Bestrebungen der traditionellen Eliten in den wohlhabenden Tieflandprovinzen den Wind aus den Segeln. Im vergangenen November vermittelte sie zwischen Kolumbien und Venezuela in der Kontroverse um das Militärabkommen, welches den US-Streitkräften Zugang zu sieben kolumbianischen Stützpunkten gewährt.

Ecuador, das derzeit den UNASUR-Vorsitz innehat, berief das Gipfeltreffen ein, um die aktuelle Krise auf diplomatischem Weg beizulegen. Die Gräben sind jedoch zu tief, als daß eine rasche Deeskalation herbeigeführt werden könnte. Der venezolanische Außenminister Nicolás Maduro hatte vor dem Treffen der Chefdiplomaten erklärt, daß seine Kollegen auf die "schweren Drohungen und Angriffe" der Regierung des kolumbianischen Staatschefs Alvaro Uribe eingehen müßten. Er hielt Kolumbien "Verleumdung, Manipulation und Lügen" vor, wobei er ausdrücklich betonte, daß man wieder den Weg des Friedens einschlagen könne. Kolumbiens Außenminister Jaime Bermúdez bestand jedoch darauf, auf dem Treffen mit seinen südamerikanischen Amtskollegen für einen stärkeren Kampf gegen Rebellen wie die der FARC zu werben. Er forderte einen "effizienten Kontrollmechanismus", um zu verhindern, daß sich Aufständische "geduldet von den Behörden auf venezolanischem Territorium oder irgendwo anders in der Welt niederlassen". [4]

Schützenhilfe erhielt die kolumbianische Regierung vom oppositionellen brasilianischen Präsidentschaftskandidaten José Serra, der in einigen Umfragen mit der Kandidatin der regierenden Arbeiterpartei, Dilma Rousseff, Kopf an Kopf liegt. Nach Ansicht des früheren Ministers und Gouverneurs von Sao Paulo ist es "unbestreitbar", daß Chávez den FARC Unterschlupf bietet. Zweifellos in der Absicht, als Trittbrettfahrer mit seiner Tirade in Hinblick auf die Präsidentenwahlen im Oktober Stimmen zu fangen, kündigte Serra an, er wolle das Thema auch innenpolitisch aufs Tapet bringen. Sollte er gewählt werden, werde er sein Verhältnis zu Chávez anders gestalten als der jetzige Präsident Luiz Inácio Lula da Silva. "Es weiß doch jeder, ich glaube sogar die Bäume des Amazonaswaldes wissen es, nein, sie sind die Hauptzeugen: Die FARC finden in Venezuela Unterschlupf", schwadronierte Serra. [5]

Mehrere südamerikanische Staatschefs haben ihre Bereitschaft bekundet, die Situation zu entspannen und bei der Konfliktlösung zu vermitteln. So boten Ecuador, Brasilien und Argentinien Vermittlungsdienste an. Auch der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon schloß sich den Aufrufen der lateinamerikanischen Politiker an und appellierte an Venezuela und Kolumbien, "die bilateralen Widersprüche durch einen Dialog zu lösen". An die Spitze des Vermittlungsprozesses haben sich der Präsident Ecuadors, Rafael Correa, und der frühere Staatschef Argentiniens und aktuelle UNASUR-Generalsekretär, Néstor Kirchner, gesetzt. Letzterer will am 5. August Caracas und einen Tag darauf Bogotá besuchen, um die Situation mit der politischen Führung Venezuelas und Kolumbiens zu besprechen.

Die venezolanische Regierung sieht durchaus die Möglichkeit einer Erneuerung der Beziehungen zu Kolumbien, sofern der designierte Präsident Manuel Santos nach seinem Amtsantritt einen "weniger feindseligen Ton" anschlägt. Venezuelas Außenminister Nicolás Maduro hatte in den zurückliegenden Tagen im Rahmen einer kurzfristig anberaumten Südamerikareise Brasilien, Paraguay, Argentinien, Chile, Bolivien, Uruguay und Ecuador besucht, um für einen Friedensplan zu werben. "Sollte die neue kolumbianische Regierung ihre Position vollständig korrigieren und eine Haltung der unbedingten Achtung der venezolanischen Regierung und unseres Land einnehmen, sind wir sicher, daß beide Staaten einen neuen Weg bauen können", sagte Maduro in Montevideo. Auch Präsident Hugo Chávez hofft lateinamerikanischen Medienberichten zufolge trotz der Krise, daß sich die Beziehungen zu Kolumbien unter dem neuen Staatschef Juan Manuel Santos verbessern können. Der im Juni gewählte Santos soll am 7. August sein Amt antreten und wird das Land bis 2014 regieren.

Hingegen wies der scheidende kolumbianische Staatschef Alvaro Uribe den Friedensplan der venezolanischen Regierung zurück. Er halte ihn für eine Finte Venezuelas, das sich aus "dem Würgegriff der Schlange befreien wolle", ohne Gewährleistung der Sicherheit für sein Land. "Wir wollen nicht in diese Falle tappen", erklärte der engste Verbündete Washingtons in Südamerika vor Pressevertretern in Bogotá. Die Wortwahl Uribes ist zumindest nach deutschem Sprachgebrauch aufschlußreich, da das von ihm verwendete Bild einer Würgeschlange, aus deren Umklammerung sich Venezuela zu befreien versucht, Assoziationen an den hinterhältigen und verschlagenen Angriff eines Reptils weckt, das man mit Falschheit in Verbindung bringt. Damit dürfte der kolumbianische Staatschef ungewollt auf den Punkt gebracht haben, worum es bei diesem Konflikt tatsächlich geht.

Anmerkungen:

[1] Kein Ausweg aus der Krise. Südamerikanischer Gipfel zum Streit zwischen Kolumbien und Venezuela gescheitert (30.07.10)
http://www.nzz.ch/nachrichten/international/kein_ausweg_aus_der_krise_1.7003950.html

[2] Nach erfolglosem Treffen von Außenministern sollen nun UNASUR- Staatschefs ran (30.07.10)
http://de.rian.ru/business/20100730/127310153.html

[3] UNASUR. Konflikt zwischen Kolumbien und Venezuela nicht gelöst (30.07.10)
http://www.noows.de/konflikt-zwischen-kolumbien-und-venezuela-nicht-gelost-20397

[4] Ecuador. UNASUR-Gipfel einberufen (30.07.10)
http://www.focus.de/panorama/vermischtes/ecuador-unasur-gipfel-einberufen_aid_536114.html

[5] Venezuela sieht Möglichkeit einer Erneuerung der Beziehungen mit Kolumbien (29.07.10)
http://latina-press.com/news/37224-venezuela-sieht-moeglichkeit-einer-erneuerung-der-beziehungen-mit-kolumbien/

30. Juli 2010