Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

MEDIEN/427: Schwerer Angriff auf die Pressefreiheit in Nordirland (SB)


Schwerer Angriff auf die Pressefreiheit in Nordirland

Polizei will Suzanne Breen zur Quellenpreisgabe zwingen


In Nordirland versucht die Polizei auf gerichtlichem Weg, Suzanne Breen, Belfaster Korrespondentin der in Dublin erscheinenden Sunday Tribune, zur Preisgabe von Informationen über die Real IRA zu zwingen. Der drastische Vorstoß des Police Service of Northern Ireland (PSNI) hängt mit der Ermordung zweier britischer Soldaten am 7. März vor den Toren der Garnison Massareene in der Kleinstadt Antrim zusammen. Über Breen und die Sunday Tribune hatte sich die Real IRA zu dem Überfall wie auch zu der bisher unaufgeklären Ermordung von Dennis Donaldson im April 2006 in Donegal bekannt (Fünf Monate zuvor war der langjährige Berater von Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams als langjähriger Doppelagent des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5 entlarvt worden). Breen, die seit Jahren über die paramilitärische Szene Nordirlands berichtet und sich darin bestens auskennt, weigert sich, der Forderung der PSNI nach Übergabe der relevanten Informationen nachzukommen, und wird dabei von ihrem Arbeitgeber und von ihrer Gewerkschaft, der National Union of Journalists (NUJ), unterstützt.

Ende April hatten Vertreter der PSNI Breen zu Hause besucht und ihr eine Woche gegeben, das gesamte Recherchematerial für zwei Artikel, die sie im März über die neue Offensive der Real IRA veröffentlicht hatte, auszuhändigen. Nachdem Breen unter Verweis auf den Quellenschutz der Forderung nicht nachgekommen war, hat PSNI-Chef Hugh Orde einen gerichtlichen Antrag gestellt. Am 8. Mai kam es zur ersten Verhandlung vor einem Gericht in Belfast. Nachdem die Anwälte Breens den Standpunkt vertreten hatten, daß eine Preisgabe der Informationen das Leben der Journalistin in Gefahr bringen könnte, hat Tony McGleenan, der Barrister der Polizei, beantragt, einen Polizeiinformanten hinter verschlossenen Türen anhören zu lassen. Wegen der Brisanz der abzugebenden Informationen hat McGleenan sogar den Ausschluß von Breens Anwälten verlangt. Hierüber kam es zu einem heftigen Streit in dessen Anschluß Richter Tom Burgess dem Antrag stattgegeben hat. Bis auf den Richter, die Gerichtsdiener, die Anwälte der Polizei und deren Informanten mußten alle anderen den Saal verlassen. Der Informant wurde hereingeführt, vereidigt und hat dann seine Aussage gemacht. Am 12. Mai will Burgess bekanntgeben, ob er den Antrag der Polizei nach Herausgabe von Breens Recherchematerial für gerechtfertigt hält oder nicht. Sollte er zugunsten der PSNI entscheiden, soll die Verteidigung erstmal Zeit erhalten, um Gegenargumente vorzubereiten.

In einer Stellungnahme in eigener Sache erklärte Breen vor der Verhandlung: "Es ist nicht die Aufgabe von Journalisten, Detektiv zu spielen. ... Wir werden für den journalistischen Ethikkodex eintreten, der den Schutz von Quellen mit einschließt." Gegenüber dem irischen Rundfunk RTÉ hat NUJ-Sekretär Séamus Dooley Breen mit ihrer Position den Rücken gestärkt: "Wenn die Polizei anfangen sollte, Journalisten als Mittel zur Gewinnung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse zu benutzen, dann werden Quellen kein Vertrauen mehr haben, daß sie offen mit der Presse reden können. Das würde bedeuten, daß bestimmte Geschichten nicht bearbeitet würden und das Leben von Journalisten gefährdet wäre." Währenddessen hat PSNI-Chef Orde bei einem gestrigen Treffen des Northern Ireland Policing Board seinen Angriff auf die Pressefreiheit mit dem Argument verteidigt, die Öffentlichkeit erwarte von ihm, daß er alle Möglichkeiten ausschöpfe, damit der jüngste Gewaltausbruch in Nordirland wieder in Keim gestickt werde.

9. Mai 2009