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MEDIEN/479: Wikileaks - repressive Informationswege (SB)


Wikileaks - repressive Informationswege


Am 8. März ist die berühmte Whistleblowerin Chelsea Manning vom östlichen Bundesgericht der USA in Alexandria, Virginia, in Beugehaft genommen worden. Anlaß war die Weigerung Mannings, sich von einer hinter verschlossenen Türen tagenden Grand Jury von der Staatsanwaltschaft über ihre Kontakte zu Wikileaks und dessen Gründer Julian Assange ausfragen zu lassen. Nun muß Manning so lange hinter Gitter bleiben, bis sie ihre Position ändert und sich zur Zusammenarbeit bereit erklärt oder die Grand Jury aufgelöst wird, entweder aus Mangel an Beweisen oder weil sie sich für eine Anklageerhebung entscheidet, wodurch der eigentliche Prozeß gegen Assange anlaufen könnte. Angesichts der Unerbittlichkeit des Regierungsapparats der USA ist in diesem Fall mit letzterer Option zu rechnen. Doch bis dahin kann es lange dauern. Das "versiegelte" Verfahren gegen Assange läuft - wie man durch einen vermeintlichen "Lapsus" in der Informationspolitik besagten Bundesgerichts im November vergangenen Jahres erfahren hat - bereits seit Ende 2010, Anfang 2011.

Manning hat Ende 2009, Anfang 2010 als Mitglied des US-Militärgeheimdienstes im Irak Wikileaks anonym rund 500.000 Dokumente zukommen lassen, die schwerste Kriegsverbrechen seitens der amerikanischen Besatzungstruppen sowohl dort als auch in Afghanistan nahelegen. Darüber hinaus übermittelte sie auch eine große Informationssammlung über die Erpressungsmethoden des US-Außenministeriums, das damals unter der Leitung von Hillary Clinton stand. Mitte 2010 wurde Manning verhaftet und 2013 nach einem langen Prozeß von einem Militärtribunal in den USA zu 35 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Unter Eid im Prozeß hat Manning erklärt: "Niemand von Wikileaks hat mich dazu veranlaßt, mehr Informationen zu schicken. Ich übernehme die volle Verantwortung." Im Januar 2017 hat der scheidende US-Präsident Barack Obama Manning die restliche Freiheitsstrafe erlassen, sie aber nicht begnadigt und damit das ursprüngliche Urteil nicht aufgehoben. Damals hat ein Sprecher des frischgewählten Präsidenten-in-spe Donald Trump den Gnadenakt Obamas als "bedenklich" kritisiert.

Aus Angst vor sofortiger Verhaftung durch die britische Polizei und Auslieferung in die USA hält sich Assange seit 2012 in der ecuadorianischen Botschaft in London auf. Seit Assange 2016, mitten im präsidialen Wahlkampf der USA, zahlreiche E-Mails veröffentlichte, welche die korrupten Machenschaften der demokratischen Bewerberin Clinton offenlegte, gilt der Wikileaks-Gründer als Marionette des Kremls (weil sich Putin angeblich einen Sieg Trumps wünschte bzw. heimlich herbeiführte, so die gängige Verschwörungstheorie der Mainstream-Medien Amerikas, aber nicht nur dort). Deswegen hat Assange am 4. März zusammen mit 81 anderen Personen, die meisten aus dem Umfeld Trumps, eine Vorladung zum Erscheinen vor dem Justizausschuß des Repräsentantenhauses in Washington erhalten, um dem von den Demokraten kontrollierten Gremium bei seinen dubiosen "Russiagate"-Ermittlungen behilflich zu sein.

Ein letzter juristischer Versuch Mannings, vor der Grand Jury nicht zu erscheinen, wurde am 5. März vom zuständigen Bundesrichter Claude Hilton, der dabei die eigene Begründung für geheim erklärte, abgewiesen. Also mußte Manning sich am darauffolgenden Tag in der nicht-öffentlichen Sitzung den Fragen jener ranghohen Staatsanwälte aus dem Justizministerium aussetzen, die seit Jahren die Ermittlungen gegen Assange leiten. Am Tag nach der Prozedur erklärte Manning standhaft:

Gestern bin ich vor der Grand Jury aufgetreten, nachdem mir Immunität wegen meiner Aussage zugesichert worden war. Alle wesentliche Fragen betrafen meine Enthüllungen von Informationen an die Öffentlichkeit im Jahr 2010 - worauf ich mit meinen Aussagen vor dem Kriegsgericht 2013 ausführlich geantwortet habe. Ich habe jede Frage mit folgender Erklärung beantwortet: 'Ich lehne die Frage ab und weigere mich sie zu beantworten mit der Begründung, daß sie meine Rechte nach dem Ersten, Vierten und Sechsten Zusatz [der US-Verfassung - Anm. d. SB-Red.] sowie weitere gesetzliche Rechte verletzt.' Am Freitag werde ich vor dem Bundesgericht in Alexandria, Virginia, für eine nicht-öffentliche Anhörung wegen Mißachtung wieder erscheinen. Das Gericht könnte mich der Mißachtung für schuldig erklären und meine Inhaftierung anordnen. In Solidarität mit den vielen Aktivisten, die sich ebenfalls im Visier der Behörden befinden, werde ich meinen Prinzipien treu bleiben. Ich werde jeden Rechtsweg beschreiten. Meine Anwälte kämpfen weiterhin gegen die Geheimhaltung dieses Verfahrens, und ich bin bereit, die Folgen meiner Weigerung zu tragen.

Wie erwartet, hat am besagten Tag Richter Hilton die Argumente Mannings beiseite gewischt und sie in Beugehaft nehmen lassen. Für diese Entwicklung hatte Manning eine weitere Erklärung vorbereitet, die wie folgt lautet:

Ich werde mich weder dieser noch irgendeiner Grand Jury beugen. Mich wegen meiner Weigerung, Fragen zu beantworten, ins Gefängnis zu stecken, ist nichts als eine weitere Bestrafung wegen meiner wiederholt vorgetragenen Argumente gegen das Grand-Jury-System. Die Fragen der Grand Jury bezogen sich auf Enthüllungen, die ich vor neun Jahren gemacht habe, und erfolgten sechs Jahre nach einer weitreichenden, computerforensischen Untersuchung, in deren Rahmen ich fast einen ganzen Tag zur eigentlichen Tat aussagte. Ich stehe zu meiner früheren Aussage. Ich werde mich nicht an einem Geheimprozeß beteiligen, den ich aus moralischen Gründen ablehne und der in der Vergangenheit mehr als einmal benutzt worden ist, um Aktivisten in Fälle zu verstricken und sie wegen geschützter [von der US-Verfassung - Anm. d. SB-Red.] politischer Äußerungen zu bestrafen.

Nach der Verhaftung hat Mannings Rechtsbeistand Moira Meltzer-Cohen ihre Mandantin vor der Presse als "Person außergewöhnlicher Ehre und Courage" bezeichnet. Meltzer-Cohen und ihr Team wollen Manning nun mit dem Argument freibekommen, die Beugehaft dürfe vom Gesetz her nur angewandt werden, um Menschen zur Zusammenarbeit zu zwingen; da die ehemalige Gefreite hinlänglich bewiesen habe, daß sie nicht zu brechen ist, handele es sich nun in ihrem Fall um eine rechtlich unzulässige Bestrafungsmaßnahme. Auch wenn die Logik der Manning-Anwälte zwingend erscheint, ist davon auszugehen, daß Richter Hilton und der hinter ihm stehende Sicherheitsstaat sie nicht gelten lassen werden.

11. März 2019


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