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MILITÄR/927: Washington - waffentechnisch dick aufgetragen ... (SB)


Washington - waffentechnisch dick aufgetragen ...


Die F-35 Lightning II sollte die Antwort Lockheed Martins auf das Streben des Pentagons nach Luftüberlegenheit der US-Streitkräfte im 21. Jahrhundert liefern. Ob das 1993 konzipierte Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeug jemals dem hohen Anspruch gerecht wird ist fraglich. Das teuerste Rüstungsprojekt aller Zeiten wird seit Jahren von Pleiten, Pech und Pannen verfolgt und gilt längst als Paradebeispiel einer Waffenentwicklung, die sich weniger nach den tatsächlich zu erwartenden militärischen Bedürfnissen als vielmehr nach den Subventionswünschen der US-Rüstungsindustrie und ihrer politischen Wasserträger im Washingtoner Kongreß richtet. Das US-Verteidigungsministerium will insgesamt 2663 F-35-Maschinen in verschiedenen Versionen für Luftwaffe, Marine und Marineinfanterie kaufen. Hunderte weiterer Exemplare des Kampfjets der 5. Generation sollen an die US-Verbündeten Australien, Frankreich, Dänemark, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, die Niederlande und die Türkei verkauft werden. Der Stückpreis liegt bei über 100 Millionen Dollar. Insgesamt hat die gigantische Rüstungsbeschaffungsmaßnahme den US-Steuerzahler bislang 1,5 Billionen Dollar gekostet. Wie hoch sich die Endsumme belaufen wird steht in den Sternen.

Als es in den Nullerjahren zu erheblichen Problemen bei der Entwicklung der F-35 kam, die das Aus für das Projekt hätten bedeuten können und vielleicht sogar müssen, hatten Generalität und Hersteller einen genialen Einfall. Sie schlugen vor und setzten es auch noch durch, die Probephase einfach zu überspringen und mit der kühnen Behauptung in die Produktion und Auslieferung zu gehen, die technischen Hindernisse und Unzulänglichkeiten könne man im Verlauf des regulären Betriebs ausbügeln. Diese Umgehung des vorgeschriebenen Kontrollprozesses war natürlich eine Schnappsidee und hat sich inzwischen auch als solche entpuppt. Weil die F-35 als einmotorige Maschine gebaut wurde, entwickelt sich im Innern soviel Druck, daß giftige Dämpfe sogar unter die Atemmaske der Piloten in der Kabine gelangen und Bewußtseinseintrübungen hervorrufen. Die Flugeigenschaften des Tarnkappenfliegers bleiben hinter den Erwartungen zurück, während Ausfälle und Neustarts aufgrund der hochkomplizierten, offenbar störanfälligen Software an der Tagesordnung sind.

Bereits im Januar hat das Government Accountability Office (GAO) des Kongresses, vergleichbar dem deutschen Bundesrechnungshof, bei der F-35 nicht weniger als 111 Mängel der Kategorie I festgestellt. Das sind Mängel oder Konstruktionsfehler, die "Tod, schwere Verletzung oder berufsbedingte Krankheit verursachen, zum Verlust oder zu schwerer Beschädigung des Waffensystems führen, die Kampfbereitschaft der betroffenen Teilstreitkraft beeinträchtigen oder einen Produktionsstopp auslösen könnten". Bis heute ist keiner dieser Fehler behoben worden. Im Juni wurden lediglich 19 Mängel auf Drängen von Lockheed Martin in die weniger gravierende Kategorie II herabgestuft. Dies berichtete am 31. August Military.com unter Verweis auf die angesehene Anti-Korruptionsinitiative Project on Government Oversight (POGO).

Um etwas für das ramponierte Ansehen der F-35 zu tun, hat das Pentagon sie am 27. September ihren ersten regulären Kampfeinsatz absolvieren lassen. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, flog eine senkrechtstartende F-35-B-Maschine der Marineinfanterie vom Deck der USS Essex, eines im Arabischen Meer vor der Küste Pakistans stationierten amphibischen Landungsschiffs, nach Afghanistan und jagte mit zwei Bomben ein Waffenlager der Taliban oder der "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS) in die Luft. Auf dem Veteranenportal Task & Purpose hat der ehemalige Marineinfanterist Paul Szoldra die Operation als sinnlose, überteuerte PR-Aktion des Militärs kritisiert. Szoldra fragte - rhetorisch natürlich -, warum ein in erster Linie für den Luftkampf gegen die modernsten Maschinen Rußlands und Chinas gebautes Flugzeug für Millionen von Dollar eine Aufgabe übernehmen mußte, welche die US-Luftwaffe in Bagram oder eine CIA-Drohne leichter, billiger und schneller hätte erledigen können.

Die Rache für das durchsichtige Propagandamanöver folgte gleich am nächsten Tag, als eine F-35 kurz nach dem Start zu einem Trainingsflug vom Stützpunkt der US-Marineinfanterie bei Beaufort, South Carolina, abstürzte und in Flammen aufging. Zum Glück konnte sich der Pilot rechtzeitig mit dem Schleudersitz retten. Die Maschine wurde von einem Mitarbeiter des Pentagons gegenüber einem Reporter der Nachrichtenagentur Agence France Presse als "Totalverlust" bezeichnet. Zur Ursache des Unglücks ist nichts bekannt, die Ermittlungen laufen. Währenddessen hat Federico Pieraccini in einem am 30. September bei Strategic Culture Foundation erschienenen Artikel eine weitere Gefahr für den Ruf der F-35 ausgemacht, nämlich die Entscheidung Moskaus, nach dem Abschuß eines russischen Spionageflugzeugs Mitte September vor der Küste Latakias das russische Luftabwehrsystem S-300 nach Syrien zu verlegen. Nach Ansicht Pieraccinis könnte Lockheed Martin bald völlig blamiert werden, sollte Israel, wie angekündigt, weiterhin Angriffe gegen iranische Stellungen in Syrien fliegen und auf die F-35 zurückgreifen; denn angeblich könnte diese von der fast fünfzig Jahre alten S-300-Bodenluftrakete vom Himmel geholt werden.

2. Oktober 2018


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