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MILITÄR/930: Rüstung - Waffenfronten, alte Posten ... (SB)


Rüstung - Waffenfronten, alte Posten ...


Der von Donald Trump am 20. Oktober angekündigte Austritt der USA aus dem INF-Vertrag, der die Erforschung, den Besitz und die Indienststellung ballistischer Raketen und Marschflugkörper mit einer Reichweite zwischen 500 und 5.500 Kilometer verbietet, hat in Rußland, den Vertragspartner Washingtons, Enttäuschung und Entsetzen ausgelöst. Der Kreml warf Trump "Erpressung" vor und verurteilte den Schritt als weiteren Beweis für die krankhaft-gefährlichen Bemühungen der USA, die Welt militärisch zu beherrschen. Mit der drastischen Einschätzung liegen die Russen sicherlich richtig. Schließlich richtet sich der Austritt der USA aus dem Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty nicht nur gegen Rußland, sondern vor allem gegen China, das am Abkommen niemals beteiligt gewesen ist und das sich in den letzten Jahren ein ansehnliches Arsenal an Mittelstreckenraketen zugelegt hat, um die Hoheit über seine küstennahen Gewässer erlangen zu können.

Für die Richtigkeit dieser These sprechen die Worte Trumps, mit denen der windige Geschäftsmann aus der für ihre Mafia-Methoden berüchtigten Baubranche New Yorks vor Journalisten den INF-Austritt verkündet hat. Trump, der seit dem Präsidentenwahlkampf 2016 nicht aufhört, die Volksrepublik zur unerträglichen Bedrohung des Supermachtstatus der USA aufzubauschen, hat selbst China zum Thema in diesem Zusammenhang gemacht, obwohl die 1987 von Ronald Reagan und Michail Gorbatschow unterzeichnete Vereinbarung stets ausschließlich eine amerikanisch-sowjetische, später eine amerikanisch-russische Angelegenheit gewesen ist:

Rußland hat gegen das Abkommen verstoßen. Sie verstoßen seit Jahren dagegen, und ich weiß nicht, warum Präsident Obama nicht neu verhandelt hat oder ausgestiegen ist. ... Entweder Rußland kommt auf uns zu, China kommt auf uns zu und sie alle kommen auf uns zu und sagen, "lassen Sie uns intelligent sein und verzichten wir alle darauf, solche Waffen zu entwickeln". Doch wenn Rußland sie baut und China sie baut, während wir uns an das Abkommen halten, ist das inakzeptabel. Wir haben viel Geld, mit dem wir unser Militär auf Vordermann bringen können.

Seit 2011 US-Außenministerin Hillary Clinton den Schwerpunkt der Außen- und Sicherheitspolitik Washingtons auf den pazifischen Raum neu ausrichtete und Präsident Barack Obama den größten Teil der amerikanischen Marinekapazitäten des Pentagons dorthin verlegte, greift die Volksrepublik zu entsprechenden Gegenmaßnahmen. Hierzu gehört der Ausbau kleinerer Riffe und Inseln im Südchinesischen Meer zu Militärstützpunkten mit Start- und Landebahnen sowie ständiger Truppenpräsenz ebenso wie die Stärkung der chinesischen Raketenstreitkräfte. Im Zentrum der Bemühungen Pekings, im Falle einer Krise Taiwan mit einer Blitzinvasion wieder zurück ins eigene Reich holen und sich dabei die US-Streitkräfte vom Leib halten zu können, steht die Rakete Dong Feng 26, deren früheres Modell, die DF-21, wegen der enormen Schlagkraft bereits als "Flugzeugträgerkiller" galt.

Die DF-26-Rakete, die 2016 in den Dienst gestellt wurde und mit einem konventionellen oder nuklearen Sprengkopf von 1200 bis 1800 Kilogramm Gewicht bestückt werden kann, hat eine Reichweite zwischen drei- und viertausend Kilometern. Mit einer solchen Waffe, die von einer mobilen Abschußvorrichtung abgefeuert wird, können von Zentralchina aus sämtliche Ziele in Südkorea oder Japan ins Visier genommen werden. Aus chinesischer Küstennähe könnten auch amerikanische Stützpunkte im westpazifizischen Raum angegriffen und vernichtet werden. Zwischen der südwestchinesischen Insel Hainan, wo die chinesische Atom-U-Bootflotte beheimatet ist, und der nordaustralischen Stadt Darwin, die seit einigen Jahren eine schnelle Eingreiftruppe der US-Marineinfanterie von 1500 Mann "in Rotation" beherbergt, sind es etwas mehr als 4000 Kilometer Luftlinie; zwischen Hongkong und dem größten US-Militärstützpunkt im Westpazifik auf Guam, dem größten der Marshallinseln, sind es 3400.

Bereits 2014 hat die US-Politzeitschrift National Interest unter der Überschrift "China's Missile Forces Are Growing: Is It Time to Modify the INF Treaty?'" den Ausbau der chinesischen Raketenstreitkräfte thematisiert und den Austritt Washingtons aus dem INF-Vertrag als Antwort darauf propagiert. Beim Auftritt vor dem Militärausschuß des Senats am 15. März 2018 hat der scheidende Oberkommandeur aller US-Streitkräfte im Pazifik, Admiral Harry Harris, ein aus amerikanischer Perspektive düsteres Bild der Kräfteverhältnisse rund um das Südchinesische Meer gezeichnet und den INF-Vertrag als Hemmnis für eine effektive Entgegnung chinesischen Muskelspiels kritisiert. Harris redete der raschen Installierung bodengestützter Mittelstreckenraketen rund um das chinesische Festland wie auch der Stärkung der militärischen Beziehungen der USA zu Südkorea, Japan, den Philippinen und Australien das Wort. Es bedarf keiner Hellsicht, um darauf zu kommen, wo sich der Ort befindet, auf dem Amerikas Generalität die neuen Mittelstreckenraketen am liebsten stationieren möchte: auf Guam natürlich.

Interessant wie zugleich beunruhigend sind in diesem Zusammenhang die Pläne Australiens, einen der wichtigsten Häfen der Alliierten im Zweiten Weltkrieg gegen Japan zum neuen Leben zu erwecken. Gemeint ist der Marinestützpunkt Lombrum auf Manus Island, die zu Papua Neu-Guinea gehört und mehrere hundert Kilometer nördlich der Hauptinsel in der Bismarcksee liegt. Manus ist die größte der Admiralitätsinseln. Von 1942 bis Anfang 1944 hatte dort die kaiserliche japanische Armee das Sagen. Nach der Eroberung durch australische, britische, amerikanische und neuseeländischen Streitkräfte diente der dortige Tiefseehafen als wichtigste Reparatur- und Nachschubstation der Alliierten bei der Rückeroberung der Philippinen und den Vorbereitungen für die Invasion Japans, zu der es nach der bedingungslosen Kapitulation Tokios infolge der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 nicht mehr kommen sollte. Bereits Ende 1944 lagen im Seeadler Harbour mehr als 800 Schiffe der amerikanischen und britischen Pazifikflotten, während auf mehreren treibenden Docks Hochbetrieb herrschte. Zum Militärstützpunkt gehörten vier Start- und Landebahnen, Unterkünfte für 150.000 Soldaten sowie ein Lazarett mit 3000 Betten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg führte das australische Militär den Stützpunkt Lombrum weiter, wenn auch in deutlich kleinerer Form. Nach der Unabhängigkeit Papua Neu-Guineas 1975 ging die Verantwortung für die Anlage an die neue Regierung in Port Moresby über. Seit 2001 nutzt Australien die Insel Manus für die Unterbringung von Flüchtlingen aus Asien und Afrika. Im Sommer wurde bekannt, daß Canberra bei bilateralen Gesprächen die Reaktivierung des Marinestützpunktes Lombrum vorgeschlagen und Port Moresby seine Zustimmung signalisiert hätte. In einem Artikel, der am 20. September bei Global Research erschienen ist, bewertete der außenpolitische Analytiker Andrew Korybko die Entwicklung wie folgt:

Die strategische Bedeutung der Rückkehr der australischen Marine nach Lombrum besteht darin, daß in der Folge auch eine amerikanische Militärpräsenz zu erwarten wäre, die es den USA erlauben würde, den Meeresraum zwischen Manus und Guam zu kontrollieren und somit im Falle einer Krise zwischen den beiden Großmächten Chinas Zugang zum restlichen Südpazifik zu "kappen".

Vorstellbar wäre ebenfalls, nach Absprache mit Port Moresby auch auf Manus neue amerikanische Mittelstreckensraketen zu stationieren, deren Bau Donald Trump nach dem Austritt aus dem INF-Vertrag in nicht allzu ferner Zukunft im Auftrag geben könnte.

24. Oktober 2018


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