Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

NAHOST/935: Viele Rätsel um israelischen Luftangriff im Sudan (SB)


Viele Rätsel um israelischen Luftangriff im Sudan

Washington streitet Beteiligung ab, während sich Tel Aviv bedeckt hält


Berichte über einen verheerenden Überraschungsangriff der israelischen Luftwaffe auf angebliche Waffenschmuggler im Sudan haben in den letzten Tagen für diplomatische Spannungen zwischen den Regierungen in Kairo, Khartum, Tel Aviv und Washington gesorgt und zahlreiche Spekulationen ausgelöst. Genaue Daten hinsichtlich der Zahl der Getöteten liegen nicht vor. Des weiteren ist unklar, ob nicht bei derselben oder einer zweiten Operation ein iranisches Handelsschiff vor der Küste des Sudans versenkt wurde. Fest steht jedenfalls, daß Israel mit der selbstherrlichen Operation die Menschen im Sudan, in Ägypten und der restlichen islamischen Welt noch mehr gegen sich und seinen Verbündeten USA aufgebracht hat.

Am 25. März hatte der Korrespondent David Martin auf seinem Blog auf der Website der Nachrichtenredaktion des US-Fernsehsenders CBS als erste Person den Luftangriff, der sozusagen im Anschluß an die am 16. Januar zu Ende gegangene, dreiwöchige israelische Operation Vergossenes Blei gegen die palästinensische Hamas-Regierung des Gazastreifens stattgefunden haben soll, gemeldet. Unter Verweis auf Geheimdienstquellen berichtete Martin, die Israelis hätten einen Konvoi, der Waffen transportierte, die aus dem Iran kämen und über Ägypten nach Gaza hineingeschmuggelt werden sollten, angegriffen, und dabei 17 Lastwagen zerstört und 39 Menschen getötet. Martin brachte die Möglichkeit einer amerikanischen Beteiligung an der Operation in Form von Satellitenbildern und anderen Geheimdiensterkenntnissen ins Spiel, indem er eine Verbindung zwischen dem Angriff und jenem Abkommen herstellte, mit dem die beiden Außenministerinnen Condoleezza Rice und Tzipi Livni am 14. Januar in Washington eine Zusammenarbeit ihrer beiden Länder bei der Unterbindung des Waffenschmuggels nach Gaza vereinbart hatten.

Am 26. März hat Mabruk Mubarak Saleem, Transportminister des Sudans, unter anderem gegenüber der Nachrichtenagentur Agence France Presse und dem arabischen Nachrichtensender Al Jazeera behauptet, daß es Ende Januar und Mitte Februar zu zwei getrennten Luftangriffen ausländischer Streitkräfte in der verarmten Region zwischen Port Sudan und der Grenze zu Ägypten gekommen sei. Bei dem ersten Vorfall sollen 16 Lastwagen, die rund 200 Afrikaner, die nach Europa wollten, und einige "leichten Waffen" wie Kalaschnikows, die für die Hamas gedacht waren, transportierten, angegriffen worden sein. Bei dem zweiten Angriff, der am 11. Februar stattgefunden haben soll, wurde laut Saleem ein Konvoi aus 18 Lastwagen von Bomben und Raketen getroffen. Der Minister gab die Gesamtzahl der Toten mit mehreren hundert Menschen, "darunter Sudanesen, Äthiopier und Eriträer", an und machte die Amerikaner für die Operation verantwortlich, da sie den Luftraum rund um das Horn von Afrika komplett beherrschten. Später erklärte ein zweiter Vertreter der Regierung in Khartum gegenüber der Presse, daß es in der fraglichen Zeit auch zu einem Luftangriff auf ein iranisches Handelsschiff vor der Küste des Sudans gekommen war, das dabei versenkt wurde. Wie viele Menschen hierbei ums Leben kamen, ist unbekannt.

Die Hamas-Bewegung hat bestritten, daß die angegriffenen Lastwagen Waffen aus dem Iran für den Gazastreifen beförderten. Das US-Militär hat seinerseits offiziell erklärt, seit der Einrichtung des Afrika-Kommandos (AFRICOM) am 1. Oktober keine Bodenoperation, keine Luftangriffe und keine Raketenangriffe im Sudan oder in der angrenzenden Region durchgeführt zu haben. Diese vorsichtige Formulierung schließt jedoch die Möglichkeit indirekter Maßnahmen zur Unterstützung einer israelischen Operation nicht aus.

Ihrerseits hat sich die israelische Regierung geweigert, die Angaben aus Washington und Khartum zu bestätigen oder zu dementieren. Auf einer Sicherheitskonferenz, die in Herzliya stattfand, griff am 26. März der israelische Premierminister Ehud Olmert die Kontroverse auf und erklärte vieldeutig, die Streitkräfte seines Landes würden "in jedem Gebiet operieren, in dem terroristische Infrastrukturen angegriffen werden" könnten, um Israels "Abschreckungspotential zu verstärken und zu erhöhen". Am 27. März sprangen die Korrespondenten Amos Harel, Barak Ravid und Yoav Stern in der israelischen Tageszeitung Ha'aretz der Olmert-Regierung bei, indem sie behaupteten, die Entscheidung zu der umstrittenen Militäroperation im Sudan sei auf Geheimdiensterkenntnisse zurückzuführen gewesen, wonach der oder die Konvois iranische Kurzstreckenraketen vom Typ Fajr transportierten, welche mit ihrer Reichweite von rund 70 Kilometern es der Hamas ermöglicht hätten, "das Herz Israels, Tel Aviv" zu treffen. Bezeichnenderweise machten Harel, Ravid und Stern keinerlei Angaben, woher sie diese brisante Information hatten.

28. März 2009