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NAHOST/951: Nicht einmal ein Linsengericht für das palästinensische Erbteil (SB)


Friedensprozeß heißt für die Palästinenser Unterwerfung


Die Palästinenser brauchen keinen weiteren Friedensprozeß. Die zurückliegenden sechs Jahrzehnte ihres Konflikts mit dem Staat Israel liefern jedenfalls keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß es sich bei einem solchen Vorgang um etwas anderes handeln könnte, als ihnen immer neue Konzessionen abzupressen, ohne daß sich ihre Lage dadurch verbessert hätte. Palästinenser werden mit Bomben, Raketen und Granaten getötet, in Gefangenschaft gehalten, durch Hunger, Durst und Krankheit gequält, ihres Landes beraubt, um ihre Erwerbsmöglichkeiten gebracht, durch zahllose administrative Zwänge drangsaliert und gedemütigt und nicht zuletzt durch Friedensprozesse ihres Widerstandspotentials beraubt. Selbst das Wort "Frieden" gilt für sie nur als Diktat der Unterwerfung, da von einer Existenz in Würde, Selbstbestimmung und Entfaltungsmöglichkeiten keine Rede ist.

Der palästinensische Unterhändler Saeb Erakat hat noch einmal hervorgehoben, daß nur ein vollständiges Einfrieren des Siedlungsbaus als Voraussetzung von Friedensverhandlungen akzeptabel sei. Ein ausnahmsloses Ende jeden weiteren Ausbaus sei essentiell hinsichtlich der Bemühungen, einen glaubwürdigen Friedensprozeß wiederherzustellen und die Voraussetzungen für ernsthafte Verhandlungen zu schaffen. Die Bedingungen eines umfassenden Siedlungsstopps seien in der Road Map klar definiert und schlössen Ostjerusalem und das sogenannte natürliche Wachstum der Siedlungen ein. [1]

Die unter Vermittlung der US-Regierung eingebrachte Road Map von 2003, der Israel zugestimmt hat, sieht insbesondere ein Ende des Siedlungsbaus vor, da dieser die Voraussetzungen eines lebensfähigen Palästinenserstaats untergräbt. Das Westjordanland wird systematisch fragmentiert, wodurch man die Palästinenser in Enklaven einschließt und deren Verbindung miteinander erschwert oder ganz unterbricht, so daß sich der Begriff "Bantustans" für die Charakterisierung dieser Einpferchung und Kontrolle eingebürgert hat.

Gemäß dem Völkerrecht wie auch UN-Resolutionen ist der gesamte Siedlungsbau in den 1967 von Israel besetzten Gebieten illegal, weshalb eine Zweistaatenlösung, die diesen Namen verdient, mit dem vollständigen Rückzug aus den fraglichen Gebieten verbunden sein müßte. Inzwischen leben jedoch rund eine halbe Million Israelis im Westjordanland und in Ostjerusalem, womit tagtäglich erweiterte vollendete Tatsachen geschaffen werden, die israelische Regierungen für nicht verhandelbar erklären. Wie einseitig zu Lasten der Palästinenser gedacht und gehandelt wird, wenn der Friedensprozeß zur Sprache kommt, ist dessen weitgehende Reduzierung auf den Bau neuer Siedlungen, wobei man mit immer neuen Finten und Verschleierungsmanövern die eigentliche Verhandlungsmasse auf mikroskopische Dimensionen reduziert und selbst diese nicht zur Disposition stellt, sondern als bloße Möglichkeit vorhält.

Während der Siedlungsbau namentlich in Ostjerusalem und den angrenzenden Teilen des Westjordanlands massiv vorangetrieben wird, ist hinsichtlich des Ausbaustopps zumeist nur von den selbst nach israelischem Recht illegalen Außenposten die Rede, während zugleich verschiedene Varianten der Fertigstellung bereits in Angriff genommener oder sogar geplanter Wohneinheiten ins Spiel gebracht werden. Bei genauer Überprüfung stellt sich heraus, daß diese Optionen darauf hinauslaufen, die Siedlungen wie vorgesehen weiter auszubauen und dies unter das nebulöse "natürliche Wachstum" zu subsumieren.

Dabei handelt es sich wohlgemerkt nicht um konkrete Vorschläge von israelischer Seite, die definitiv in die Debatte eingebracht werden, sondern vielmehr um lancierte Signale, worüber man vielleicht sprechen könnte - oder auch nicht. Daß seit Jahren Vereinbarungen auf dem Tisch liegen, die Israel jedoch nie eingehalten hat, und selbst beiderseits akzeptierte Entwürfe wie die Road Map ignoriert werden, während alle Welt gebannt darauf lauscht, ob die Regierung Netanjahus am Ende doch ein winziges Zugeständnis welcher Art auch immer andeutet, dokumentiert unmißverständlich, was auf seiten Israels unter Verhandlungen aus einer Position der Stärke verstanden wird: Einverleibung palästinensischen Erbes, wobei das Linsengericht noch nicht einmal serviert, sondern allenfalls auf der Speisekarte gezeigt wird.

Anmerkungen:

[1] Palestinians say full settlement freeze is precondition to new peace talks (27.08.09)
http://www.csmonitor.com/2009/0827/p06s16-wome.html

28. August 2009