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NAHOST/957: USA bereiten schwere Sanktionen gegen den Iran vor (SB)


USA bereiten schwere Sanktionen gegen den Iran vor

Torpediert Stuart Levey eine Lösung des "Atomstreits" mit Teheran?


Trotz des positiven Auftakts der Verhandlungen zwischen den Vertretern der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen - China, Frankreich, Großbritannien, Rußland und die USA - plus Deutschlands auf der einen Seite und denen des Irans auf der anderen am 1. Oktober in Genf ist eine rasche Lösung des sogenannten "Atomstreits" nicht in Sicht. Zwar haben die Iraner Inspektionen einer neuen, erst im Bau befindlichen zweiten Urananreicherungsanlage nahe der Stadt Ghom durch die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) für den 25. Oktober anberaumt und sich im Prinzip bereit erklärt, den Brennstoff für das Kernkraftwerk Buschehr am Persischen Golf aus dem Ausland zu beziehen, gleichzeitig aber beharren sie nach wie vor auf dem Recht ihres Landes als Unterzeichnerstaat des Nicht-Verbreitungsvertrags auf die Beherrschung des kompletten Nuklearkreislaufs einschließlich der Anreicherung von Uran. Die USA dagegen - angetrieben von den Hardlinern in Israel um Premierminister Benjamin Netanjahu und unterstützt von den drei europäischen Großmächten - unterstellen den Iranern den heimlichen Bau von Atomwaffen und rücken bisher keinen Mikrometer von ihrer Forderung nach einem Stopp der Urananreicherung ab.

Ihrerseits weisen die Iraner die Unterstellung der heimlichen Entwicklung von Atomwaffen kategorisch ab. Auch wenn bestimmte Kräfte in Israel und den USA nicht müde werden, die angeblich vom iranischen Besitz der Atombombe ausgehende Bedrohung an die Wand zu malen, sprechen die Tatsachen gegen die fantasievollen Untergangszenarien aus Washington und Tel Aviv. Netanjahu und sein Außenminister Avigdor Lieberman sehen im iranischen Atomprogramm die größte Gefahr für die nationale Sicherheit Israels und fordern, Teheran müsse daran gehindert werden, sich genügend angereichertes Uran zum Bau einer Atombombe zu beschaffen. Die Amerikaner begründen die Notwendigkeit ihres umstrittenen Raketabwehrprogramms unter anderem mit dem Szenario atomar bestückter Mittel- und Langstreckenraketen in den Händen der Teheraner "Mullahkratie". Was beide Gruppen ignorieren bzw. ihrer Zuhörerschaft nicht mitteilen, ist, daß selbst, wenn die Iraner Uran so hoch anreicherten, daß sie Material zum Atombombenbau erhielten - was ohne Wissen westlicher Geheimdienste praktisch unmöglich wäre und im Grunde genommen den Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag erforderlich machte -, könnten sie damit immer nur eine Uranbombe herstellen. Zwar sind die moderneren Uranbomben nicht so groß wie diejenige, mit der die Amerikaner 1945 Hiroshima dem Erdboden gleichmachten, dennoch sind sie so schwer, daß sich damit keine Raketen mit einem entsprechenden Sprengkopf bestücken ließen. Dafür braucht man Plutonium, das nur in einem schnellen Brüter erzeugt werden kann. So etwas haben die Iraner nicht.

Angesichts dessen ist klar, daß sich hinter dem "Atomstreit" eine grundsätzlichere Auseinandersetzung verbirgt. Die USA haben ihren Rauswurf aus dem Iran nach dem Sturz ihrer Marionette, des Schahs von Persien, im Jahre 1979 bis heute nicht verwunden. Sie weigern sich, die Islamische Republik nicht mehr als terroristischen "Schurkenstaat" zu behandeln, weil sie zurecht befürchten, das Nachsehen zu haben, sollten alle diplomatischen und wirtschaftlichen Sanktionen gegen den Iran aufgehoben werden. Der Iran verfügt über riesige Öl- und Gasvorkommmen und einen Markt von rund 70 Millionen Menschen und könnte sich aufgrund seiner geographischen Lage zum Dreh- und Angelpunkt des ganzen Energiesektors des Nahen Ostens und Zentralasiens entwickeln. Eigentlich soll der Iran erst wieder zu einem "normalen" Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft werden, wenn die USA dafür grünes Licht geben. Aber dafür wollen die Amerikaner ihren alten privilegierten Zugang zum iranischen Markt haben. Den werden die "Mullahs" in Teheran ihnen kaum gewähren, käme dies doch einem Verrat an der Islamischen Revolution vor dreißig Jahren gleich.

Für den 19. Oktober steht die nächste Verhandlungsrunde zwischen den Vertretern der sogenannten P5+1-Staaten (das P steht für permanent und verweist auf die ständige Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat) und denen des Irans an. Ob es hier zum Durchbruch kommt, kann bezweifelt werden, denn ständig werden von den Iranern Vorleistungen verlangt, während die Regierung Barack Obamas so tut, als habe sie ein großes Opfer gebracht, indem sie erstmals an bilateralen Gesprächen mit Teheran teilnimmt. Die Haltung der Obama-Regierung ist herablassend, entspricht jedoch dem Äußersten, was sie sich vermutlich angesichts der bei den maßgeblichen Kräften in Washington grassierenden Iranphobie leisten kann. Bereits jetzt werfen Kriegstreiber wie George W. Bushs ehemaliger UN-Botschafter John Bolton Obama und seiner Außenministerin Hillary Clinton vor, durch die Teilnahme an Gesprächen auf gleicher Augenhöhe mit den Iranern vor dem radikalen Islam kapituliert und die Werte der westlichen Zivilisation verraten zu haben.

Um sich vor Angriffen der Möchtegern-Israelfreunde im Kongreß und Verbalrambos in den Medien zu schützen, drohen ihrerseits Obama und Clinton dem Iran mit schweren wirtschaftlichen Sanktionen, sollten die angelaufenen Verhandlungen keine Fortschritte bei der Lösung des "Atomstreits" zeitigen. "Die internationale Gemeinschaft werde nicht ewig auf den Beweis warten, daß der Iran bereit ist, seine internationalen Verpflichtungen zu erfüllen", erklärte Clinton mit schulmeisterischer Strenge auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem britischen Außenminister David Milliband am 11. Oktober in London.

Die Drohung Clintons ist nicht hohl. Presseberichten zufolge bereitet das Finanzministerium in Washington seit Wochen die Verhängung einschneidender wirtschaftlicher Sanktionen vor, welche den Iran vom internationalen Handel praktisch abschneiden könnten. Washington erwägt zum Beispiel, Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen dermaßen unter Druck zu setzen, daß sie von heute auf morgen keine Policen für Schiffe, die iranische Waren transportieren, erteilen. Chefkoordinator der geplanten Sanktionsmaßnahmen ist Stuart Levey, der im Finanzministerium für die Abteilung Terrorism and Financial Intelligence zuständige Staatssekretär. Für diese Aufgabe hat Obama Levey extra von der Bush-Regierung übernommen, was wahrlich kein gutes Omen ist. Levey, der als Mitglied des neokonservativen Klüngels in Washington gilt, hat bereits einmal für Unsicherheit und Unfrieden in den internationalen Beziehungen gesorgt, als er im September 2005, gerade als sich die kommunistische Regierung in Pjöngjang bei den Sechsergesprächen zwischen China, Japan, Nordkorea und Südkorea, Rußland und den USA zur vollständigen nuklearen Abrüstung bereit erklärte, aus fadenscheinigen Gründen Sanktionen gegen die Banco Delta Asia in Macao verhängte, über die die Nordkoreaner bis dahin einen Großteil ihres ohnehin geringen Außenhandels betrieben. Die Folge von Leveys mutwilliger Torpedierung des "Atomstreits" mit Nordkorea waren die beiden nordkoreanischen Atomtests am 9. Oktober 2006 und am 25. Mai dieses Jahres.

12. Oktober 2009