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NAHOST/1028: Obamas Nahost-Verhandlungen unter keinem guten Stern (SB)


Obamas Nahost-Verhandlungen unter keinem guten Stern

Mohammed Dahlan entlarvt Nahost-Gespräche als Alibi-Veranstaltung


Am 2. September haben sich im State Department in Washington unter den wachsamen Augen von US-Außenministerin Hillary Clinton und George Mitchell, Barack Obamas Sondervermittler für den Nahen Osten, Premierminister Benjamin Netanjahu und Präsident Mahmud Abbas zu den ersten direkten Friedensverhandlungen zwischen Israel und der Palästinensischen Automiebehörde seit zwei Jahren zusammengesetzt. Anschließend traten die Gesprächsteilnehmer vor die Weltpresse und verkündeten, binnen eines Jahres ein Abkommen über die Gründung eines palästinensischen Staates und die endgültige Beilegung des Nahost-Konfliktes ausarbeiten und besiegeln zu wollen. Zu diesem Zweck sollen Abbas und Netanjahu alle zwei Wochen zusammenkommen, um über den Stand der Beratungen in den verschiedenen gemeinsamen Arbeitsgruppen zu diskutieren. Das erste dieser Treffen ist bereits auf den 13. und 14. September im ägyptischen Badeort Scharm El Scheich terminiert worden.

Um die Bedeutung der Nahost-Friedensverhandlungen für seine Regierung zu unterstreichen, hatte Obama den Auftakt in Washington groß inszeniert. Am Vorabend, dem 1. September, empfing er Abbas, Netanjahu, den ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak und den jordanischen König Abdullah, deren beide Staaten Israel anerkennen und mit ihm schon vor Jahren Friedensabkommen beschlossen haben, und Tony Blair, den Sonderbeauftragten des Nahost-Quartetts, im Weißen Haus, trat gemeinsam mit ihnen vor die Presse und würdigte sie mit einem Staatsbanquett. Die Inszenierung läßt vielleicht auf den guten Willen Obamas schließen, täuscht jedoch nicht über die Hindernisse hinweg, die einem Abschluß eines Friedensvertrages, der diesen Namen verdient, im Wege stehen.

Am 26. September läuft ein freiwilliger Baustopp der israelischen Regierung für jüdische Siedlungen im besetzten Westjordanland ab. Netanjahu will ihn aus Rücksicht auf die Befindlichkeiten seiner Partner in der rechtskonservativen Regierung Israels nicht verlängern. Der tödliche Überfall von Hamas-Kämpfern auf vier Siedler am 31. August auf der Westbank macht ein Nachgeben Netanjahus in dieser Frage schwer bis unmöglich. Die Palästinenser haben ihrerseits erklärt, daß sie sich sofort von den Verhandlungen zurückziehen werden, sollte der Bau jüdischer Siedlungen wieder aufgenommen werden. In der israelischen Regierung scheint es auch Uneinigkeit in der Jerusalem-Frage zu geben. Hatte Israels Verteidigungsminister und Ex-Premierminister Ehud Barak von der Arbeitspartei in einem am 31. August bei der Tageszeitung Haaretz erschienenen Artikel noch erklärt, die Palästinenser könnten eventuell den Teil Ostjerusalems, in dem die Araber die Bevölkerungsmehrheit stellen, zur Hauptstadt ihres künftigen Staates erklären, so wurde diese Anregung von einem Mitarbeiter Netanjahus sofort als indiskutabel abgetan. In einem Bericht des Londoner Guardian vom 2. August äußerte sich der Netanjahu-Berater wie folgt: "Wir vertreten die Position, daß Jerusalem die ungeteilte Hauptstadt Israels bleibt."

Im Unterschied zu Netanjahu, der in seiner harten Haltung von einem Gutteil der eigenen Landsleute unterstützt wird, sind die Schwierigkeiten Mahmud Abbas' ungleich größer. Der palästinensische Präsident leidet unter einem schweren Legitimitätsdefizit. Die letzten Parlamentswahlen hat Abbas' Fatah 2006 an die islamische Hamas-Bewegung verloren. Doch weil der Westen den Ausgang der Wahl nicht anerkennen wollte, regiert auf der Westbank weiterhin die Fatah, während die Hamas im Gazastreifen, dessen Bevölkerung die Israelis mit Belagerungstaktiken in die Knie zu zwingen versuchen, das Sagen hat. Hinzu kommt, daß Abbas' Amtszeit als Präsident vor einem Jahr offiziell abgelaufen ist. Er gilt als Präsident, nur weil der Westen ihn und die Fatah als Alternative zur Hamas braucht. Vor diesem Hintergrund dürfte es Abbas und der Fatah schwer bis unmöglich sein, der eigenen Bevölkerung ein Abkommen mit Israel zu verkaufen, das von vielen Palästinensern als ungerecht und einseitig empfunden würde.

Im palästinensischen Lager sind es daher nicht nur die Hamas-Anhänger, die mit einem Scheitern der Friedensverhandlungen rechnen. Auch innerhalb der Fatah-Führung herrscht offenbar große Skepsis darüber. Dies zeigen jüngste Äußerungen von Mohammed Dahlan. In einem am 2. August bei der israelischen Zeitung Jerusalem Post erschienenen Artikel prognostizierte der Abbas-Vertraute für die Friedensverhandlungen das "Scheitern", weil die USA nicht bereit wären, die Israelis zu Zugeständnissen zu zwingen. Er warf dem US-Sonderbotschafter Mitchell vor, seine "Primäraufgabe als Vermittler" aufgegeben und sich in "Netanjahus PR-Vertreter" verwandelt zu haben. Dahlan, der früher Abbas' Nationaler Sicherheitsberater war und der seit Jahren als CIA-Verbindungsmann und wichtiger Gesprächspartner Washingtons innerhalb der palästinensischen Autonomiebehörde gilt, gab sich davon "überzeugt", daß die Amerikaner "hauptsächlich daran interessiert" seien, "Netanjahu und die Israelis zufriedenzustellen", statt den Friedensprozeß zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Die Verhandlungen würden "keinen Frieden bringen, weil in den entscheidenden Fragen die eine Seite [Israel] von ihrer bisherigen Position nicht abweichen" werde.

Laut Dahlan hätten die Amerikaner die palästinensische Autonomiebehörde unter enormen Druck gesetzt, an den direkten Verhandlungen mit Israel teilzunehmen, und dabei Versprechungen gemacht, die sich später vermutlich als leeres Gerede herausstellen würden. In diesem Zusammenhang sprach er von "internen Konflikten" innerhalb der Obama-Regierung und monierte das "Scheitern Mitchells, Netanjahu in irgendeinem Bereich zu Zugeständnissen zu bewegen". Nach Angaben von Dahlan hat Abbas lediglich auf Bitten der Arabischen Liga an den Gesprächen teilgenommen und nicht, weil er sie wirklich für sinnvoll oder erfolgversprechend hält. Die Ausführungen Dahlans lassen die These, die Nahost-Friedensverhandlungen seien nur eine Inszenierung der Amerikaner und Israelis, mittels derer Washington und Tel Aviv ihre aggressive Haltung gegenüber dem Iran - siehe den sogenannten "Atomstreit" - kaschieren wollten, als plausibel erscheinen.

4. September 2010