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NAHOST/1035: Der Iran laßt Terrorverdächtigen aus den USA laufen (SB)


Der Iran laßt Terrorverdächtigen aus den USA laufen

Teheran im Vorfeld der Gepräche zum Atomstreit um Entspannung bemüht


Am 16. Oktober haben die iranischen Behörden den 71jährigen Geschäftsmann Reza Taghavi aus Kalifornien, der wegen Terrorverdachts 29 Monate im berüchtigten Teheraner Gefängnis Evin gesessen hatte, freigelassen. Die Entlassung Taghavis erfolgte einen Tag, nachdem die Regierung in Teheran die Einladung von Catherine Ashton, der außenpolitischen Vertreterin der Europäischen Union, zu Gesprächen im November in Wien zwecks Suche nach einer Beilegung des Streits um das iranische Atomprogramm angenommen hatte. Offenbar handelt es sich hier um eine Geste guten Willens, mit der Teheran für eine entspannte und produktive Atmosphäre im Vorfeld der Verhandlungen über das schwierige und heikle Thema sorgen will.

In einer Meldung der amerikanischen Nachrichtenagentur Associated Press vom 17. Oktober über die Freilassung Taghavis hieß es, dessen Fall habe "viel weniger internationale Aufmerksamkeit" als der der drei im letzten Jahr wegen Spionageverdachts an der Grenze zum Irak verhafteten, jungen amerikanischen Bergwanderer Sarah Shourd, Josh Fattal und Shane Bauer erregt. Die Gründe für diesen Umstand liegen auf der Hand. Während sich Shourd, die wegen Krankheit im September auf Kaution freigelassen wurde und ausreisen durfte, Fattal und Bauer lediglich einen unerlaubten Grenzübertritt zuschulden haben kommen lassen - und das eventuell unwissentlich -, hat Taghavi einer Person im Iran 200 Dollar übergeben, die nachweislich in den schweren Bombenanschlag verwickelt gewesen ist, der am 12. April 2008 14 Besucher einer Moschee in der iranischen Stadt Schiras tötete und weitere 200 schwerverletzt zurückließ.

Die westlichen Medien haben vermutlich darauf verzichtet, aus der Inhaftierung Taghavis ein großes Ding zumachen, weil ein solches Vorgehen die Menschen in Nordamerika und Europa zu sehr vor Augen geführt hätte, in welchem Ausmaß in den letzten Jahren der Iran von "Terroranschlägen" heimgesucht wird, hinter denen die Regierung in Teheran die Geheimdienste der USA und Großbritannien vermutet. Als Handlanger der CIA und des MI6 funktionieren im iranischen Südosten die sunnitische Jundullah, die in den Opiumschmuggel verwickelt ist und Verbindungen zu Osama Bin Ladens Al-Kaida-"Netzwerk" unterhalten soll, im iranischen Kurdistan die PKK-Splittergruppe PJAK und in dem an die irakische Provinz Basra angrenzenden Südwesten der islamischen Republik arabische Dissidenten. Über die rege und verlogene Zusammenarbeit der angloamerikanischen Antiterrorkrieger mit "Terroristen" im Iran haben in den letzten Jahren unter anderem Seymour Hersh bei der Zeitschrift New Yorker, die Nachrichtenredaktion des US-Fernsehsenders ABC und Reese Ehrlich von der Zeitschrift Mother Jones berichtet. Genau vor einem Jahr hat die Jundullah ihren bisher schwersten Anschlag durchgeführt, als sie bei einem Treffen führender Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden mit Stammesältesten in der Provinz Sistan-Belutschistan 49 Menschen ums Leben brachte. Am 22. September dieses Jahres wurden in der nordwestlichen Stadt Mahabad zwölf Menschen getötet und Dutzende verletzt, als eine Bombe während einer Militärparade explodierte.

Reza Taghavi, der sowohl die amerikanische als auch die iranische Staatsbürgerschaft besitzt, will jedenfalls mit alledem nichts zu tun gehabt haben. Er hat stets behauptet, nicht gewußt zu haben, daß sowohl die Person im Iran, der er die 200 Dollar gegeben hat, als auch der Auftraggeber, ein Bekannter aus Kalifornien, der Gruppe Takavaran Tondar angehören. Diese unter monarchistischen Exiliranern in Kalifornien besonders aktive Gruppierung tritt ähnlich der Regierung der USA für einen "Regimewechsel" im Iran ein, weshalb sie allen Protesten aus Teheran zum Trotz von den amerikanischen Behörden bislang nicht verboten wurde. Nach dem Anschlag in Schiras vor zwei Jahren hatte die iranische Polizei mehrere Personen festgenommen, die zugaben, Tondar anzugehören und im Auftrag westlicher Geheimdienstsstellen den Anschlag durchgeführt zu haben. Nach einem Prozeß und einer Verurteilung wurden 2009 die drei Rädelsführer öffentlich hingerichtet.

Taghavi macht jedenfalls laut AP die "Terroristen, welche die Moschee in die Luft jagten", für sein Märtyrium verantwortlich und plant, nach der Rückkehr in die USA die Tondar auf Schadensersatz zu verklagen. Bewirkt hat die Freilassung Taghavis dessen Anwalt Pierre Prosper, der als der für Kriegsverbrechen zuständige Sonderbotschafter der Regierung George W. Bushs angehört hatte. Da Prosper die Behörden in Teheran von der Unschuld seines Mandanten überzeugen konnte, darf Taghavi künftig weiter in den Iran reisen, um dort seinen Geschäften nachzugehen und Verwandte zu besuchen. Immerhin nimmt er nicht nur schlechte Erinnerungen aus seiner Zeit im Gefängnis Evin mit nach Hause. Höhepunkt einer jeden Woche in der Gemeinschaftszelle, die er mit 33 anderen Männer teilte, war für Taghavi der Mittwochabend - da guckten alle zusammen die US-Agentenserie "24" mit dem Schauspieler Kiefer Sutherland in der Hauptrolle als Terroristenjäger Jack Bauer. Dies erzählte Taghavi am Tag nach seiner Freilassung im Interview mit dem US-Fernsehsender ABC.

18. Oktober 2010