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NAHOST/1156: Der Iran will angegriffen werden, so Hillary Clinton (SB)


Der Iran will angegriffen werden, so Hillary Clinton

US-Chefdiplomatin beschwört den großen Showdown mit den Mullahs



Die Arroganz des Westens und sein unersättliches Streben nach der Hegemonie im Nahen Osten erreicht dieser Tage neue Höhen bzw. Tiefen, je nachdem, wie man die Dinge beurteilt. Am 19. Juni kam es in der Nordsee beinahe zu einem internationalen Eklat, als sich die britische Marine anschickte, einen mit russischem Kriegsgerät für die syrischen Streitkräfte beladenen Frachter aufzubringen. Statt es darauf ankommen zu lassen, drehte der Kapitän der in Curacao registrierten MV Alaed ab und nahm Kurs auf den Herkunftshafen Murmansk. Die Bemühungen der Briten um ein Waffenembargo in Syrien gilt offenbar nur den Truppen Baschar Al Assads. Wie german-foreign-policy.com ebenfalls am 19. Juni berichtete, läuft über die libanesische Hafenstadt Tripoli der Nachschub an Kriegsmaterial und ausländischen Kämpfern, die meisten von ihnen salafistische Mudschaheddin à la Al Kaida, welche der sunnitischen Moslembruderschaft Syriens helfen wollen, die Regierung in Damaskus zu stürzen, nicht nur auf Hochtouren, sondern unter der Aufsicht der deutschen Marine und anderer Schiffe der NATO, die dort den Waffenschmuggel eigentlich stoppen sollten.

Aus Syrien werden heftige Kämpfe und inzwischen im Schnitt rund 100 Tote täglich gemeldet. Das, was die USA und ihre Verbündeten, darunter Saudi-Arabien, Katar und die Türkei, in Syrien verfolgen, hat noch im Mai in der Zeitschrift "Foreign Policy" der Nahost-Experte Joshua Landis von der University of Oklahoma, der viele Jahre in Damaskus verbracht hat, als "Regimewechsel durch Bürgerkrieg" beschrieben. Bestätigung für diese These lieferte am 21. Juni die New York Times. Demnach entscheiden CIA-Agenten an der türkisch-syrischen Grenze, wer von den Assad-Gegnern militärische Unterstützung erhält. Auf diese Weise will man verhindern, daß die Waffen aus den Beständen Katars und Saudi-Arabiens - aber vermutlich noch mit Made in the USA auf der Verpackung - in die Hände von "Terroristen" gelangen. Am 22. Juni narrte Barack Obamas Verteidigungsminister, Ex-CIA-Chef Leon Panetta, die Weltöffentlichkeit mit der Behauptung, die USA hätten sich noch nicht durchgerungen, die militanten Regierungsgegner in Syrien zu bewaffnen.

Das anhaltende Blutvergießen in Syrien und die Aussicht, die Familie Assad bald auf ähnlich brutale Weise wie letztes Jahr den Klan Muammar Gaddhafis auf den Müllhaufen der Geschichte zu verbannen, sind vermutlich der Grund, warum am 18. und 19. Juni in Moskau die dritte und voraussichtlich letzte Verhandlungsrunde zwischen dem Iran und der Gruppe 5+1 - den fünf UN-Vetomächten China, Frankreich, Großbritannien, Rußland, USA plus Deutschland - zum Thema "Atomstreit" so kläglich gescheitert ist. Presseberichten zufolge könnte wegen der Weigerung vor allem der Vertreter Washingtons, das prinzipielle Recht der islamischen Republik Iran als Unterzeichnerstaat des Atomwaffensperrvertrags auf die Anreicherung von Uran anzuerkennen, keine diplomatische Lösung gefunden werden. Doch wahrscheinlich war seitens der Regierung Barack Obamas, die in der Iran-Politik unter enormem Druck Israels und der zionistischen Lobby in den USA steht, auch keine Einigung erwünscht.

In einem aufschlußreichen Artikel, der am 14. Juni bei der Politzeitschrift Atlantic erschienen ist, hat Robert Wright der Obama-Regierung vorgeworfen, die Entwicklung am Persischen Golf "in Richtung Krieg treiben zu lassen". Dem Iran droht in Syrien im Falle des Untergangs des Baath-Regimes Baschar Al Assads der Verlust seines engsten Verbündeten. Wegen des Scheiterns der Verhandlungen mit der P5+1-Gruppe treten Anfang Juli drakonische Sanktionen der USA und der EU in Kraft, die den Verkauf von iranischem Öl und Gas schwer bis unmöglich machen werden. Man muß davon ausgehen, daß Teheran nicht bereit sein wird, diese beiden Entwicklungen tatenlos hinzunehmen. Seit einigen Wochen gibt es Meldungen, wonach Personal der iranischen Revolutionsgarden bereits in Syrien unterwegs ist, um die Kameraden der staatlichen Streitkräfte dort bei der Aufstandsbekämpfung zu unterstützen.

Da zugleich westliche Spezialstreitkräfte an der Seite ihrer dschihadistischen Handlanger unterwegs sein sollen, scheint der lange befürchtete militärische Showdown zwischen den USA und dem Iran bereits in Ansätzen angefangen zu haben. Vermutlich deshalb versucht man jetzt den Iranern die Schuld für das kommende Inferno in die Schuhe zu schieben. So hat am 21. Juni in weiser Voraussicht US-Außenministerin Hillary "Assad muß weg" Clinton im Interview mit Charlie Rose vom Fernsehsender PBS die Legende in die Welt gesetzt, die Iraner wollten angegriffen werden, "weil es die iranische Öffentlichkeit einigen und das islamische Regime legitimieren" würde. Die USA haben den Sturz ihres geliebten Schahs von Persien Mohammed Reza Pahlavi im Jahr 1979 immer noch nicht überwunden und weigern sich deshalb bis heute, dessen Nachfolger und ihre schiitisch geprägte Staatsform anzuerkennen. Und weil die Mullahs darauf insistieren, den USA auf gleicher Augenhöhe zu begegnen und sich nicht mit einem Vasallenstatus abgeben, will Washington sie unbedingt weghaben - koste es, was es wolle.

23. Juni 2012