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NAHOST/1270: Sunnitisch-schiitische Kämpfe im Jemen aufgeflammt (SB)


Sunnitisch-schiitische Kämpfe im Jemen aufgeflammt

Nordjemen erneut Schauplatz der Rivalität zwischen Teheran und Riad



Während der Bürgerkrieg in Syrien auf hohem Niveau tobt, die Anschläge im Irak zunehmen und sich die politische Instabilität des Libanons verschärft, wird der Jemen erneut von demselben sunnitisch-schiitischen Konflikt erfaßt, der Tod und Zerstörung über die Nahost-Region bringt und der zu einem nicht geringen Teil auf die Rivalität zwischen Saudi-Arabien und dem Iran zurückzuführen ist. In der nordjemenitischen Stadt Damaj sind Ende Oktober zwischen schiitischen Huthi-Milizionären und sunnitischen Salafisten blutige Kämpfe ausgebrochen, die mehr als 100 Menschenleben forderten und die trotz eines vereinbarten Waffenstillstands immer noch nicht richtig abgeebbt sind.

Jahrhundertelang lebten die Schiiten des nördlichen Jemens, die Zaiditen, im eigenen Imamat. 1962 wurde das religiöse Fürstentum zerschlagen und die Region vom Staat Nordjemen einverleibt. Als der Nordjemen unter Präsident Ali Abdullah Saleh 1994 den einst sozialistischen Südjemen unterjochte, geschah dies in Absprache mit Saudi-Arabien und mit der Hilfe Tausender Ex-Mudschaheddin des Afghanistankrieges. Im Zuge der gewaltsamen Vereinigung kam es im Jemen zu einer Stärkung der salafistischen Strömung des Sunnitentums, was wiederum Widerstand im einst säkularen Süden und bei den Schiiten im Norden des Jemens auslöste. 2004 brach ein heftiger, jahrelanger Aufstand der Schiiten Nordjemens, die man in Anlehnung an die mächtigste Familie dort Huthi-Rebellen nennt, aus. 2009 startete die jemenitische Regierung eine Großoffensive gegen die Schiiten in der nördlichen Provinz Saada, die an Saudi-Arabien grenzt. Auf Seiten der Truppen Sanaas nahmen Saudi-Arabien mit Bodentruppen und die USA mit Kampfjets mit der Begründung an dem Militärschlag teil, daß die Huthi-Rebellen eine fünfte Kolonne Teherans seien und Waffen und militärische Unterstützung vom Iran sowie von der libanesischen Hisb-Allah-Miliz bekämen.

2011 fanden im Zuge des Arabischen Frühlings auch im Jemen Massenproteste statt, die den autoritär regierenden Saleh zum Rücktritt als Staatsoberhaupt zwangen. An der Demokratiebewegung im Jemen nahmen säkulare Kräfte im Süden und die Schiiten im Norden aktiv teil. Seitdem haben die Huthis in der Provinz Saada und in der gleichnamigen Hauptstadt mehr oder weniger das Sagen. Stammesälteste haben Faris Manaa, einen schiitischen Waffenhändler, als Gouverneur von Saada eingesetzt. Vermutlich weil die Zentralregierung um Salehs Nachfolger als Präsident, Abed Rabbo Mansur Hadi, mit den noch anhaltenden Abspaltungstendenzen im Süden und mit den Angriffen der Ansar Al Scharia und Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel (Al-Qaeda in the Arabian Peninsula - AQAP) genug zu tun hat, läßt sie die Schiiten im Norden vorerst gewähren.

Worauf der jüngste Gewaltausbruch zurückführen ist, läßt sich von außen schwer beurteilen. Im Mittelpunkt der Ereignisse steht eine sunnitische Schule in der Stadt Damaj namens Dar Al Hadith. Die Huthis werfen der Schulleitung vor, unter dem Vorwand der theologischen Ausbildung Tausende salafistische Kämpfer in die Region geholt zu haben. In einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters vom 31. Oktober wurde ein Mitglied des Vermittlerteams, das Präsident Hadi zur Beilegung der Kämpfe nach Damaj entsandt hatte, dahingehend zitiert, daß die Huthis die Schule Dar Al Hadith mit schweren Waffen angegriffen und die "Salafisten" dort damit "überrascht" hätten. Die Wortwahl läßt darauf schließen, daß der Verdacht der Huthis nicht unbegründet war und daß die Salafisten in der Tat eine neue Offensive gegen die Schiiten Nordjemens vorbereiteten.

Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel hat ihrerseits in einer im Internet veröffentlichten Videobotschaft den Huthis Vergeltung wegen ihrer "Verbrechen gegen das sunnitische Volk" angekündigt. Dies meldete Reuters am 13. November unter Berufung auf den jemenitischen Journalisten Abdul Razza al-Jamal. In der Erklärung stellte AQAP-Sprecher Harith bin Ghazi Al Nadhari die Ereignisse von Damaj in eine Reihe mit den Angriffen syrischer Regierungstruppen auf die Rebellenhochburg Homs und mit der Belagerung des palästinensischen Gazastreifens durch die israelischen Streitkräfte. Es steht zu befürchten, daß die Kämpfe zwischen Sunniten und Schiiten im Jemen in eine neue Runde gehen.

15. November 2013