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NAHOST/1302: Lösung des Streits um Irans Atomprogramm in Gefahr (SB)


Lösung des Streits um Irans Atomprogramm in Gefahr

Politische Großwetterlage bedroht Versöhnung zwischen USA und Iran



Von der großen Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, laufen die Expertengespräche, mittels derer eine Lösung des jahrelangen Streits um das iranische Atomprogramm erzielt werden soll, auf Hochtouren. Medienberichten sowie Äußerungen von Vertretern der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) zufolge kommen die Fachleute gut voran; das umfassende Abkommen, das bis zum 20. Juli unterschriftsreif vorliegen soll, ist bereits zu 60 Prozent fertig. Leider läßt eine Verschlechterung der politischen Rahmenbedingungen befürchten, daß die Hoffnungen auf einen historischen Durchbruch und ein Ende der Konfrontation zwischen den USA und dem Iran nicht in Erfüllung gehen werden.

In den USA und in Israel legen die Hardliner die beiden Entscheidungen von Barack Obama, im September 2013 den angedrohten Raketenangriff gegen die syrischen Streitkräfte abzublasen und statt dessen den Vorstoß von Damaskus zum Verzicht auf sein komplettes Chemiewaffenarsenal zu akzeptieren, sowie zwei Monate später im Rahmen der Gespräche der Gruppe P5+1 - die UN-Vetomächte China, Frankreich, Großbritannien, Rußland, die USA plus Deutschland - ein Interimsabkommen, den sogenannten Joint Action Plan (JPA), mit dem Iran, abzuschließen, als krasse Fehler aus, welche der Führungsposition der Vereinigten Staaten schwer geschadet hätten. Als Beleg für ihre These verweisen sie auf die Lage in Syrien, wo das "Regime" Baschar Al Assads mit Hilfe des Irans und der libanesischen Hisb-Allah-Miliz militärisch auf dem Vormarsch ist, auf die Annektierung der Krim durch Rußland und das Aufkommen eines neuen "Kalten Krieges" infolge des Streits um die Zukunft der Ukraine.

Die konservative israelische Regierung um Premierminister Benjamin Netanjahu, der seit Jahren wie sonst niemand die Weltöffentlichkeit von einer angeblich vom iranischen Kernenergieprogramm ausgehenden Bedrohung zu überzeugen versucht, hat ihrerseits einen wichtigen Beitrag zur Schaffung des Bildes von Obama als außenpolitischem Versager geleistet, indem sie die monatelangen, von US-Außenminister John Kerry begleiteten Friedensverhandlungen mit den Palästinensern zum Scheitern gebracht hat. Erstens haben die Israelis während der Gespräche demonstrativ den jüdischen Siedlungsbau im besetzten Westjordanland und Ostjerusalem nicht eingestellt, sondern vorangetrieben, zweitens haben sie sich geweigert, eine Übereinkunft über die Freilassung von mehr als einhundert arabischen Häftlingen zu erfüllen.

Während die Obama-Administration die Israelis durch die Zusicherung, wonach die militärische Option in Bezug auf das angeblich existierende "Atomwaffenprogramm" des Irans weiterhin "auf dem Tisch" sei, zu beruhigen versucht, muß sie sich permanent mit Vorstößen seitens des Kongresses in Washington, die Verhandlungen mit dem "Mullah-Regime" in Teheran zum Scheitern zu bringen, herumplagen. Gerade vor wenigen Tagen konnte das Weiße Haus eine Gesetzesinitiative der beiden Senatoren aus New Jersey und Illinois, dem Demokraten Robert Menendez und dem Republikaner Mark Kirk, die noch drastischere Wirtschaftssanktionen gegen den Iran bedeutet hätten, zu Fall bringen. Menendez und Kirk behaupteten, der Iran würde zuviel Öl exportieren und damit gegen die Vereinbarung vom vergangenen November verstoßen. Dies ist natürlich Humbug, denn das Interimsabkommen schränkt die Ölexporte der Islamischen Republik nicht ein. Eigentlich müßten die Iraner sich beschweren. Sie haben, wie vereinbart, die Urananreicherung stark zurückgefahren und sämtliche Nuklearanlagen für verstärkte Kontrollbesuche der IAEA-Inspekteure geöffnet. Den versprochenen Zugang zu gesperrten Guthaben des iranischen Staates auf ausländische Konten bekommen sie dennoch kaum, vor allem weil die beteiligten Banken zuviel Angst vor eventuellen Strafmaßnahmen des Kongresses und des Finanzministeriums in Washington haben.

Seit mehreren Tagen regen sich die Iranophoben in Repräsentantenhaus und Senat über die Ernennung Hamid Abutalebis zum UN-Botschafter des Irans fürchterlich auf. Sie werfen dem 56jährigen Diplomaten, der als gemäßigter Reformer gilt und der bereits als Botschafter des Irans in Australien, Belgien und Italien gearbeitet hat, eine Mitverantwortung für die 444tägige Geiselnahme an der US-Botschaft in Teheran vor. Obwohl Abutalebi nach eigenen Angaben nicht in die Erstürmung der Botschaft Ende 1979 involviert war und lediglich im Verlauf der Geiselnahme einige Texte für die beteiligten Studenten übersetzte, hat der Senat am 7. April mit überwältigender Mehrheit einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der dem State Department verbieten soll, "Terroristen" vom Schlage Abutalebis ein Visum zur Einreise in die USA zu erteilen. Daraufhin erklärte Obamas Sprecher Jay Carney am nächsten Tag, die Entsendung Abutalebis zu den Vereinten Nationen in New York wäre "keine Option" mehr. Seinerseits hat das Außenministerium in Teheran am 9. April die Androhung Washingtons, Abutalebi die Einreise zu verunmöglichen, für "inakzeptabel" erklärt. Am 10. April warteten die iranischen Volksmudschaheddin (MEK), die der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad seit Jahren zur Verbreitung teheranfeindlicher Propaganda benutzt, mit der Geschichte, auf, Abutalebi sei ein Mörder, denn er wäre als Botschafter in Italien in das tödliche Attentat auf den iranischen Exilpolitiker Mohammed Hossein Nagdhi am 16. März 1993 verwickelt gewesen. Zur Untermauerung ihrer Behauptung hat die MEK keinerlei Belege vorgelegt.

Parallel zum Streit um Abutalebi spielt die Obama-Regierung den Fortschritt bei den Atomgesprächen auffällig herunter. Nach einem zweitägigen Treffen in Wien am 8. und am 9. April gaben sich die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, der iranische Außenminister Mohammad Zarif und Rußlands Stellvertretender Außenminister Sergei Rjabkow mit der bisherigen Arbeit in den Expertengruppen höchst zufrieden und zuversichtlich, daß aus der am 13. Mai beginnenden Verhandlungsrunde das endgültige Abkommen hervorgehen dürfte. Gleichzeitig ließ ein nicht namentlich genanntes Mitglied der US-Delegation über die Nachrichtenagentur Reuters verlautbaren, daß es noch "signifikante" Meinungsunterschiede gebe, die noch ausgeräumt werden müßten, und stellte die Aussicht auf Erfolg in Zweifel.

Die Verhandlungen könnten sehr wohl scheitern, sollte die Obama-Regierung aufgrund des Drucks seitens Israels und des Kongresses zusätzliche Forderungen erheben, die über eine Begrenzung und strenge Kontrolle des iranischen Atomenergieprogramms hinausgehen. Der Iran hat bereits klargestellt, daß der Versuch, das Thema seiner konventionellen Waffen, insbesondere seines ballistischen Raketenarsenals, in die Verhandlungen aufzunehmen, zu einem Abbruch der Gespräche führen könnte. Meldungen, wonach Moskau mit Teheran über ein Tauschgeschäft im Wert von 15 bis 20 Milliarden Dollar - Öl und Gas aus dem Iran gegen Lebensmittel und Industrieprodukte aus Rußland - diskutieren, werden von den Verhandlungsgegnern eifrig aufgegriffen und als Beweis für die angebliche Perfidie des Kremlchefs Wladimir Putin ausgelegt. Einen Blick auf die explosive Lage in der Ukraine genügt, um zu begreifen, daß bis zum 20. Juli noch vieles in der internationalen Politik geschehen kann. Es wäre zu wünschen, daß die USA und der Iran bis dahin den wichtigsten Schritt zur Versöhnung unternommen haben. Leider scheinen diejenigen, die seit 35 Jahren von der Konfrontation am Persischen Golf profitieren, zu stark zu sein, als daß sie eine solche Entwicklung zulassen würden.

11. April 2014