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NAHOST/1384: Saudi-Arabien greift in den Bürgerkrieg im Jemen ein (SB)


Saudi-Arabien greift in den Bürgerkrieg im Jemen ein

Der Jemen geht den Weg des Iraks, Syriens und Libyens


Durch Bomben- und Raketenangriffe der Luftwaffe Saudi-Arabiens auf verschiedene Ziele im Jemen in den frühen Morgenstunden des 26. März ist der Konflikt dort in eine neue und gefährliche Phase getreten. Durch die Internationalisierung ist von einem Moment zum anderen aus einem kleinen Bürgerkrieg ein Regionalkonflikt geworden, dessen Eskalationspotential nicht unterschätzt werden darf. An der von den Saudis angeführten Militäroperation namens Entschlossener Sturm nehmen Kampfjets aus Bahrain, Ägypten, Jordanien, Kuwait, Katar, Marokko, dem Sudan und den Vereinigten Arabischen Emiraten teil. Riad hat zudem 150.000 Mann an Bodentruppen in Grenznähe in Alarmbereitschaft gesetzt, die bei einem Einmarsch in den Jemen von Verbänden aus Ägypten, Jordanien, Pakistan und Sudan unterstützt werden sollen. Desweiteren beteiligen sich die Marinestreitkräfte Ägyptens im Roten Meer und die Pakistans im Indischen Ozean an der von Riad verhängten Blockade aller jemenitischen Seehäfen.

Offizieller Anlaß der saudischen Militärintervention war der Vorstoß der schiitischen Huthi-Rebellen, deren Hochburg in der nördlichen Provinz Saada liegt, in Richtung Süden. Im vergangenen September hatten die Huthis, die ihre Bewegung Ansar Allah nennen und die angeblich vom Iran unterstützt werden, die Hauptstadt Sanaa eingenommen. Im Januar hatten sie Präsident Abd Rabbuh Mansur Hadi samt Kabinett unter Hausarrest gestellt und eine eigene Übergangsregierung eingesetzt. Im Februar war Hadi jedoch die Flucht in die südliche Metropole Aden gelungen, von wo aus er eine oppositionelle Front gegen die Huthis und die Streitkräfte des früheren langjährigen Präsidenten Ali Abdullah Saleh organisierte. Bei dem Vorhaben wurde Hadi von den Staaten des Golf-Kooperationsrats - Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate - unterstützt.

In den vergangenen Tagen waren die Huthis und der Saleh-treue Teil der jemenitischen Armee von Sanaa aus immer weiter in den Süden eingedrungen, während sich in Aden Hadis Anhänger mit Spezialstreitkräften unter dem Kommando von General Abdel Hafes Al Sakkaf, einem Vertrauensmann Salehs, Kämpfe lieferten. Nach einem Mehrfachselbstmordanschlag sunnitischer Salafisten auf zwei schiitische Moscheen in Sanaa, der am 20. März mehr als 140 Menschen das Leben kostete, hatten die Huthis eine allgemeine Mobilmachung angeordnet. Zusammen mit der ehemaligen Republikanischen Garde Salehs eroberten sie am 21. März Taizz, die drittgrößte Stadt des Jemens, die 334 Kilometer südlich von Sanaa und 179 Kilometer nördlich von Aden liegt. Im Gouvernment Taizz, knapp 107 Kilometer westlich von der gleichnamigen Hauptstadt entfernt, liegt die Hafenstadt Mokka, von wo aus man die nördliche Seite der für den Welthandel und internationalen Schiffsverkehr enorm wichtigen Meeresenge Bab al-Mandab kontrollieren kann. Aus dem gleichen Grund ist Aden, die berühmte Hafenstadt am Indischen Ozean unweit des südlichen Eingangs zum Roten Meer, von großer strategischer Bedeutung.

In der westlichen und arabischen Presse wird daher seit Tagen die drohende Einnahme Adens durch die Huthi-Rebellen und ihre Verbündeten dahingehend aufgebauscht, daß der Iran kurz davor stehe, die Kontrolle über den kürzesten Seeweg zwischen Mittelmeer und Indischem Ozean zu erlangen und damit ein ungeheures Druckmittel gegenüber der restlichen Welt in die Hand zu bekommen. Die Regierung Ägyptens in Person ihres Botschafters im Jemen, Jussef Al Scharkawi, hatte bereits vor Tagen klargestellt, daß es sich hier um eine "rote Linie" handele, deren Überschreiten Kairo nicht hinzunehmen bereit sei. Vor diesem Hintergrund war es nur eine Frage der Zeit, bis die ausländischen Gegner der Huthis und Salehs den Rufen Hadis nach ausländischer Hilfe folgen und aktiv in den Bürgerkrieg im Jemen eingreifen würden.

Beim nächtlichen Luftangriff der internationalen Anti-Huthi-Koalition auf Sanaa und die dort befindlichen Militärstützpunkte sollen 18 Zivilisten und eine unbekannte Anzahl von Soldaten und Milizionären ums Leben gekommen sein. Nach Angaben des saudischen Nachrichtensenders Al-Arabiya befanden sich unter den Getöteten mehrere Führungspersönlichkeiten der Ansar-Allah-Bewegung. Namentlich wurden Abdul Khalik Al Huthi, Jussuf Al Madani und Jussuf Al Fischi genannt. Mohammed Ali Al Huthi, Leiter des Revolutionären Komitees der Huthis, soll verwundet worden sein. Ob es sich hier um eine Tatsache oder eine Propagandameldung Riads handelt, wird man erst in den kommenden Tagen feststellen können.

Über den Aufenthalt von Hadi gibt es widersprüchliche Meldungen. Einem unbestätigten Bericht der Online-Ausgabe des Wall Street Journal zufolge hat der Noch-Präsident Aden am 25. März mit dem Boot verlassen und sich auf dem Seeweg in die 543 Kilometer östlich gelegene Hafenstadt Al Mukalla begeben. Anschließend soll er mit dem Auto zur Grenze gefahren sein und im Nachbarland Oman erfolgreich um Asyl gebeten haben. Möglicherweise um sich als neutralen Ort für Friedensgespräche anzubieten, nimmt Oman, obwohl Mitgliedsstaat des Golf-Kooperationsrates, an der Operation Entschlossener Sturm bislang nicht teil.

Währenddessen sollen mehrere hundert saudische Spezialstreitkräfte in Aden gelandet sein, wo sie den dortigen internationalen Flughafen gegen den Widerstand der Truppen um General Al Sakkaf zu besetzen versuchen. Die Regierung in Riad behauptet, die große Militärintervention, die nach Angaben Washingtons auch von den USA logistisch und nachrichtentechnisch begleitet wird, diene ausschließlich der Wiederherstellung der legitimen staatlichen Ordnung. Der Iran sieht die Dinge anders und hat die saudische Aktion verurteilt. Im Interview mit dem iranischen Fernsehsender Al-Alam rief Außenminister Javad Sarif die jemenitischen Streitparteien zum Dialog auf und warnte, die Gewalteskalation würde nur zu mehr Leid und Tod führen und den Fanatikern von Al Kaida auf der arabischen Halbinsel sowie dem Islamischen Staat (IS) Auftrieb verleihen.

26. März 2015


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