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NAHOST/1392: Saudi-Arabiens Muskelspiel im Jemen birgt Risiken (SB)


Saudi-Arabiens Muskelspiel im Jemen birgt Risiken

Huthi-Rebellen nach vier Wochen Luftangriffen unbeeindrückt


Vor einem Monat begann die Militärintervention Saudi-Arabiens und seiner Verbündeten - Bahrain, Ägypten, Jordanien, Katar, Kuwait, Marokko, Sudan, die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emiraten und die USA - im Jemen. Das Ziel von Operation Entscheidender Sturm, die Wiedereinsetzung von Präsident Abd Rabbuh Mansur Hadi, der sich in Riad aufhält, erscheint dennoch ferner denn je. Die täglichen Bombardements der von den Saudis angeführten Koalition scheinen den Widerstand der schiitischen Huthi-Rebellen, die im Januar Hadi samt Kabinett gewaltsam zum Rücktritt gezwungen hatten, nicht vermindert, sondern verstärkt zu haben. Will die saudische Königsfamilie keinen Gesichtsverlust erleiden, muß sie den Einsatz im Jemen eventuell erhöhen und die angedrohte Bodenoffensive verwirklichen. Doch ein solches Vorgehen brächte große Gefahren und Risiken mit sich.

Den jüngsten UN-Angaben zufolge hat die Zahl der durch die Luftangriffe getöteten Personen, von denen die meisten Zivilisten, darunter viele Frauen und Kinder, sind, die 1.000er-Marke überschritten. Mehr als 4.000 Menschen sind zum Teil schwer verletzt worden. Bei den Luftangriffen sind nicht nur Stützpunkte und Waffendepots, sondern auch staatliche Lebensmittellager zerstört worden. Gleichzeitig gelangen aufgrund der von den Kriegsmarinen Ägyptens und Saudi-Arabiens durchgesetzten Hafenblockade keine Lebensmittel mehr in den Jemen, der normalerweise 90 Prozent des Nahrungsbedarfs seiner 25 Millionen Einwohner durch Importe deckt. Zudem werden Medikamente, Treibstoff und Wasser knapp. Es droht eine humanitäre Katastrophe ungeheuren Ausmaßes.

Auch wenn die ausländische Militärintervention im Jemen von den USA militärische - Satellitenaufklärung, Kommunikation und Luftbetankung - und diplomatische Unterstützung findet, herrscht in Washington in Bezug auf die Krise im Südwesten der Arabischen Halbinsel eher Skepsis als Begeisterung vor. Am 17. April berichtete Mark Perry für den arabischen Fernsehsender Al Jazeera, daß die Mehrheit der Offiziere der für verschiedene Spezialoperationen im Nahen Osten zuständigen Kommandos CENTCOM und SOCOM glauben, daß die saudische Militärintervention "zum Scheitern verurteilt" sei "und sich recht schnell in ein Fiasko" verwandeln könnte.

Die Militärs, mit denen Perry gesprochen hat, bedauerten die Angriffe auf die Huthis, weil sich diese bislang als die effektivsten Gegner von Al Kaida im Jemen erwiesen haben. (Interessanterweise hat Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) die Kriegswirren im Jemen Mitte April genutzt, um die Hafenstadt Mukalla samt Flughafen und Ölraffinerie im Osten des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen, zahlreiche gefangengehaltene Gesinnungsgenossen zu befreien und eine größere Menge Waffen zu erbeuten.) Das Argument Saudi-Arabiens und Israels, die Huthis seien die Handlanger des Irans, weswegen ihnen Einhalt geboten werden müsse, tat der Jemen-Experte und Militärberater Michael Horton im Al-Jazeera-Bericht als "Unsinn, der dem Weltbild der Neokonservativen entspringt", ab.

Für die in den arabischen und westlichen Medien vielkolportierte These, die Huthis erhielten Waffen und Geld aus Teheran, hat es bislang keinen einzigen konkreten Beweis gegeben. Am 20. April berichtete Akbar Shahid Ahmed in der Onlinezeitung Huffington Post unter Berufung auf Erkenntnisse der US-Geheimdienste sogar, daß die Iraner den Huthi-Rebellen im September vergeblich davon abgeraten haben, das Machtvakuum in Sanaa auszunutzen und die jemenitische Hauptstadt zu besetzen. Wenngleich einige iranische Kriegsschiffe vor der Küste des Jemens am Indischen Ozean Posten bezogen haben, wo sie von der Flugzeugträgerflotte um die U. S. S. Theodore Roosevelt unter schärfster Beobachtung gehalten werden, tut sich Teheran in der aktuellen Krise als selbsternannter Friedensvermittler hervor. Die Regierung um Präsident Hassan Rohani hat dem UN-Sicherheitsrat und den Streitparteien einen Vier-Punkte-Plan zur Beilegung des Konflikts vorgelegt, der eine sofortige Feuerpause, humanitäre Hilfsmaßnahmen für Kriegsversehrte und Bedürftige, eine Wiederbelebung des innerjemenitischen Dialogs sowie die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit vorsieht.

Saudi-Arabien hat den Vorschlag des iranischen Hauptfeindes als nicht annehmbar zurückgewiesen. Gleichzeitig scheint man in Riad unschlüssig zu sein, wie nach vier Wochen Dauerbombardement die Offensive gegen die Huthis zum Erfolg geführt werden kann. Eine Woche, nachdem der UN-Sicherheitsrat ein Waffenembargo über den Jemen verhängt hat, verkündete die saudische Regierung am 21. April, Operation Entscheidender Sturm sei nach Erreichen aller Ziele beendet worden, ihr folge nun die die Antiterroroperation Wiederherstellung der Hoffnung. Wie letztere Maßnahme aussehen soll, weiß derzeit niemand. Schließlich wurden die bisherigen Luftangriffe am 22. April fortgesetzt.

Es gibt Anzeichnen, daß König Salman, der erst im Januar seinem Bruder Abdullah auf den saudischen Thron gefolgt war, der Nationalgarde den Befehl geben könnte, am Boden an der Seite von Hadi-treuen Teilen der jemenitischen Streitkräfte in Aktion zu treten. Ob eine solche Streitmacht in der Lage ist, die kriegserprobten Huthi-Rebellen und den Teil der jemenitischen Streitkräfte, die weiterhin dem langjährigen Präsidenten Ali Abdullah Saleh die Treue halten, in die Knie zu zwingen, ist fraglich. Nicht ohne Grund hat sich Pakistan, sehr zum Mißfallen Riads, geweigert, Bodentruppen zur Teilnahme am Anti-Huthi-Feldzug Saudi-Arabiens zu entsenden. Die saudische Monarchie hat im Jemen eine Aktion gestartet, welche die Herrschaft im eigenen Land sichern sollte, dem Königshaus jedoch schwer schaden könnte.

24. April 2015


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