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NAHOST/1573: Saif Al Gaddhafi will 2018 Präsident Libyens werden (SB)


Saif Al Gaddhafi will 2018 Präsident Libyens werden

Präsidentenwahl könnte die gesellschaftliche Spaltung vertiefen


In Libyen macht der UN-Sondergesandte Ghassan Salamé kaum Fortschritte, was die Umsetzung seiner sogenannten "Roadmap" zur Beilegung der politischen und wirtschaftlichen Krise in dem nordafrikanischen Land betrifft. Die Gespräche, die der ehemalige libanesische Kulturminister im September zwischen der in der westlichen Hauptstadt Tripolis sitzenden Regierung der Nationalen Einheit (Government of National Accord - GNA) um Premierminister Fayiz Al Sarradsch und dem im östlichen Tobruk angesiedelten Parlament (House of Representatives - HoR) anberaumt hatte, mußten nach nur einem Monat für gescheitert erklärt werden. Auch wenn die Bedingungen dafür derzeit nicht optimal aussehen, scheinen sich die verschiedenen politischen Akteure in Libyen auf die Parlaments- und Präsidentenwahlen vorzubereiten, die 2018 stattfinden sollen.

Als möglicher Kandidat für die Präsidentenwahl bringt sich jetzt schon Khalifah Hifter in Stellung. Der ehemalige General und Mitstreiter Muammar Gaddhafis war 1987 beim Krieg in Tschad in Gefangenschaft geraten. Nach der Freilassung drei Jahre später ging Hifter in die USA, um für die CIA die Rolle des Oppositionsführers im Exil zu spielen. 2011 kehrte er mit Hilfe Washingtons heim und nahm am Aufstand teil, der im Herbst desselben Jahres zum gewaltsamen Sturz des bisherigen "Regimes" und zum Lynchmord an Gaddhafi führte. Hifter hat sich dem HoR angeschlossen. In dessen Auftrag befehligt er im Rang eines Feldmarschalls die Überreste der staatlichen Streitkräfte, die sich heute Libysche Nationalarmee (LNA) nennen. Seit 2014 führt die LNA eine Offensive gegen islamistische Dschihadistengruppen wie Ansar Al Scharia und Islamischer Staat (IS) durch, weswegen deren Umtriebe im Osten Libyens auch stark zurückgegangen sind.

In Libyen herrscht die Meinung vor, Hifter wolle sich zum neuen starken Mann aufschwingen, eine Art Militärdiktatur wie diejenige Abdel Fatah Al Sisis im Nachbarland Ägypten errichten. Die offene militärische Unterstützung, die Hifter aus Kairo erfährt, trägt zur Verbreitung dieser Annahme bei. Das gleiche gilt für den Umstand, daß Hifter trotz mehrerer Treffen Al Sarradsch zu keinem Zeitpunkt wirklich ernst genommen und eine Zusammenarbeit mit dem nominellen Premierminister des Landes bislang ausgeschlagen hat. Am 17. Dezember hielt Hifter vor Tausenden von Anhängern in Benghazi eine Rede, in der er die Al-Sarradsch-Regierung für gescheitert erklärte und ihr jegliche Legitimität absprach. Statt dessen behauptete Hifter, den Willen "des freien libyschen Volkes" zur Geltung verhelfen zu wollen, was sich für viele Beobachter wie die Ankündigung einer eigenen Kandidatur bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr anhörte.

Möglicherweise könnte es Hifter im Wahlkampf mit einem mächtigeren Gegner als dem glücklosen Al Sarradsch, dessen Machtbereich kaum über einen Militärstützpunkt am Rande von Tripolis hinausreicht, zu tun bekommen. Am 18. Dezember erklärte der ehemalige Gaddhafi-Vertraute Basem Al Hashimi Al Soul, der seit 2011 in Kairo lebt, daß Saif, der Sohn des früheren Revolutionsführers, ebenfalls bei der Präsidentenwahl kandidieren werde. Gegenüber der Zeitung Egypt Today sagte Al Soul, der 44jährige Saif Al Gaddhafi genieße die Unterstützung der "großen Stämme" Libyens; als Präsident werde er seinen Landsleuten "Sicherheit und Stabilität" garantieren.

2011 war Saif Al Gaddhafi von der Abu-Bakr-Al-Sadik-Brigade in Zintan, im Landesinnern Libyens, verhaftet und dort sechs Jahre lang gefangengehalten worden. Wegen seiner Rolle bei angeblichen Gesetzesübertretungen im Rahmen der versuchten Niederschlagung des Aufstands 2011 wird gegen Gaddhafi jun. seitens des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag ermittelt. In derselben Angelegenheit hat 2015 ein Gericht in Tripolis Saif Al Gaddhafi in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Dessen ungeachtet haben die Zintaner ihn im vergangenen Juni auf Anweisung des HoR in Tobruk freigelassen. Seitdem hält er sich an unbekannten Orten auf. Man kann davon ausgehen, daß tatsächlich der Rückhalt für Muammar Gaddhafis Sohn und einst designierten Nachfolger unter den libyschen Stämmen groß ist. Viele Libyer wünschen sich einen Regierungschef, der das herrschende Chaos beendet. Doch das kann keine einzelne Person leisten, egal wie charismatisch oder militärisch stark sie ist, solange sich nicht die verschiedenen politischen Kräfte auf einen Modus vivendi einigen, dem man mit einer neuen Verfassung konkrete Form verleihen könnte. Davon sind die Libyer leider noch weit entfernt.

21. Dezember 2017


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