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NAHOST/1584: Riad - mit umgekehrten Vorzeichen ... (SB)


Riad - mit umgekehrten Vorzeichen ...


Mit großem Tamtam wurde vom 6. bis zum 8. März der Besuch des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman in Großbritannien begleitet. Behandelt wurde der 32jährige Thronfolger wie das Staatsoberhaupt, das er demnächst auch werden soll. Die Briten hatten für den saudischen Senkrechtstarter ein VIP-Programm der Sonderklasse aufgefahren: Nachmittagstee bei Königin Elizabeth II. im Buckingham Palace, Abendessen mit Prinz Charles und dessen Sohn Prince William, Besichtigung des Bunkers, von wo aus Winston Churchill den Zweiten Weltkrieg gegen Nazideutschland gewann, Stelldichein bei Theresa May in Number 10 Downing Street einschließlich Teilnahme an einer Sitzung des Sicherheitskabinetts sowie Empfang am Landsitz der britischen Premierministerin Chequers. Der Grund für die Sonderbehandlung Mohammeds ist einfach. Saudische Gelder stellen eine wichtige Lebensader der britischen Wirtschaft dar - sowohl der Rüstungsindustrie als auch des Finanzplatzes London. Nach dem Brexit, dem geplanten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (EU) im März 2019, soll das auch so bleiben.

Die Beziehungen Großbritanniens zu Saudi-Arabien sind tief. Ohne die diplomatische und militärische Geburtshilfe der Briten im Ersten Weltkrieg und in den Jahren danach gäbe es Saudi-Arabien in seiner heutigen Form gar nicht. Seitdem werden die höheren Ränge des saudischen Militärs an britischen Militärakademien ausgebildet. Die Söhne vieler reichen Saudis gehen zur Schule in englischen Elite-Internaten. Mit der Ölkrise in den siebziger Jahren, die einen wahren Geldregen über Saudi-Arabien ausschüttete, wurde die Londoner City mit ihrem weitverzweigten Netz an Steueroasen wie die Isle of Man und Bermuda zum wichtigen Anlagedepot für saudische Gelder. Saudische Direktinvestitionen in der britischen Wirtschaft werden auf mehr als 80 Milliarden Dollar geschätzt. Britische Unternehmen rangieren auf Platz zwei der ausländischen Investoren in Saudi-Arabien.

Mohammed hat 2015 von seinem Vater König Salman den Auftrag erhalten, Saudi-Arabien zu modernisieren. Erste Schritte sind bereits unternommen worden, bestes Beispiel die Aufhebung des Verbots für Frauen Auto zu fahren. Der Umbau Saudi-Arabiens - weg von der Abhängigkeit vom Ölgeschäft hin zu einer Dienstleistungswirtschaft - wird Milliarden kosten. Britische Firmen hoffen bei den Ausschreibungen in Verbindung mit den zahlreichen geplanten Infrastrukturprojekten ihren Schnitt zu machen. Beim Besuch Mohammeds machte sich die May-Regierung explizit dafür stark, daß der geplante Börsengang des staatlichen saudischen Ölunternehmens Saudi Aramco - ein Geschäft sondergleichen - in London erfolgt.

Bereits vor der Landung Mohammeds in Großbritannien war bekannt geworden, daß britische Rüstungsunternehmen seit Beginn des Kriegs im Jemen im März 2015 Waffen im Wert von 6,4 Milliarden Dollar an Saudi-Arabien verkauft haben. Ohne die Hilfe von Verbindungsoffizieren der königlichen Luftwaffe sowie Technikern und Wartungsspezialisten aus Großbritannien könnten die Saudis vermutlich die Luftangriffe, mit denen sie den Jemen zurück in die Steinzeit bombardiert haben, gar nicht durchführen. Ungeachtet jüngster Meldungen, wonach allein im vergangenen Jahr im Jemen rund 50.000 Kinder infolge der desaströsen humanitären Lage dort - Nahrungsmittelknappheit, fehlender Zugang zu sauberem Wasser, fehlende Medikamente u. v. m. - gestorben sind, hat Premierministerin May die Kritik an der britischen Waffenbruderschaft mit Saudi-Arabien beiseite gewischt.

Nach der obligatorischen Ermahnung, Saudi-Arabien müsse mehr für die Menschenrechte im eigenen Land sowie im Jemen tun, kamen beide Seiten zum Wesentlichen. Gegen Ende der Visite Mohammeds wurden neue Geschäftsaufträge für britische Unternehmen im Wert von 90 Milliarden Dollar besiegelt. Dazu gehörte der Verkauf von 48 Kampfjets vom Typ Typhoon des britischen Rüstungsherstellers BAE Systems an die Saudis für den stolzen Preis von zehn Milliarden Dollar. Mit dem Auftrag sollen mindestens 1000 Arbeitsplätze im BAE-Werk Warton im nordenglischen Lancashire gesichert werden.

Interessanterweise hat der Guardian am 7. März pikante Details veröffentlicht, wie die Ermittlungen bezüglich der Bezahlung von Bestechungsgeldern in Verbindung mit dem Al-Yamamah-Rüstungsdeal, dem damals größten Waffengeschäft in der Geschichte Großbritanniens, das 1985 unter der Regie von Margaret Thatcher abgeschlossen worden war, vereitelt wurden. An der gezielten Abschwächung der Vorwürfe war auf amerikanischer Seite in den Nullerjahren der ehemalige FBI-Chef Louis Freeh, in seiner Funktion als Chef der Anwaltskanzlei Freeh Sporkin & Sullivan (FSS), direkt beteiligt. 2006 wurden in Großbritannien schließlich die Ermittlungen des Serious Fraud Office (SFO) auf Geheiß des damaligen Premierministers Tony Blair unter Verweis auf die "nationale Sicherheit" komplett und für immer eingestellt.

Zuvor hatte der saudische Geheimdienstchef Prinz Bandar bin Sultan Großbritannien mit der Einstellung von Riads Zusammenarbeit in Sachen Terrorismusbekämpfung - und damit indirekt mit Anschlägen islamistischer Hasardeure - gedroht. Jener Bandar soll auch derjenige gewesen sein, der in den achtziger, neunziger und Nullerjahren die rund eine Milliarde Dollar an Bestechungsgeldern aus dem Al-Yamamah-Deal an seine Kumpanen am saudischen Hof verteilt hat. Damals war Bandar saudischer Botschafter in Washington und ein enger Freund der Familie Bush. Im Guardian-Artikel wird erwähnt, daß die Al-Yamamah-Schmiergelder auf Bandars Konto bei der Riggs Bank in Washington überwiesen wurden. Nicht erwähnt wird jedoch die schon länger bekannte Tatsache, daß vom selben Konto bei der Riggs Bank der Aufenthalt von zwei der 19 mutmaßlichen 9/11-Flugzeugentführer, Nawaz Al Hasmi und Chalid Al Midhar, bezahlt wurde. Ebenfalls nicht erwähnt wurde der sonderbare Umstand, daß Bandar unmittelbar nach dem 11. September 2001 in Absprache mit dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush rund 160 prominente Saudis, darunter Mitglieder der Familie des Al-Kaida-Chefs Osama Bin Laden, mit Sondermaschinen aus den USA ausfliegen durfte, wodurch sie sich einer eingehenden Befragung durch das FBI entziehen konnten.

12. März 2018


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