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NAHOST/1610: Palästina - Gazas Not und Pendelstreß ... (SB)


Palästina - Gazas Not und Pendelstreß ...


Im Nahostkonflikt zeichnet sich eine Friedensregelung zwischen Hamas und Israel ab, welche die Lebensbedingungen der fast zwei Millionen Einwohner des Gazastreifens erheblich erleichtern würde. Seit 2007 halten Ägypten und Israel eine Land-, Luft- und Seeblockade des Gazastreifens aufrecht. 2006 hatte die Hamas die palästinensischen Parlamentswahlen gewonnen, doch wurde das Ergebnis von der "internationalen Gemeinschaft" nicht anerkannt. Statt dessen applaudierten die westlichen Mächte, als die Fatah die Macht bei der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) im Westjordanland einfach behielt und die Hamas dort mittels schwerer Repressalien in die Schranken wies. 2007 scheiterte ein vom Ausland unterstützter Putschversuch der Fatah gegen die Hamas in deren Hochburg Gaza kläglich, woraufhin Kairo und Tel Aviv die Bevölkerung dort sozusagen in Geiselhaft nahm.

Seitdem verschlechtern sich die Lebensbedingungen im Gazastreifen kontinuierlich. In den letzten elf Jahren haben die Kassem-Brigaden der Hamas und die israelischen Streitkräfte einander drei Kriege geliefert, bei denen Tausende Palästinenser ums Leben kamen, die meisten von ihnen einfache Zivilisten. Nur wenige der bei den israelischen Bombardements entstandenen Schäden sind behoben worden. Gaza-Stadt besteht deshalb zum nicht geringen Teil aus Bauruinen. Die Arbeitslosigkeit ist extrem hoch. An jeder Ecke ist die Armut sichtbar. Die Kläranlagen funktionieren nicht mehr richtig. Das Abwasser fließt ungereinigt ins Mittelmeer. Sauberes Trinkwasser ist Mangelware geworden. Je nach Lage drosselt Israel die Stromversorgung, was besonders im heißen Sommer das Leben unerträglich macht.

Letztes Jahr kamen Hoffnungen auf Besserung auf. Hamas und die Fatah begruben nach monatelangen Verhandlungen in Kairo das Kriegsbeil und vereinbarten die Gründung einer Regierung der Nationalen Einheit. 2018 sollten freie, allgemeine Wahlen in beiden Teilen des palästinensischen Gebietes stattfinden. Beschlossen wurde zudem die Übernahme der Verwaltung des Gazastreifens durch eine technokratische Administration, wofür im Gegenzug die Hamas wieder ihren Platz bei der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) einnehmen sollte. Die Versöhnung war dringend geboten, denn seit Januar 2017 saß mit Donald Trump ein Mann im Weißen Haus, dessen "Verbundenheit" mit Israel keine Grenzen kennt und der den eigenen Schwiegersohn Jared Kushner, dessen Familie nicht nur mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu befreundet ist, sondern auch seit Jahren die illegalen jüdischen Siedlungen auf der Westbank finanziert, zum Sonderberater des US-Präsidenten mit besonderer Verantwortung für den Nahen Osten ernannt hatte.

Doch statt Entlastung für die Palästinenser kamen für sie nur noch weitere Beschwernisse. Im Dezember hat Trump entgegen allen bisherigen UN-Resolutionen Jerusalem als ewige und unteilbare Hauptstadt Israels anerkannt und damit aus der Sicht Washingtons den Anspruch der Palästinenser auf die Osthälfte als Hauptstadt eines eigenen Staats für nichtig erklärt. Wegen der parteiischen Entscheidung zugunsten Israels haben Abbas und die PA die Beziehungen zu den USA eingefroren und wollen deren Vermittlerrolle im Nahen Osten nicht mehr anerkennen. Am 13. März explodierte eine Bombe neben dem Auto des palästinensischen Premierministers Rami Hamdallah, gerade nachdem dieser in Begleitung des Geheimdienstschefs der PA, General Madschid Faradsch, über den israelischen Grenzübergang Eretz in den Gazastreifen gekommen war. Bei der Explosion kam zwar niemand zu Schaden, doch hat sie das mühselig aufgebaute Vertrauen zwischen Hamas und Fatah zunichte gemacht. Die Hamas hat jede Verwicklung in den Vorfall bestritten und machte Israel für die Provokation verantwortlich.

Rund zwei Wochen später, am 30. März, dem 50. Jahrestag der Teilung Palästinas, haben israelische Scharfschützen unter den Teilnehmern einer palästinensischen Massendemonstration am Grenzzaun zum Gazastreifen ein Blutbad angerichtet. 15 unbewaffnete Zivilisten starben im Kugelhagel. Ähnliches, nur im weit schrecklicherem Ausmaß, geschah am Tag der feierlichen Eröffnung der neuen US-Botschaft in Jerusalem am 14. Mai. Während die Ehepaare Netanjahu und Kushner zusammen mit führenden Zionisten in Jerusalem feierten, töteten Israels Soldaten am Grenzzaun zum Gazastreifen 60 palästinensische Demonstranten und verletzten weitere 2400.

Bekanntlich reist Kushner seit Monaten immer wieder in die Region, um für Zustimmung zu einem Deal zu werben, mit dem er und Trump den Nahostkonflikt endgültig lösen wollen. Aus informierten Kreisen heißt es, der Deal laufe auf wirtschaftliche Hilfe für die Palästinenser hinaus, sofern sie bereit seien, auf das Rückkehrrecht ihrer Verwandten in den Flüchtlingslagern in Syrien, Jordanien und im Libanon zu verzichten. Desweiteren steckt hinter dem Trump-Kushner-Plan die Absicht, das Westjordanland verwaltungstechnisch an Jordanien und den Gazastreifen an Ägypten anzukoppeln, um sie endgültig voneinander zu trennen und die Entstehung eines eigenständigen palästinensischen Staates an der Seite Israels für immer zu begraben.

Vor diesem Hintergrund gibt die sich aktuell abzeichnende Friedensvereinbarung zwischen der Hamas und Israel Anlaß zur Sorge. Ausgehandelt wurde die Vereinbarung in Kairo. An den Diskussionen der israelischen und palästinensischen Unterhändler nahm auch der Chef des ägyptischen Geheimdienstes General Abbas Kamel teil. Dieser reiste Ende letzter Woche in der Angelegenheit auch zu Gesprächen nach Tel Aviv. Bei dem Abstecher war auch ein Besuch in Ramallah vorgesehen, nur hat sich Abbas aufgrund seiner anhaltenden Verärgerung über die Machenschaften der Amerikaner und Israelis geweigert, Kamel zu empfangen.

Die Abmachung, die Israel und Hamas treffen wollen, sieht eine Einstellung aller Kampfhandlungen für mindestens ein Jahr vor. Es werden keine Raketen mehr auf Ziele in Israel abgefeuert, wofür im Gegenzug Israel und Ägypten die Grenzübergänge wieder öffnen wollen. Darüber hinaus soll eine Fährverbindung nach Zypern eingerichtet werden, damit die Gaza-Bewohner auf dem Weg verreisen können. Die Fähre soll auch den internationalen Handel mit dem Gazastreifen ermöglichen. Israel hat sich auch bereiterklärt, die Fischer von Gaza wieder ungehindert ihrem Beruf nachgehen zu lassen. Es sollen die menschliche Überreste mehrerer in Gaza gefallener Soldaten an die israelischen Behörden übergeben werden, wofür diese wiederum eine unbekannte Anzahl verhafteter Hamas-Mitglieder freilassen wollen.

Gegen die Verständigung zwischen der Hamas und Israel protestieren führende Mitglieder von Fatah und PA lautstark - allen voran Palästinenser-Präsident Abbas, dessen Amtszeit eigentlich schon vor Jahren abgelaufen ist. Sie werfen der Hamas vor, Israel auf den Leim gegangen zu sein und dem Spaltungsplan von Kushner Auftrieb zu geben. Das Verhalten von Abbas und der PA-Führung ist mehr als dreist. Sie verwalten nicht nur die Palästinenser im Westjordanland im Auftrag Israels und halten diese ruhig, sondern haben unter anderem durch die wiederholte Nicht-Zahlung bzw. Kürzung der Gehälter von Beamten und Lehrern im Gazastreifen die humanitäre Krise dort mitverursacht. Sie haben aus Rivalität zur Hamas die Drecksarbeit der Israelis verrichtet und beschweren sich nun, wenn die islamische Bewegung auf eigene Rechnung mit Tel Aviv verhandelt. Die Spaltung der palästinensischen Gebiete kam man Jared Kushner nicht anlasten, er nutzt sie lediglich für die eigenen Zwecke aus. Nein, sie entstand, als sich die Fatah vor zwölf Jahren weigerte, ihre Niederlage bei den Parlamentswahlen anzuerkennen.

21. August 2018


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