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USA/1193: James Bamford belastet die NSA in Sachen 11. September (SB)


James Bamford belastet die NSA in Sachen 11. September

Wollten die US-Geheimdienste die Flugzeuganschlägen nicht verhindern?


Als sich bei der Aufarbeitung der Flugzeuganschläge vom 11. September 2001 herausstellte, daß die US-Geheimdienste zahlreiche Gelegenheiten zur Verhinderung des schwersten und folgenreichsten "Terrorangriffs" der Geschichte hatten ungenutzt verstreichen lassen, präsentierte man 2002 der traumatisierten und verärgerten amerikanischen Bevölkerung eine ganze simple Erklärung. Demnach hätten zwar bei den verschiedenen Diensten die diversesten Hinweise vorgelegen, doch hätten die zuständigen Beamten aufgrund des bürokratischen Wirrwarrs im Sicherheitapparat einfach nicht die richtigen Verknüpfungen hergestellt. Auf Englisch hieß es, Amerikas Terroristenjäger "failed to connect the dots", daß sie sozusagen das Muster der drohenden Gefahr vor ihrer Nase nicht erkannt hätten.

Im Mittelpunkt der damaligen Diskussion um die "dots", die angeblich nicht rechtzeitig "connected" wurden, standen zwei der mutmaßlichen neunzehn Hijacker des 11. September, nämlich Chaled Al Midhar und Nawas al Hasmi. Die beiden Anhänger Osama Bin Ladens sollen zur Jahreswende 1999/2000 an einem "Terrorgipfel" in Kuala Lumpur teilgenommen haben, wo sie im Auftrag der CIA vom malaysischen Geheimdienst observiert wurden, bevor sie anschließend völlig ungehindert über Bangkok in die USA einreisten, um sich auf die 9/11-Operation vorzubereiten. Bis heute hat die CIA keine plausible Erklärung abgegeben, warum sie damals weder das FBI noch die Einwanderungsbehörde INS vor der bevorstehenden Landung der beiden als hochgefährlich eingestuften Al-Kaida-Brüder auf dem internationalen Flughafen von Los Angeles gewarnt hat. Weil die naheliegende Erklärung, nämlich daß die CIA - aus welchem Grund auch immer - eine Verhaftung von Al Hasmi und Al Midhar zu jenem Zeitpunkt nicht wünschte, in den USA nicht einmal gedacht, geschweige denn ausgesprochen werden durfte, mußte die Legende vom schwerfälligen, reformbedürftigen Geheimdienstsapparat her.

Inzwischen stellt sich das Versagen der US-Geheimdienste in Bezug auf Al Hasmi und Al Midhar als noch verheerender, als bisher angenommen, heraus. In einer Dokumentation, die am 3. Februar vom nicht- kommerziellen Fernsehsender Public Broadcasting Service (PBS) in den USA landesweit ausgestrahlt werden soll, wird James Bamford in diesem Zusammenhang schwere Vorwürfe gegen die National Security Agency erheben. Bamford gilt als einer der führenden Geheimdienstexperten Amerikas. Mit "The Puzzle Palace" und "Body of Secrets" hat er die beiden wichtigsten Bücher über die NSA, den lange Zeit am wenigsten bekannten Geheimdienst der USA, verfaßt. Jahrzehntelang wurde die Existenz von Amerikas elektronischem Abhördienst geleugnet, weshalb der Scherz die Runde machte, das Akronym NSA stehe für "No Such Agency". Inzwischen steht fest, daß die NSA nicht nur der größte Arbeitgeber des Bundesstaates Maryland ist, wo sie in Fort Meade ihren Sitz hat, sondern auch der größte Geheimdienst der Welt. Ende 2005 geriet die NSA schwer in die Kritik, als bekannt wurde, daß sie jahrelang aufgrund eines Präsidialbefehls George W. Bushs, dafür jedoch ohne richterliche Genehmigung den Telefon- und E-Mail-Verkehr in den USA abgehört hatte.

Nach den jüngsten Erkenntnissen Bamfords, die dieser bei der Recherche für sein neustes Buch "The Shadow Factory: The Ultra-Secret NSA from 9/11 to the Eavesdropping on America" gewonnen hat, hat nicht nur die CIA, sondern auch die NSA Al Hasmi und Al Midhar über einen längeren Zeitraum im Visier gehabt und es dennoch versäumt, die Kollegen bei den anderen US-Geheimdiensten darüber in Kenntnis zu setzen. Laut Bamford hatte die NSA die Mobiltelefone der beiden mutmaßlichen Dschihadisten bereits vor dem "Terrorgipfel" in Kuala Lumpur abzuhören begonnen und den Lauschangriff fortgesetzt, als diese in die USA einreisten. Während Al Hasmi und Al Midhar in den USA waren, soll die NSA permanent ihre Gespräche mit anderen Al-Kaida-Mitgliedern im Jemen mitgehört haben und über ihren genauen Aufenthaltsort im Bilde gewesen sein. In der PBS-Sendung wird Bamford mit den Worten zitiert: "Die NSA hat keinem anderen Geheimdienst alarmiert, daß die Terroristen in den Vereinigten Staaten waren und sich durch das Land in Richtung Washington bewegten." Darüber hinaus soll das Wissen um diese peinliche Tatsache den Mitgliedern der "unabhängigen" 9/11-Kommission vorenthalten worden sein. Jedenfalls wurde es im Abschlußbericht, den die Kommission im Sommer 2004 Präsident Bush vorlegte, mit keinem Wort erwähnt.

Aber möglicherweise hat die NSA genauso wenig wie die CIA ihre Pflichten versäumt, sondern einfach nach einem entsprechenden Befehl, die beiden Mitverschwörer Mohammed Attas lediglich zu beschatten, aber nichts zu ihrer Ergreifung zu unternehmen, gehandelt. Schließlich hatten die beiden erklärten Feinde Amerikas während ihres Aufenthalts in San Diego bei Abdusattar Scheich, dem wichtigsten FBI-Informanten in der islamistischen Szene der Hafenstadt, zur Untermiete gewohnt, wurden von Omar Al Bayoumi, einem mutmaßlichen Mitglied des saudischen Geheimdienstes, betreut, und bekamen ihre Unterhaltskosten von Prinzessin Haifa, Ehefrau Prinz Bandars, des damaligen saudischen Botschafters in Washington, der bekanntlich ein enger Freund der Familie Bush ist, finanziert. Nicht umsonst wurden 27 Seiten des gemeinsamen Untersuchungsberichtes der Geheimdienstausschüsse vom Repräsentantenhaus und Senat vor seiner Veröffentlichung im Juli 2003 auf Geheiß des Weißen Hauses geschwärzt. Die betroffenen Stellen sollen allzu brisante Informationen über die Verbindungen der Geheimdienste Riads, die eng mit denen Washingtons zusammenarbeiten, zu "Al Kaida" enthalten haben.

29. Januar 2009