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USA/1249: Neocons heizen Streit um "Moschee am Ground Zero" an (SB)


Neocons heizen Streit um "Moschee am Ground Zero" an

Der Kampf der Kulturen wird in den USA mit harten Bandagen ausgetragen


In den USA läßt das Herannahen des neunten Jahrestages der Flugzeuganschläge vom 11. September den Streit um den geplanten Bau eines 100 Millionen Dollar teuren, muslimischen Kulturzentrums in der Nähe des früheren Standorts der Zwillingstürme des New Yorker World Trade Center eskalieren. Auf der einen Seite stehen die Befürworter des Projekts wie der Iman Feisal Abdul Rauf, der republikanische Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg, sowie die Vertreter diverser Bürgerrechtsgruppen und auf der anderen die Gegner, angeführt von den beiden republikanischen Ikonen Newt Gingrich, dem ehemaligen Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, und Sarah Palin, der ehemaligen Gouverneurin von Alaska und Vizepräsidentschaftskandidatin John McCains 2008 (Gingrich und Palin werden Ambitionen auf die Kür zum Kandidaten der Republikaner für die Präsidentenwahl 2012 nachgesagt).

Präsident Barack Obama laviert seinerseits herum. Am 13. August hat er - wie zuvor Bloomberg - die Cordoba Initiative der Rauf-Gruppe unter Verweis auf das in den USA gültige Recht auf freie Religionsausübung öffentlich befürwortet, nur um gleich am nächsten Tag wegen der ganzen Kritik seitens Amerikas Möchtegernpatrioten an seinem Vorstoß wieder einen Rückzieher zu machen. Er habe lediglich auf die auch den Moslems in den USA zustehenden Verfassungsrechte hinweisen, sich jedoch keineswegs in den laufenden Streit in New York einschalten wollen, so der angeblich mächtigste Mann auf Erden. Für das widersprüchliche Verhalten Obamas gibt es eine einfache Erklärung. Die Gegner des Baus des islamischen Kulturzentrums in Südmanhattan setzen die latente, von ihnen nun freigesetzte Islamophobie vieler US-Bürger gezielt gegen Obama ein, um den ersten schwarzen Präsidenten Amerikas als eine Art "mandschurischen Kandidaten" darzustellen.

Vor dem Hintergrund des Streits um den Moscheebau ist laut Umfragen die Zahl der Amerikaner, die Obama, dessen Mittelname bekanntlich Hussein lautet, für keinen echten Christen, sondern einen heimlichen Moslem halten, drastisch angestiegen. Das gleiche gilt für die Zahl der US-Bürger, die den Islam und dessen Anhänger negativ bewerten. Angesichts dieser Grundstimmung sind die beiden nach dem Präsidenten wichtigsten Vertreter der demokratischen Partei, Nancy Pelosi, Mehrheitsführerin im Senat, und Harry Reid, Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, in den letzten Tagen im Moschee-Streit auf Distanz zu Obama gegangen und haben sich derjenigen Meute angeschlossen, die den Bau des Cordoba-Hauses für "rücksichtslos" gegenüber den Angehörigen der 9/11-Opfer halten und die Frage aufwerfen, ob nicht hinter der Initiative vielleicht die gleichen saudischen Geldgeber stecken, die vor neun Jahren die Flugzeuganschläge finanziert haben sollen.

Für Rauf, der als Sufi selbst befürchten müßte, von den salafistisch-sunnitischen Anhängern Osama Bin Ladens als Ketzer umgebracht zu werden, der seit Jahrzehnten in den USA für den ernstgemeinten Dialog zwischen Muslimen und den Vertretern anderer Glaubensrichtungen eintritt und der gerade wegen seiner grundhumanistischen Haltung derzeit als interkultureller Sonderemissär des State Department Hillary Clintons im Nahen Osten unterwegs ist, muß das gigantische Ausmaß, das der Streit um das Vorhaben der Cordoba Initiative inzwischen erreicht hat, eine schwere Enttäuschung ein. Rauf, der seit 1983 die "progressive" Moschee Masjid Al-Farah im TriBeCa-Viertel Südmanhattans leitet, und seine Frau Daisy Khan stehen der Gruppe Muslims for Peace nahe, die mit Hilfe des Baumaklers Sharif el-Gamal auf dem Gelände der früheren Burlington Coat Factory, 45-51 Park Place, ein 15stöckiges, interkulturelles Zentrum samt Moschee, Schwimmbad, Theater, Restaurant, Tagungsräumen und 9/11-Gedenkstätte bauen will. Nachdem im vergangenen Mai der zuständige Manhattan Community Board die Baugenehmigung erteilte, nahm die Kontroverse ihren Lauf.

Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß der Streit von Anfang an von der mächtigen Lobby der US-Neokonservativen, die mit der US-Rüstungsindustrie eng liiert sind und bereits vor dem Fall der Berliner Mauer und dem Zusammenbruch der Sowjetunion die muslimische Welt als neue "größte Bedrohung des Westens" identifiziert haben, vorangetrieben und instrumentalisiert wird.

Wie Gary Leupp in dem am 22. August bei Counterpunch erschienenen Artikel "Chronology of a Bizarre Controversy - Hurt Feelings and the Ground Zero Mosque" erläuterte, hatte lange Zeit bis auf Pamela Geller, Betreiberin des Blogs "Atlas Shrugged" und Verfechterin der abstrusen Theorie, daß Barack Obama in Wirklichkeit der Sohn des 1967 ermordeten "radikalen" Anführers der Black Muslims, Malcolm X, ist, kaum jemand von dem Cordoba-House-Vorhaben, das inzwischen Park51 heißt, Notiz genommen. Doch gleich nach Erteilung der Baugenehmigung wurde Geller von der New York Post, der größten Boulevardzeitung Amerikas, und dem reaktionären Nachrichtensender Fox News zur Wortführerin der Bewegung gegen den Bau einer "Moschee am Ground Zero" aufgebaut. Die New York Post und Fox News gehören genauso wie der Weekly Standard dem australo-amerikanischen Medienmogul Rupert Murdoch und gelten pr-technisch als die wichtigsten Verbreitungskanäle der Ideologie der pro-israelischen Neokonservativen vom angeblich unvermeidlichen "Kampf der Kulturen" zwischen dem jüdisch-christlichen Westen und der muslimischen Welt.

Eigentlich liegt die stillgelegte Burlington Coat Factory mehr als zwei Blocks von Ground Zero entfernt in einer Seitenstraße namens Park Place, die man vom Westen her über West Broadway und vom Osten her über die Church Street erreicht. Das bedeutet, daß das Cordoba House, sollte es jemals gebaut werden, ohnehin von Ground Zero aus nicht zu sehen wäre. Also existiert die von den Gegnern des Projekts postulierte Gefahr, Hinterbliebene der Flugzeuganschläge oder Besucher des noch zu bauenden Mahnmals am Ground Zero könnten in ihrer Trauer von irgendwelchen Moslems - triumphierend, die Männer mit langem Bart und die Frauen in eine Burkah gehüllt, so das suggerierte Alptraumszenario - gestört werden, gar nicht.

Dies hinderte Debra Burlingame, die als Schwester des Piloten der Boeing-757-Maschine von American Airlines, die am 11. September 2001 in das Pentagon gestürtzt sein soll, im Vorstand des World Trade Center Memorial and Museum sitzt, nicht daran, bei einem Auftritt am 25. August beim Nachrichtensender CNN ihrer Empörung über die Pläne von Rauf und seiner Gemeinde freien Lauf zu lassen: "Das hier ist nichts anderes als eine Provokation, eine Beleidigung der Familien der Leute, die ermordet wurden. Ich kenne Familien, die uns gesagt haben, daß ihr posttraumatisches Streßsyndrom wegen der Idee des Baus einer Moschee dort, wo ihre Lieben gestorben sind, zurückgekehrt ist. Die Idee einer Moschee ist für sie entsetzlich", so Burlingame.

Angesichts der vorherigen Erläuterung muß an der Stelle eingewandt werden, daß "die Idee" einer "Moschee am Ground Zero" nicht von Feisal Abdul Rauf und der muslimischen Gemeinde New Yorks stammt, sondern das Ergebnis der fleißigen Hetzarbeit bekannter neokonservativer Islamophoben wie Daniel Pipes, Andrew McCarthy und Frank Gaffney ist, die den "Antiterrorkrieg" der USA als einen globalen Kreuzzug gegen die muslimischen Barbaren verstehen und immer an vorderster Front sind, wenn es darum geht, Militärmaßnahmen gegen den Iran, Syrien, die palästinensische Hamas, die libanesische Hisb Allah, somalische Piraten, Aufständische in Jemen, die Moros auf den Philippinen, die Taliban in Afghanistan etc. zu fordern. In einem Beitrag für die Ausgabe der konservativen Politzeitschrift National Review vom 31. Juli hat McCarthy die Initiative von Park51 auf eine Stufe mit dem Al-Kaida-"Netzwerk" gestellt. Während einige Moslems "Massenmord" an ihren Gegnern vorzögen, träten andere im Westen den Marsch durch die Institutionen an; beide Gruppen eine das Ziel der Durchsetzung der islamischen Gesetzgebung namens Scharia auf der ganzen Welt, so McCarthy.

In einem Artikel, der am 25. August bei der linken US-Website Think Progress erschienen ist, ist Alex Seitz-Wald der Finanzierung der Koalition gegen den Bau von Park51 - StopThe911Mosque.com - nachgegangen und hat Hochinteressantes herausgefunden. Entgegen dem allgemeinen Eindruck sind es nicht Kleinspenden besorgter Einzelbürger, welche die Kampagne am Laufen halten. Im Gegenteil stammt das meiste Geld von der Denkfabrik Center for Security Policy, deren prominentester Vertreter Frank Gaffney, ein ehemaliger Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium während der Ära Ronald Reagans, ist und die als eine der wichtigsten Lobbyorganisation der US-Waffenindustrie in Washington gilt. Die Entdeckung Seitz-Walds überrascht nicht, sind doch Amerikas Rüstungsbauer und ihre Aktionäre die größten Nutznießer des billionenverschlingenden "Kampfes gegen den Terror".

27. August 2010