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USA/1277: Kritiker Hillary Clintons von Polizei mißhandelt (SB)


Kritiker Hillary Clintons von Polizei mißhandelt

Schweigeprotest bringt Ex-CIA-Analytiker Ray McGovern ins Gefängnis


Die Turbulenzen in Teilen der islamischen Welt - der Sturz Zine El Abidine Ben Alis in Tunesien, Hosni Mubaraks in Ägypten und die anhaltenden oppositionellen Massenproteste in Algerien, Bahrain, Jordanien, Libyen und Marokko sowie im Irak, Iran, und Jemen stellen die USA als selbsternannte Ordnungsmacht in der Region zwischen Atlasgebirge und Persischem Golf vor eine mächtige, kaum lösbare Herausforderung. Je nachdem unterschiedlich fällt Washingtons Eintritt für Demokratie und Menschenrechte aus, ob das jeweilige Regime als Verbündeter oder als Gegner der USA gilt. Während die gewaltsame Niederschlagung von Protesten durch die Ordnungskräfte zum Beispiel in der iranischen Hauptstadt Teheran aufs Schärfste verurteilt werden, lösen ähnliche Vorgänge in Bahrain - Hauptquartier der 5. US-Flotte - lediglich vorsichtige Ermahnungen aus.

Folglich wundert es nicht, daß dieser Tage der Vorwurf der Heuchelei des öfteren an die Adresse von US-Präsident Barack Obama und dessen Chefdiplomatin Hillary Clinton gerichtet wird. So hat Dan Sabbagh am 16. Februar in der weltweit angesehenen Londoner Tageszeitung Guardian Clintons Plädoyer für den freien und unzensierten Zugang zum Internet, den sie am Tag davor bei einer Rede in Washington zu einem "unveräußerlichen Menschenrecht" erhoben hatte, als wenig glaubwürdig abgetan und dabei auf die laufenden Bemühungen des US-Justizministeriums hingewiesen, den Wikileaks-Gründer Julian Assange wegen der Veröffentlichung zahlreicher Depeschen aus dem US-Außenministerium in die Finger zu bekommen. Doch auch die Mißhandlung des 71jährigen Ray McGovern, nur weil dieser Clintons Rede mit einem Schweigeprotest kommentierte, spricht Bände über die Doppelzüngigkeit der Washingtoner Politelite.

Dabei ist McGovern nicht irgendein Friedensaktivist, sondern jemand, der sich im US-Sicherheitsapparat bestens auskennt. Jahrelang arbeitete er als führender Analytiker bei der Central Intelligence Agency. Während der 12jährigen Ära von Ronald Reagan und George Bush sen. war McGovern derjenige, der die Zusammenfassung des Daily Presidential Briefing (DPB) leitete, jeden Vormittag die mehrseitige Übersicht über die aktuelle Weltlage im Weißen Haus vortrug und gegebenenfalls erläuterte. Seit einigen Jahren gehört McGovern zu den prominentesten Kritikern der Außen- und Sicherheitspolitik der USA. Während der Amtszeit von George Bush jun. gründete er die Gruppe Veteran Intelligence for Sanity, die im Vorfeld des Irakkrieges öffentlich die Begründung für den Anti-Saddam-Hussein-Feldzug - Bagdads vermeintliche Massenvernichtungswaffen und Al-Kaida-Verbindungen - als an den Haaren herbeigezogen entlarvte. McGovern, dessen Artikel regelmäßig bei Consortiumnews.com erscheinen, engagiert sich zudem als Mitglied der ökumenischen Church of the Saviour seit längerem für Hilfsbedürftige in den Armenvierteln Washingtons.

Am 15. Februar hatte sich McGovern in die George Washington Universität in Washington begeben, um Hillarys 50minütiger Grundsatzrede "Internet Rights and Wrongs: Choices and Challenges in a Networked World" beizuwohnen. Er trug ein T-Shirt mit der Aufschrift "Veterans for Peace". Als die Außenministerin in ihrer Rede die Stelle erreichte, wo sie den rauhen Umgang der iranischen Behörden mit Regierungsgegnern monierte, wandte McGovern, der hinten im Saal gestanden hatte, ihr als Zeichen des Protests einfach den Rücken zu. Der Akt der lèse majesté gegenüber der ehemaligen First Lady und Senatorin aus New York wurde von den anwesenden Ordnungshütern sofort geahndet. Zwei in Zivil gekleidete Polizisten fielen über McGovern her, legten ihm mit dermaßen viel Gewalt metallene Handschellen an, daß seine Handgelenke wundgescheuert wurden und zu bluten anfingen, und zerrten ihn nach draußen. Während der Abführung rief McGovern mit lauter Stimme "Das soll also Amerika sein?" Anschließend wurde er rund drei Stunden lang auf einer Polizeiwache festgehalten. McGovern, der anschließend im Krankenhaus stationär behandelt werden mußte, droht eine Klage wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses.

Für die demokratische Rechte ihres Kritikers hat sich Hillary nicht eingesetzt. Warum denn auch? Seit Jahren gehört die Gattin von Bill Clinton zu den wichtigsten Kriegsfalken innerhalb der demokratischen Partei. Über einen gemeinsamen Bekannten soll McGovern ihr 2002 schriftliche Unterlagen zukommen gelassen haben, aus denen hervorging, daß die von der republikanischen Bush-Regierung postulierte, vom Irak Saddam Husseins ausgehende "Bedrohung" nicht existierte. Trotzdem war Hillary eine der Demokraten, die im Senat für die Resolution, die eine militärische Lösung des Problems Iraks ermöglichte, stimmte. Darüber hinaus tritt sie bei jeder Gelegenheit für die Fortsetzung des Krieges in Afghanistan sowie einen härteren Umgang der USA mit dem Iran im sogenannten Atomstreit ein. Nach der Behandlung im Krankenhaus führte McGovern gegenüber dem Internet-Portal OpEdNews.com die Protestaktion auf seine Überzeugung zurück, daß Hillary Clinton zu den größten "Heuchlern" Amerikas gehöre, weil sie den militärischen Einsatz der USA in Afghanistan, im Irak und anderswo ungeachtet der "katastrophalen Folgen" für die Menschen in den betroffenen Ländern sowie bei den einfachen amerikanischen Soldaten gutheiße.

19. Februar 2011