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USA/1362: Republikaner halten am Atomstreit mit Iran fest (SB)


Republikaner halten am Atomstreit mit Iran fest

US-Senatoren schicken provokanten Brief nach Teheran


Aus Genf werden entscheidende Fortschritte bei den laufenden Verhandlungen um eine Lösung des Streits um das iranische Atomprogramm gemeldet. Demnach sieht alles danach aus, als könnte sich wie geplant die P5+1-Gruppe - die fünf ständigen UN-Vetomächte (China, Frankreich, Großbritannien, Rußland und die USA) plus Deutschland - mit dem Iran bis Ende März auf die Eckpunkte eines Abkommens einigen, das dann bis Ende Juni unterschriftsreif vorliegen soll. Gegen die sich abzeichnende Beilegung des Atomstreits, die den Weg zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Washington und Teheran freimachte, laufen die oppositionellen Republikaner in den USA Sturm. In einem spektakulären Schritt haben 47 von 54 republikanischen Senatoren in einem offenen Brief an Ajatollah Ali Khamenei, den Obersten Rechtsgelehrten des Irans und damit Staatsoberhaupt der Islamischen Republik, damit gedroht, die Vereinbarungen von Präsident Barack Obama und Außenminister John Kerry mit Teheran zu durchkreuzen.

Der ungewöhnliche Brief erscheint weniger als eine Woche, nachdem der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu auf Einladung der Republikaner eine Rede vor beiden Häusern des Kongresses in Washington gehalten hat, um vor der angeblich vom Iran ausgehenden "Bedrohung" für Israel, den Nahen Osten und die ganze Welt zu warnen. Der geplante Deal mit Teheran käme der Anerkennung des Irans als Atommacht gleich und mache jahrzehntelange Bemühungen um die Nichtverbreitung von Kernwaffen zunichte, so Israels Regierungschef. Obwohl der eigentliche Vertragstext noch nicht endgültig ausgehandelt ist, sieht er Berichten zufolge die Fortsetzung der Uranreicherung im Iran bei gleichzeitig sehr strengen Kontrollen der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) vor, damit gewährleistet wird, daß das Programm ausschließlich der zivilen Kernenergie dient und keinerlei militärische Nutzung stattfindet. Im Gegenzug sollen die verschiedenen Wirtschaftssanktionen, mit denen die USA und die Vereinten Nationen den Iran in den zurückliegenden Jahren belegt haben, peu-à-peu aufgehoben werden. Das Abkommen soll eine Laufzeit von mindestens zehn Jahren haben und anschließend verlängert werden können.

In ihrem Brief machen die Senatoren Khamemei auf ziemlich herablassende Weise auf einige Aspekte des politischen Systems in den USA aufmerksam, so zum Beispiel, daß der Präsident nur zwei mal vier Jahre im Weißen Haus residiert, während ein Senator so häufig, wie er will, zu einer sechsjähriger Amtszeit gewählt werden kann. Sollte Obama wie erwartet mit Teheran an dem Kongreß vorbei ein "Exekutive Agreement" zur Beilegung des Atomstreits beschließen, könnte dies von seinem Nachfolger "per Federstrich rückgängig gemacht werden", während Senat und Repräsentantenhaus "jederzeit die Bedingungen der Vereinbarung modifizieren" könnten, so die Senatorengruppe. Die Unterzeichner behaupten am Ende des Briefes, durch ihre Erläuterungen zum "beiderseitigen Verständnis und zur Klarheit" bei den laufenden Nuklearverhandlungen beitragen zu wollen. Doch aus dieser Formulierung spricht der reine Hohn. Der Verfasser des Briefes und die Haupttriebkraft der republikanischen Initiative, Tom Cotton, Senator aus Arkansas, lehnt Verhandlungen mit Teheran kategorisch ab und plädiert statt dessen unablässig für einen "Regimewechsel" dort.

In einer ersten offiziellen Reaktion seitens des Irans auf den Brief hat Außenminister Mohammad Javad Scharif, der auch Chefunterhändler Teherans bei den Atomgesprächen in Genf ist, den Vorstoß der Republikaner am Abend des 9. März als "Propagandanummer ohne rechtlichen Wert" abgetan. Er wies die im Brief enthaltenen Einwände gegen ein vom US-Präsidenten unterzeichnetes "Exekutive Agreement" als Ausdruck einer beschränkt-chauvinistischen Weltsicht der Republikaner zurück. Bei zwischenstaatlichen Vereinbarungen gelte internationales und nicht nationales Recht; ein "Exekutive Agreement", das der US-Präsident mit einem anderem Staat beschließe, habe Vorrang vor Beschlüssen des Kongresses, zumal in diesem Fall als Mitunterzeichner neben dem Iran China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Rußland hinzukämen; sollte ein Nachfolger Obamas das Abkommen "mit einem Federstrich rückgängig machen ..., wird er einen krassen Verstoß gegen internationales Recht begehen", so Scharif.

Die Intervention der Republikaner dürfe das Streben nach einer Einigung bei den ohnehin komplizierten, von gegenseitigem Mißtrauen geprägten Atomverhandlungen nicht leichter machen, denn sie macht eine nicht zu unterschätzende Gefahr, nämlich die vielfältigen Möglichkeiten des derzeit von den Republikanern kontrollierten Kongresses, die Aufhebung der diversen US-Sanktionen gegen den Iran, die zum Teil bis in die Zeit unmittelbar nach der Islamischen Revolution und dem Sturz des Schahs 1979 zurückreichen, zu verschleppen bzw. zu blockieren, sichtbar. In Teherans Politestablishment gibt es eine lautstarke Fraktion, die den Verhandlungen skeptisch gegenübersteht, weil sie befürchtet, daß der Iran im Gegenzug für seine Zugeständnisse im nuklearen Bereich nicht oder nur in geringem Ausmaß von den bisherigen Wirtschaftssanktion befreit wird.

Ein wichtiger Hinweis auf die Stärke der Anti-Iran-Lobby in den USA ist die Tatsache, daß sich unter den Unterzeichnern des Briefes an Khamenei der Name Rand Paul befindet. Der junge Senator aus Kentucky führt aktuell das Feld der Bewerber um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner für 2016 mit an. Gerade mit seinem Eintreten für eine Reduzierung der Militärinterventionen der USA im Ausland stößt der Sohn von Tea-Party-Ikone Ron Paul nicht nur bei einfachen Wählern - und das nicht nur unter Republikanern - auf viel Zuspruch. Bei der Netanjahu-Rede am 3. März war Paul durch einen gelangweilten Gesichtsausdruck und verhaltenes Klatschen im starken Gegensatz zu seinen begeisterten Parteikollegen im Saal aufgefallen. Doch nach einem Treffen am selbem Tag mit Kasinomagnat Sheldon Adelson scheint Paul seine Antikriegsposition revidiert zu haben.

Der schwerreiche Zionist Adelson gilt quasi als Königsmacher unter den Konservativen in Israel und den USA. 2012 war er Hauptspender des Wahlkampfes von Obamas republikanischem Konkurrenten Mitt Romney. Aktuell finanziert er die Kampagne von Netanjahus Likud-Partei bei den Knesset-Wahlen. Nach der Begegnung erklärten Adelson, der 2013 durch die unverhohlene Forderung nach einem präventiven Nuklearangriff der USA auf den Iran für Schlagzeilen sorgte, und der vermeintliche Kriegsgegner Paul, in der Nahost-Politik seien sie ein Herz und eine Seele. Paul fabulierte sogar davon, die Republikaner zur ersten Wahl der jüdischen Bürger Amerikas, die traditionell dem linksliberalen Flügel der Demokraten nahestehen, zu machen.

10. März 2015


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