Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


USA/1372: Präsidentenwahl 2016 - Paris löst Terror-Debatte aus (SB)


Präsidentenwahl 2016 - Paris löst Terror-Debatte aus

Republikaner beschwören den Geist des 11. September wieder herauf


Auf keinem Feld wird im Kampf um die US-Präsidentschaft so erbittert gestritten wie auf demjenigen der Außen- und Sicherheitspolitik. Das hat einen einfachen Grund. Traditionell stehen die Amerikaner ausländischen Militärinterventionen skeptisch bis ablehnend gegenüber. Gleichwohl ist Amerikas Führungsrolle in der Welt für die Energie-, Finanz- und Rüstungsindustrien der USA unerläßlich. Aus jenen Wirtschaftssektoren kommen auch die größten Wahlkampfspenden. Wer Präsident werden will, kann auf die Finanzhilfe dieser Branchen unmöglich verzichten. Also versucht jeder Kandidat mit immer neuen chauvinistischen, scheinpatriotischen Argumenten die Wähler von der Notwendigkeit des gigantischen US-Militärapparats zu überzeugen und gleichzeitig die politische Konkurrenz zu übertrumpfen. Die "Terrorangriffe" von 13. November in Paris haben die ohnehin aufgeladene Debatte um die richtige Außen- und Sicherheitspolitik Washingtons ins Hysterische abgleiten lassen. Vor allem die Republikaner versuchen aus den von den US-Medien hochgespielten Erinnerungen an die Flugzeuganschläge vom 11. September 2001 Profit zu schlagen.

Gleich am Tag nach den schockierenden Ereignissen in der französischen Hauptstadt fand in Iowa unter den Bewerbern um die Nominierung zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten - Ex-Außenministerin Hillary Clinton, der unabhängige Sozialist aus Vermont, Bernie Sanders, und Martin O'Malley, der ehemalige Gouverneur von Maryland - eine Fernsehdebatte statt, bei der die Beteiligten sich lobenswerterweise mehr Sachargumenten als billiger Demagogie bedienten. Alle drei Demokraten machten sich für ein verstärktes Vorgehen gegen den Urheber der Anschläge von Paris, die von Syrien und dem Irak aus operierende "Terrrormiliz" Islamischer Staat (IS), im Rahmen einer multinationalen Anstrengung stark. Sanders gab Clinton durch ihre Zustimmung als Senatorin für New York zum Einmarsch der US-Streitkräfte in den Irak 2003 sowie ihre Teilnahme am Sturz Muammar Gaddhafis als Außenministerin Obamas eine Mitschuld am Chaos im Nahen Osten und an der Entstehung von IS, während O'Malley die Nähe der ehemaligen First Lady zur Wall Street monierte. Clinton forderte die "Vernichtung" von IS und hob zugleich ihre größere Erfahrung in außenpolitischen Belangen - sozusagen im Umgang mit der wirklichen Welt auf der anderen Seite des Atlantiks, der Karibik und des Pazifiks - hervor.

Bei den Republikanern ging es an diesem traurigen Wochenende weit weniger sachlich zu. Der Immobilienhai Donald Trump, der sehr zur Verärgerung der republikanischen Parteiführung nach wie vor in den Umfragen vorne liegt, übte sich in den von ihm gewohnten Plattheiten. Zum Thema IS und dessen militärisch-wirtschaftlicher Infrastruktur meinte Trump, dessen Wahlversprechen lautet, Amerika wieder groß zu machen: "Ich würde die Scheiße aus ihnen herausbombardieren. Ich würde die Arschgeigen in die Luft jagen. Jawohl. Ich würde die Pipelines in die Luft jagen. Ich würde die Raffinerien in die Luft jagen. Ich würde alles, was sie haben, in die Luft jagen. Danach wäre nichts mehr übrig".

Trumps derzeitige Hauptrivalen im republikanischen Lager, der junge Senator aus Florida, Marc Rubio, und der Ex-Gouverneur des Sonnenstaates, Jeb Bush, kehrten nicht minder den zu allem entschlossenen Antiterrorkrieger hervor, auch wenn sie in ihrer Rhetorik auf die Fäkalsprache verzichteten. Rubio behauptete, die USA befänden sich "im Krieg" mit dem "radikalen Islam" und kritisierte Hillary Clinton dafür, letzteren Begriff nicht benutzen zu wollen. Rubio verglich die vom IS ausgehende Bedrohung mit derjenigen Nazi-Deutschlands und vertrat dabei die Ansicht, die NATO müsse den Beistandsfall ausrufen. Bush, dessen Bruder sowie auch Vater während ihrer Zeit im Weißen Haus Krieg gegen den Irak führten und so das einst industriell entwickelste Land der arabischen Welt zugrunde richteten, plazierte sich mit der Behauptung, der IS wolle die "westliche Zivilisation" zerstören, weswegen die USA ihm den Krieg erklären und das ganze Arsenal des Pentagons gegen das Kalifat der Dschihadisten zur Anwendung bringen müsse.

Rubio und Bush konkurrieren beide um die Gunst der Neokonservativen, die bei den Republikanern darüber bestimmen, wohin das Geld der Großspender der Partei fließt. Beim Auftritt in der ABC-Politsendung "This Week" gab Ober-Neocon William Kristol, Chefredakteur der von Rupert Murdoch herausgegebenen Zeitschrift Weekly Standard, die von der Kriegstreiberfraktion in Washington favorisierte Marschroute vor. Nach wochenlangen Flächenbombardements sollten die USA 50.000 Soldaten in die ostsyrische Stadt Raqqa schicken und die IS-Hochburg "säubern". Nur so lasse sich nach Ansicht Kristols das Problem IS lösen und das ramponierte Image der USA in der Welt zu neuem Glanz führen. "Amerika über alles" - so lautet die krude, extrem kurzsichtige Dauerantwort der Neocons auf alle Probleme dieser Welt.

17. November 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang