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USA/1408: Washington - Trump bleibt ungerührt ... (SB)


Washington - Trump bleibt ungerührt ...


Götterdämmerung im Weißen Haus Donald Trumps und das nach nur eineinhalb Jahren als US-Präsident im Amt - so das Urteil der bürgerlich-liberalen Medien nach dem angeblich schwärzesten Tag im Leben des New Yorker Immobilienmagnaten und Reality-Fernsehpromis. Am Nachmittag des 21. August war von einem Bundesgericht in Alexandria, Virginia, Trumps Freund und ehemaliger Wahlkampfleiter Paul Manafort der Steuerhinterziehung und des Betrugs in acht Fällen schuldig gesprochen worden. Nur wenige Minuten später - für die Produzenten und Konsumenten diverser Nachrichtenfernsehkanäle besonders spannend - bekannte sich Trumps früherer Anwalt Michael Cohen vor einem Bundesgericht in Manhattan, New York, in acht Fällen des Betrugs sowie des Verstoßes gegen die Wahlkampfgesetze schuldig. Nichtsdestotrotz sind die Hoffnungen auf einen baldigen Rücktritt des juristisch bedrängten Trump bzw. ein Amtsenthebungsverfahren des Kongresses gegen den 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika mehr als verfrüht, auch wenn das selbstzufriedene Dauergrinsen der MSBNB-Moderatorin Rachel Maddow am Abend des 21. August oder die an den Watergate-Skandal erinnerende Schlagzeile "All the President's Crooks" der New York Times am darauffolgenden Tag das Gegenteil suggerierten.

Die Strafverfahren gegen Manafort und Cohen entspringen beide den Sonderermittlungen des ehemaligen FBI-Chefs Robert Mueller, der seit Mai 2017 der Frage nachgeht, ob es eine Einmischung Rußlands bei der Präsidentenwahl 2016 zugunsten Trumps, gar eine heimliche und damit illegale Zusammenarbeit des republikanischen Kandidaten und seines Wahlkampfteams mit Vertretern Moskaus gegeben hat. Bekanntlich machen Hillary Clinton und führende Geheimdienstmitarbeiter der Regierung Barack Obamas Rußlands Präsident Wladimir Putin für die damalige Niederlage der ehemaligen Außenministerin und Kandidatin der Demokraten verantwortlich. Sie behaupten, die Russen hätten im Frühsommer 2016 die Computer der demokratischen Parteiführung in Washington gehackt und über Julian Assange und Wikileaks in London die Weltöffentlichkeit über die gezielte Benachteiligung von Clintons schärfstem Gegner bei den Vorwahlen, des linkslastigen Senators Bernie Sanders aus Vermont, informiert. Bis heute hat es keinen einzigen Beweis für diese These gegeben, sondern lediglich Behauptungen und Vermutungen. Assange selbst hat wiederholt bestritten, daß die Daten gehackt wurden, geschweige denn, daß er sie aus russischer Hand erhalten habe.

Wie dem auch sei. Auch wenn die Anklagen gegen Manafort und Cohen nicht unmittelbar mit "Russiagate" zu tun haben, so sind beide Teile einer sogenannten "fishing expedition", mit der Sonderermittler Mueller Trumps Ex-Wahlkampfleiter und Ex-Rechtsbeistand dazu bringen will, den Präsidenten zu belasten, um sich vor langen Haftstrafen zu retten. Dies stellte sogar der zuständige Richter T. S. Ellis am Bundesgericht in Alexandria zum Auftakt des Manafort-Prozesses am 4. Mai fest, als er Mueller an den Kopf warf: "Sie interessieren sich nicht wirklich für Herr Manaforts Bankbetrug. Wofür Sie sich wirklich interessieren sind Informationen, die er Ihnen über Herrn Trump geben könnte, die für ihn eine Anklageerhebung oder ein Amtsenthebungsverfahren bedeuten könnten."

Nach der Verurteilung drohen dem 69jährigen Manafort, der einst Präsident Ronald Reagan als Berater diente, mehr als 30 Jahre Gefängnis. Im September wird ein weiterer Prozeß gegen ihn eröffnet, diesmal wegen Geldwäsche sowie undeklarierter Lobbyarbeit für einen ausländischen Staat. Alle Vorwürfe gegen Manafort hängen mit dessen Tätigkeit als Berater des früheren Präsidenten der Ukraine, Viktor Janukowitsch, der bekanntlich 2014 infolge der von der CIA geschürten und gesteuerten Maidan-Proteste in Kiew gewaltsam gestürzt wurde, zusammen. Weil Janukowitsch als Moskau-freundlich gilt, macht dies Manafort aus Sicht der tonangebenden Russophoben in Washington verdächtig. Das Argument des Trump-Amigos, er habe bei seiner Arbeit in Kiew stets für eine Annäherung der Ukraine an den Westen plädiert, lassen die Kreise um Leute wie John McCain partout nicht gelten.

Bisher jedenfalls hat Manafort keinen Versuch unternommen, einen Deal mit Mueller für sich herauszuholen, sondern ist standhaft geblieben. Dafür wurde er von Trump als "mutig" bezeichnet, was wiederum die New York Times und der Londoner Guardian dazu veranlaßten, den amtierenden US-Präsidenten mit John Gotti respektive Tony Soprano zu vergleichen. Anders sieht es bei Cohen aus. Hatte dieser noch letztes Jahr großmäulig behauptet, er würde für Trump "eine Kugel abfangen", so stellt der New Yorker Winkeladvokat nun offenbar Vaterland und Familie über alles. Im US-Fersehen behauptete Cohens Anwalt Lanny Davis, der vor rund zwanzig Jahren Bill Clinton im Amtsenthebungsverfahren wegen der Monica-Lewinsky-Affäre verteidigte, Cohen habe mit Trump gebrochen, nachdem er dessen angeblich unterwürfige, staatsverräterische Haltung gegenüber Putin beim Gipfeltreffen der beiden Präsidenten am 16. Juli in Helsinki gesehen habe. Auf diese Offenbarung trifft der berühmte Zitat des großen englischen Gelehrten Samuel Johnson aus dem Jahr 1775 - "Der Patriotismus ist die letzte Zuflucht des Halunken" - voll zu.

An Cohens Sorge um die Familie ist mehr dran. Über seinem Haupt schwebt noch eine Anklage wegen eines umfangreichen Bankenschwindels. Mit Dutzenden von Taxi-Lizenzen der Stadt New York, die im Namen verschiedener Mitglieder seiner Familie ausgestellt waren, als Sicherheit, hat Cohen laut Gerichtsakten von der Sterling National Bank und der Melrose Credit Union Kredite in Höhe von 20 Millionen Dollar erschwindelt. Wegen dieser Angelegenheit könnten er und andere Mitglieder seines Klans für lange Zeit hinter Gitter wandern. Das ist ein enormes Druckmittel, das Mueller gegen Cohen in der Hand hat.

Abgesehen von der Anrüchigkeit stellt die Zahlung von Schweigegeld an die Pornodarstellerin Stormy Daniels - $130.000 - und das Playboy- Modell Karen McDougal - $150.000 - im Jahr 2016 leiglich eine Lappalie dar. Unabhängig davon, ob Trump davor oder erst danach von dem Vorgang erfuhr, dürften die beiden Zahlungen vor Gericht nur schwerlich als Verstoß gegen die Wahlkampfgesetze Bestand haben. Erstens hat Trump am Ende das Schweigegeld aus eigener Tasche bezahlt und keine Wahlkampfspenden dafür benutzt. Zweitens war es zwar für Trump im Wahlkampf hilfreich, daß die aufregenden Details von Daniels und McDougals Liebesnächten mit The Donald der breiten Öffentlichkeit vorenthalten wurden, doch kann das Schweigegeld auch gezahlt worden sein, um damals Ehefrau und First Lady in spe Melania zu schützen. Wenn also die Transaktion keinem ausschließlichen Wahlkampfzweck diente, liegt keine Gesetzesübertretung vor.

Im ganzen Wust der Berichterstattung der letzten 48 Stunden über die juristischen Schwierigkeiten von Manafort und Cohen ist lediglich Aaron Matté von The Real News Network aufgefallen, daß hier Muellers Russiagate-Ermittlungen eine schwere Niederlage erlitten haben. Auf Twitter hat Matté ein Interview von Cohen-Anwalt Davis bei CNN am 22. August analysiert. Entgegen anderslautender Andeutungen, die er zuvor bei MSNBC gegenüber Rachel Maddow gemacht hatte, denen zufolge Cohen bei entsprechend schonender Behandlung Mueller brisante Informationen, möglicherweise entscheidende Hinweise in bezug auf eine frühere Verbindung zwischen dem Trump Tower und dem Kreml zur Verfügung stellen könnte, erklärte Davis im Interview mit CNN-Moderator Anderson Cooper, daß Cohen kein Wissen darüber habe, daß der Kandidat am 9. Juni 2016 vom bevorstehenden Treffen seines Sohns Donald jun. mit einer russischen Anwältin, die angeblich "Schmutzgeschichten" über Clinton in petto hatte, wußte.

Doch nicht nur das. Gegenüber Cooper hat Davis zudem bestritten, daß Cohen jemals in Prag gewesen ist. Beide Episoden - das Treffen Donald juniors mit der Russin Natalia Veselnitskaya im Trump Tower sowie die angebliche konspirative Begegnung Cohens mit irgendwelchen Handlangern Putins in der tschechischen Hauptstadt - stellen Schlüsselemente von "Russiagate" dar, ohne die das ganze Wackelkonstrukt wie einst die Zwillingstürme an 9/11 in sich zusammenfiele. Man muß Trump, der sich schamlos des Rassismus und des Chauvinismus der weißen Amerikaner für die eigenen Zwecke bedient, nicht mögen, um zu erkennen, daß seine politischen Gegner in Washington ihrerseits rücksichtslose Hasardeure sind, denen die Gesetze und die Beziehungen zur Atommacht Rußland völlig egal sind, wenn es darum geht, die Macht im Staat für sich zu erobern.

23. August 2018


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