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BERICHT/053: Wahlparteitag Die Linke Hamburg - Ringen um den Zukunftsentwurf (SB)


Programmdebatte auf dem Wahlparteitag der Hamburger Linken am 8. Januar 2011

Abstimmung der Delegierten - © 2011 by Schattenblick

Rege Beteiligung an den Abstimmungen über Änderungsanträge
© 2011 by Schattenblick

Die antikommunistische Offensive zur Maßregelung gesellschaftsverändernder Ambitionen zwang dem Hamburger Wahlparteitag der Linken ein hohes Maß an Außendarstellung auf. Zugleich wirkte sie unvermeidlich tief hinein in die innerparteiliche Diskussion um programmatische Positionen vor der Bürgerschaftswahl. Da Die Linke als Gesamtpartei um ein Grundsatzprogramm ringt, das für alle Flügel und Strömungen akzeptabel ist, ohne die Vielfalt der Positionen unzumutbar zu beschneiden und damit das Lebenselixier fruchtbarer Streitbarkeit auszutrocknen, hatte der Landesverband in der Hansestadt eine Herkulesaufgabe zu bewältigen. Mit einem bunt zusammengewürfelten Sammelsurium austauschbarer Leerformeln, wie sie bundesdeutsche Wahlkämpfe den Bürgern zuzumuten pflegen, war es nicht getan. Das verbot der Anspruch der Partei, die Mehrheitsinteressen der Bevölkerung nicht per Rathauspolitik zum Schweigen zu bringen, sondern ihnen Stimme und Durchsetzungskraft zu verleihen. Das ließ aber auch der anhaltende gesamtparteiliche Diskussionsprozeß nicht zu, der den Hamburger Landesverband mit dem Privileg und der Bürde versah, zum Auftakt eines ereignisreichen Wahljahrs den richtungsweisenden Kurs anzulegen.

Auf dem außerordentlichen Parteitag legte die Programmkommission einen Entwurf vor, den es im Feuer zahlreicher Änderungsanträge der Delegierten zu schmieden galt. Innerparteiliche Demokratie ernst zu nehmen, verlangte allen Beteiligten ein hohe Bereitschaft ab, ihre Position zu präzisieren und im strapaziösen Prozeß der Rede und Gegenrede die Reife der Beschlußfassung herbeizuführen. Die den avisierten zeitlichen Rahmen sprengende Dynamik der Kontroversen stellte Geduld und Konzentration auf die Probe, zumal das Nervenkostüm zu vorgerückter Stunde naturgemäß dünner zu werden begann. Dennoch wurde der Sack widerstreitender Wünsche und Meinungen schlußendlich erfolgreich gehütet und zum beschlußfähigen Gesamtkonzept geschnürt, das sowohl im inhaltlichen Resultat als auch mit Blick auf seine Genese bemerkenswert ist. Der verzweifelte Zwischenruf eines Delegierten, man könne doch an dieser Stelle kein Parteiprogramm ausformulieren, traf den Nagel durchaus auf den Kopf. Dem Hamburger Landesverband ist es gelungen, sich für den Wahlkampf mit einem Programm zu rüsten, welches das Profil der Linkspartei weit über den Tag des Urnengangs hinaus kenntlich und überprüfbar machen dürfte. Vor allem aber entspringt es in hohem Maße dem Engagement der Basis, die sich weder als Alibifunktion mißbrauchen noch zum Zuträger degradieren läßt.

Da es galt, programmatische Weichenstellungen vorzunehmen und Zielvorgaben zu fixieren, markierten die eingebrachten Änderungsanträge oftmals den Frontverlauf zwischen konträren Flügeln und Fraktionen innerhalb der Hamburger Linken. Anhand der maßgeblichen Kontroversen lassen sich die bedeutsamsten Widersprüche und Richtungskämpfe herausarbeiten, die als Schwäche zu interpretieren nur einem Protagonisten verkrusteter Führungsstrukturen und parteidisziplinärer Machtworte einfallen könnte. Die zu Wahlkampfzeiten allerorts geforderte Geschlossenheit kann sich aus unterschiedlichen Quellen speisen, von denen die im Ringen widerstreitender Positionen und Entwürfe erkämpfte Bündnisfähigkeit in der Durchsetzung gemeinsamer Forderungen gerade auf lange Sicht gewiß nicht die schlechteste ist.

Die Reden der Parteivorsitzenden Gesine Lötzsch und des Bundestagsfraktionschefs Gregor Gysi führten den Delegierten die in den vorangegangenen Tagen hochgekochte Kommunismus-Debatte in ihrer Widerspruchslage vor Augen, welche die dünne Decke eilig gestrickter Kompromißformeln nur notdürftig verhüllen konnte. Hier setzte die Parteiführung Signale für die Hamburger Basis, die den Umständen entsprechend auf den aktuellen Wahlkampf gemünzt waren, doch darüber hinaus Einfluß im grundsätzlichen Streit um die perspektivische Ausrichtung der Partei und deren Zielsetzung nahmen. Nach seinem Auftritt vor den Delegierten stellte sich Gysi den Fragen der Presse, die ihm wie nicht anders zu erwarten, in erster Linie ein Bekenntnis antikommunistischer Bußfertigkeit entlocken und ihn in die Rolle des Kronzeugen gegen die Parteilinke drängen wollte.

Gregor Gysi auf Pressekonferenz - © 2011 by Schattenblick

Gregor Gysi klärt über die Strategie der Begriffswahl auf
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Gregor Gysi entzog sich dieser Klemme mit einem rhetorischen Manöver, dessen Tragweite im Kontext des permanenten Richtungsstreits es wert ist, auf den Prüfstand gelegt zu werden. Während "Kommunismus" nun einmal ein vorbelasteter Begriff sei, mit dem hierzulande viele Menschen vor allem Negatives verbinden, gelte das für "Sozialismus" nicht. Daher spreche man besser von letzterem, da es nun wirklich keinen Sinn mache, unnötig Anlaß zu Mißverständnissen zu geben, so der Vorsitzende der Bundestagsfraktion in der Pressekonferenz:

"Wir standen ja vor der Frage 1989, und ich habe dann festgestellt, daß in den alten Bundesländern komischerweise, obwohl die DDR sich immer sozialistisch nannte - die nannte sich ja nicht kommunistisch -, der Begriff des Sozialismus kaum diskreditiert ist, aber der des Kommunismus schwer diskreditiert ist. Und dann gibt's immer eine Frage, nämlich nehme ich auf das Denken und Fühlen der Menschen Rücksicht oder nicht. Ich kann natürlich sagen, ich verstehe darunter etwas anderes, etwas Edles, und weil ich darunter etwas Edles verstehe, nehme ich den Begriff. Es interessiert mich eben nicht, was andere darunter verstehen. Aber dann beginne ich mit der Selektion, und dann endet man irgendwann in der Sekte, weil das Denken der Facharbeiterin, der Kassiererin, des kleinen Unternehmers mir egal ist. Ich weiß, ich müßte bei dem Begriff immer erst mal hundert Erklärungen abgeben, was ich alles nicht meine, wenn ich ihn benutze, dann lasse ich ihn fallen, dann brauche ich ihn nicht. Punkt. Wir haben seit 1990 hervorragend damit gelebt, daß wir ihn nicht brauchten, und ich sage Ihnen, ich bin davon überzeugt, weder in unserer politischen Alltagspraxis noch in unserem Programm wird er eine Rolle spielen."

Indem Gysi leichtfüßig die beiden Begriffe gleichsetzte und ihre Verwendung der Beliebigkeit unterwarf, plädierte er für einen Pragmatismus, der den Kurswechsel fast beiläufig und unmerklich festzurren sollte. Die gezielt vorgehaltene Unschärfe zentraler Zielsetzungen und Entwürfe läßt diese verschwimmen, als handle es sich um Traumgespinste, die man getrost auf dem Altar realpolitischer Fakten und Erfordernisse opfern kann.

Textprojektion auf großer Leinwand - © 2011 by Schattenblick

Aufmunternde Botschaft an die Delegierten
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Wäre die Systemfrage ein für allemal entschieden, wie dies die breite Front der Parteigänger kapitalistischer Verwertung proklamiert, bedürfte es des unausgesetzten Nachtretens gegen die für tot erklärte Option einer fundamentalen Gesellschaftsveränderung nicht. Ein System, das mehr denn je Verlierer produziert, aus deren Substanz der Nährstoff der Sieger gewonnen wird, weiß nur zu gut, daß Widerstand und Aufbegehren unablässig im Zaum gehalten werden müssen. Was die antikommunistische Offensive als anachronistisch, überwunden und absurd verteufelt und verhöhnt, ist offenbar ein Vermächtnis, das um der dauerhaften Herrschaftssicherung willen aus dem Gedächtnis getilgt werden soll.

Die Bereitschaft, dem Kommunismus abzuschwören, gleichgültig ob man sich je zu ihm bekannt hat oder nicht, kommt einem Akt der Unterwerfung gleich, dem zwangsläufig weitere folgen werden. Unter dem Diktat, die Gesinnung offenzulegen und ihre illegitimen Auswüchse zu beschneiden, ist mit der Ausflucht nicht gedient, Begriffe wie das Hemd zu wechseln. Man muß kein Kommunist sein, um ihm in der Stunde der Verfolgung zur Seite zu stehen und dafür zu streiten, daß er seine Überzeugung offen und ungehindert vertreten darf. Glaubt man aber davonzukommen, indem man geltend macht, mit diesem Kommunisten nichts zu tun zu haben, hat man sich die Konsequenzen der Anpassung ins Haus geholt.

Die kritische Prüfung der Frage, welche Überzeugungen man tatsächlich teilt und wie es um deren Grenzen bestellt ist, wird die parteiinterne Debatte der Linken noch auf Jahre bestimmen - was ihr zumindest zu wünschen wäre. Ist der Konsens erst einmal zementiert, daß man selbstverständlich die Zielsetzung und Wertordnung teilt, weshalb man darüber kein Wort mehr zu verlieren braucht, hat das Verhängnis seinen Lauf genommen. Das Ende der Programmdiskussion, das von außen und innen an die Linkspartei herangetragen wird, verheißt ihr doch nur, endlich erwachsen zu werden, wie vor ihr die Grünen, die bereitwillig ihren Preis gezahlt haben.

Joachim Bischoff am Rednerpult - © 2011 by Schattenblick

Joachim Bischoff ... auf Listenplatz 2 gewählt
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Setzt man die Übereinkunft stillschweigend voraus, ist einem Pragmatismus Tür und Tor geöffnet, hinter dem sich das klammheimliche Abkoppeln von radikaleren Positionen verbirgt. Das Argument, dieser oder jener Programminhalt sei ja schön und gut, doch könne man ihn den Bürgern im Wahlkampf unmöglich plausibel machen, kaschiert zumeist die nicht vorhandene Bereitschaft, die entsprechenden Forderungen zu vertreten. Dies wurde bei der Antragsdebatte zum Wahlprogramm des öfteren deutlich, in der es nicht an eingebrachten Verfahrensvorschlägen zur Entschärfung des Entwurfs mangelte. Dies galt insbesondere für die von Joachim Bischoff vertretene Auffassung, die Formulierung langfristiger Zielsetzungen habe nichts im Wahlprogramm zu suchen, da dieses nichts vorwegnehmen dürfe, was erst noch auf Bundesebene diskutiert werden müsse.

Deutlicher hätte die Absage an die Basis kaum sein können, wurde ihr doch schlichtweg das Recht abgesprochen, über tagespolitische Erfordernisse hinaus auf die Zukunft der Parteipolitik Einfluß zu nehmen. Das vielbeschworene Konstrukt radikaler Realpolitik als Kompromißformel mitunter weit auseinanderliegender Positionen ist dehnbar bis zur Unvereinbarkeit seiner beiden Bestandteile. Der etablierte Flügel des Landesverbands tendiert mit Blick auf die Wahlergebnisse dazu, das Festhalten an Visionen und das Eintreten für weitreichende Entwürfe Schritt für Schritt als verzichtbares Beiwerk zu deklarieren und zugunsten kompatibler Rathauspräsenz zu entsorgen.

Christin Bernhold am Mikrofon - © 2011 by Schattenblick

Christin Bernhold von der Linksjugend
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Dem stemmen sich insbesondere die Linksjugend ['solid] und die AG Studierendenpolitik entgegen, die das Gros relevanter Änderungsanträge im Sinne einer Richtungsdebatte einbrachten. Was sie mit Sachkompetenz und unerschütterlicher Verve vortrugen, gab dem gesetzteren Lager der Delegierten manche Nuß zu knacken. Längst über das Schattendasein einer tolerierten Außenseiterposition hinaus setzt der rebellische Nachwuchs deutliche Zeichen, die sich in teilweise knappen Abstimmungsergebnissen niederschlugen. So mahnten Christin Bernhold und Christian Stache von der Linksjugend an, sich im Sinne Rosa Luxemburgs zu revolutionärer Realpolitik zu bekennen. Konkrete Schritte seien mit langfristigen Perspektiven zu verbinden, weshalb das Ziel einer sozialistischen Gesellschaft beim Namen genannt werden müsse. Es gelte, eine antikapitalistische Position klar herauszuarbeiten und zu unterstreichen, daß man eine tiefgreifende gesellschaftliche Veränderung auch mit Regierungsbeteiligung nicht herbeiführen könne. Man wolle den Widerstand ins Rathaus tragen, doch liege das Potential zur Veränderung nicht in der parlamentarischen Arbeit, sondern "auf der Straße".

Für die AG Studierendenpolitik bestand Till Petersen darauf, alle anderen Parteien in der Bürgerschaft mit klaren Worten zu kritisieren und ihre Kumpanei mit der einflußreichen Handelskammer bloßzustellen. Ein konsequenter Politikwechsel, wie ihn sich der Landesverband auf die Fahnen geschrieben hat, müsse beinhalten, weniger auf Parlamentarismus, als vielmehr auf Basisarbeit zu setzen. Wenngleich diese Änderungsanträge von einer mehr oder minder knappen Mehrheit der Delegierten zurückgewiesen wurden, war die Präsenz radikalerer Positionen im Landesverband doch manifest.

Till Petersen - © 2011 by Schattenblick

Till Petersen von der AG Studierendenpolitik
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Besonders deutlich zeichneten sich die voneinander abweichenden Auffassungen der Parteiflügel zudem an einer Reihe weiterer gesellschaftlich virulenter Themenkomplexe ab. Der Antrag der Bürgerschaftsabgeordneten Christiane Schneider, die rasant um sich greifende Islamophobie ins Wahlprogramm aufzunehmen, löste eine heftige Kontroverse um die Rangfolge der Nennung im Verhältnis zu Antisemitismus aus. Wenngleich es nicht zu der an sich gebotenen begrenzten Aussprache kam, war doch klar, daß sich dieser Streit nicht an einer bloßen Formalie entzündete. Das Argument, der Antisemitismus sei das dominierende Phänomen, da er die gesellschaftliche Mitte erreicht habe, was für die verbreitete Islamfeindlichkeit allemal zutrifft, wirkte sich dahingehend aus, daß Islamophobie per Mehrheitsbeschluß als erst an dritter Stelle hinter Antisemitismus und Antiziganismus anzuprangerndes rassistisches Übel eingestuft wurde.

Gegen Ende der Antragsdebatte wurde es dann noch einmal spannend, da die Linksjugend einen weitreichenden Änderungsvorschlag im Bereich der Friedenspolitik einbrachte. Obgleich man sich einig war, daß diese ein Alleinstellungsmerkmal der Linkspartei ist, gingen die Auffassungen weit auseinander, ob der Kapitalismus als wesentliche Ursache von Kriegen aufgefaßt und beim Namen genannt werden sollte. Schon die vorgeschlagene Überschrift "Friedens- oder Kriegsstadt Hamburg?" ging den Delegierten mehrheitlich zu weit. Sie sprachen sich für die Umformulierung in "Rüstungsstadt" aus. Die Relevanz für die Landespolitik hatten die Antragsteller damit begründet, daß Hamburg nicht nur eine Rüstungsschmiede ist, sondern auch die Militarisierung gegen zivilen Protest und deren Präsenz im Schulunterricht vorantreibt. Daß in der Hansestadt doch kein Krieg herrsche, wie ein Gegenredner es ausdrückte, zeugte von der unter den Delegierten offenbar favorisierten Entkopplung der äußeren Kriegführung von jener an der Heimatfront, deren untrennbare Verflechtung im Änderungsantrag angesprochen wurde.

Im folgenden konzentrierte sich die Kontroverse auf die ersten beiden Sätze, denen zufolge die Bundesrepublik "für die ökonomischen, machtpolitischen und geostrategischen Interessen der herrschenden Klasse neue imperialistische Kriege auf der ganzen Welt führt. Daran wird sich nichts ändern, solange die kapitalistische Produktionsweise die menschliche Gesellschaft bestimmt." Mit der Behauptung, dies sei eine unverständliche und redundante Aneinanderreihung von Schlagworten, setzte Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, für das Wahlprogramm die entschärfte Formulierung durch: "Die Bundesrepublik führt Kriege auf der ganzen Welt - nach eigenen Aussagen auch, um deutsche Wirtschaftsinteressen durchzusetzen."

Jan van Aken - © 2011 by Schattenblick

Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag
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Da van Aken moniert hatte, die Differenzierung in "ökonomische, machtpolitische und geostrategische Interessen" sei ebenso unklar wie der Begriff "neue imperialistische Kriege", verteidigte Christian Stache von der Linksjugend den Änderungsantrag, indem er die dort verwendeten Begriffe inhaltlich definierte und sich unter Verweis auf relevante Autoren und von der Linksjugend abgehaltene Seminare zum Thema dagegen verwahrte, lediglich "Begriffsklauberei oder Dampfplauderei" zu betreiben. Vor allem betonte er die Unabhängigkeit antimilitaristischer Opposition, indem er sich dagegen aussprach, die eigene Position zur Kriegspolitik der Bundesrepublik davon abhängig zu machen, "ob die Bundesregierung zugibt oder nicht, daß sie aus ökonomischen Interessen Kriege führt".

Wer meint, es seien doch lediglich Nuancen an einem längeren und ansonsten inhaltlich akzeptierten Änderungsantrag modifiziert worden, blendet geflissentlich die gezielte Vermeidung einer explizit kapitalismuskritischen Herleitung aus. Wiederum mußte der vorgeblich harmlose Einwand herhalten, die einleitenden Sätze ließen sich griffiger und verständlicher formulieren, um in der innerparteilichen Richtungsdebatte die Deutungshoheit zu wahren. Daß dies nur unter Einsatz des politischen Gewichts Jan van Akens und mit knapper Mehrheit möglich war, darf sich die an dieser Stelle noch einmal in die Schranken gewiesene Linksjugend als beachtlichen Erfolg ans Revers heften.

Delegierte bei der Abstimmung - © 2011 by Schattenblick

Abstimmung zu vorgerückter Stunde
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Bemerkenswert desinformiert über den aktuellen Stand der Debatte zeigten sich die Delegierten hingegen, als die Einfügung des Satzes "Auch Tiere haben Rechte" beantragt wurde. Man konnte sich zwar dazu durchringen, Massentierhaltung abzulehnen, ließ aber weitgehend das Verständnis für den unmittelbaren Zusammenhang der alltäglichen Ausbeutung und Vernichtung von menschlichen und tierischen Lebewesen und die daraus abzuleitenden Konsequenzen vermissen. Besonders abstrus war das vorgetragene Gegenargument, die Forderung nach Tierrechten degradiere Menschen zu Tieren und würdige sie deshalb herab.

Gegen diese Auffassung bezog wiederum Christian Stache Stellung, indem er bekräftigte, daß Tiere für ihn durchaus Teil sozial-ökologischer Kämpfe sein können, während er die idealistischen bzw. essentialistischen Unterscheidungen von Mensch und Tier als ideologische und bürgerliche Differenzierungen verwarf. Um eine viel zu kurz greifende Festlegung im Wahlprogramm zu verhindern, stimmten die Befürworter einer umfassenderen Auseinandersetzung mit der Frage der Tierrechte und der Aufhebung des Gewaltverhältnisses zwischen Mensch und Tier gegen den Antrag. Stache forderte den Parteitag anschließend in einer kurzen Erklärung auf, endlich eine Debatte über dieses Thema zu eröffnen.

Wenngleich der Hamburger Landesverband mithin ein breitgefächertes und gut aufgestelltes Wahlprogramm erarbeitet, diskutiert und beschlossen hat, lassen die auf dem Parteitag aufgebrochenen Kontroversen erkennen, wo derzeit die Fronten der Abgrenzung gegen radikalere Positionen verlaufen. Der Linkspartei ist zu wünschen, daß das letzte Wort der lebendigen innerparteilichen Diskussion noch lange nicht gesprochen ist und der Wunsch nach guten Wahlergebnissen nicht zum Maß aller Dinge wird.

Plakat im Foyer - © 2011 by Schattenblick

Linke Positionen kurz gefaßt
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14. Januar 2011