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BERICHT/069: Zensus 2011 - Der Bevölkerung auf den Datenleib geschaut (SB)


Presse-Hintergrundgespräch mit DESTATIS am 13. April in der Handwerkskammer Hamburg

Mitarbeiter der Statistikämter vor Schaubild - © 2011 by Schattenblick

Dr. Sabine Bechtold, Thomas Riede, Dr. Annette Olbrisch
© 2011 by Schattenblick

Der Staat macht Inventur, und alle müssen mitmachen. Die Bevölkerung als nomineller Souverän nimmt sich gewissermaßen selbst unter die Lupe sozialstatistischer Erhebungen, doch scheint es sich in Anbetracht des Zwangscharakters der Volkszählung nicht um ein Unterfangen zu handeln, dem alle Beteiligten ad hoc zustimmen. Der Einblick des Staates in die persönlichen Lebensbelange erzeugt, wie plausibel auch immer begründet, Mißtrauen zumindest bei einigen Betroffenen. Das wirft die Frage auf, wer über wen verfügt, wenn umfassende Erkenntnisse über die soziostrukturellen, ökonomischen und kulturellen Bedingungen des Lebens in einem Land generiert werden.

Die tiefgreifenden materiellen Widersprüche kapitalistischer Gesellschaften sind in eine verfassungrechtliche Form gegossen, die prinzipielle Gleichbehandlung des einzelnen garantiert, ohne diese in der sozialen Praxis zu verwirklichen. Der zentrale gesellschaftliche Konflikt wirkt mithin in alle Lebensbereiche hinein und strukturiert das soziale Gemeinwesen als ein Ensemble divergierender Gruppen und Klassen, bei dem eher von einem Gegen- als einem Miteinander gesprochen werden muß. Im neutralen Selbstverständnis empirischer Sozialwissenschaften werden diese Bruchlinien und Konfliktzonen lediglich abgebildet, um Handhabe zur weiteren politischen Behandlung zu geben. Da die politische Willensbildung in der neoliberalen Marktwirtschaft vermeintlichen Sachzwängen unterliegt, mit denen die propagierte Egalität zugunsten partikulärer Verwertungsinteressen aufgehoben wird, ist das Mißtrauen, das Datenmaterial der Sozialstatistik verschärfe die Benachteiligung unterprivilegierter und ausgegrenzter Gruppen der Bevölkerung, allemal berechtigt.

Ausgehend vom Anspruch, möglichst zuverlässiges Datenmaterial zur sozialtechnokratischen Steuerung der Gesellschaft zu schaffen, läuft ein Zensus auf die maximale Differenzierung individueller Lebens- und Erwerbsformen hinaus. Um dem Ideal einer exakten Simulation der empirischen Verhältnisse möglichst nahezukommen, müssen dem statistischen Instrumentarium eine möglichst große Zahl detaillierter Informationen verfügbar gemacht werden. Auch wenn diese in der mathematischen Abstraktion algorithmischer Prozesse aufgehen, bleibt die Basis dieser Wissensproduktion der in den Attributen seiner Vergesellschaftung ausgeforschte einzelne Mensch. Auf diese Weise werden nicht nur die dynamischen, große Gruppen der Bevölkerung einschließenden Sozialkonflikte individualisiert und die dominanten Interessen äquivalent zum neoliberalen Verschleierungsdispositiv der "Eigenverantwortung" dem Blick entzogen. Die der wissenschaftlichen Evaluation vorgängigen Merkmale und Kriterien erschaffen den Menschen auf ihnen adäquate Weise als vergesellschaftetes Wesen. Grautöne, Übergangsprozesse und Fehlfarben werden in kultur- und verwertungsspezifischen Kategorien eingeebnet, um valide Ergebnisse zu erhalten.

Die Brisanz des Zensus 2011 erschließt sich mithin nicht nur aus der Datenschutzproblematik, zumal diese im Bereich der Sicherheits- und Sozialadministration längst so entwickelt ist, daß die diesbetreffende Sorge durch den erreichten Grad an individueller Transparenz überholt wurde. Im Ziel der angestrebten Totalerfassung, die Bevölkerung in ihrer demographischen, ökonomischen und ethnischen Zusammensetzung zu bestimmen, wird das Interesse an ihrer rationellen und effizienten Bewirtschaftung manifest. Darauf zuzugreifen gelingt um so mehr, je weniger schwarze Löcher und blinde Flecken ihre verwert- und verfügbare Gestalt aufweist. In Anbetracht einer Austeritätspolitik, die die Kapitalakkumulation zu Lasten der Erwerbsabhängigen und Empfängern von Sozialtransfers sicherstellen soll, und einer neoliberalen Sachzwanglogik, die eins zu eins in politische Handlungsimperative umgemünzt wird, steht zu befürchten, daß die letztlich durch das Gewaltmonopol des Staates gedeckte Wissensproduktion der Sozialstatistik in die erweiterte Verfügungsgewalt über die Einspeisung des einzelnen in Produktion und Reproduktion mündet. Die Atomisierung der Gesellschaft in den Registern der Datensätze emanzipiert nicht zu neuer Subjektivität, die sich diesem Übergriff widersetzen könnte, sondern zementiert die Parameter einer Sozialkonkurrenz, die im Abgleich mehr oder minder erfolgreicher Lebenspraxis strukturell vorgegeben ist.

Veranstaltungsaal in Handwerkskammer - © 2011 by Schattenblick

Medienvertreter beim Hintergrundgespräch mit DESTATIS
© 2011 by Schattenblick

Volkszählung aus der Sicht des Bundesamtes für Statistik

Tritt der Staat mit dem Auftrag einer Volkszählung auf den Plan, die den Bürgern ihre stets vorhandene, aber zumeist ignorierte Widerspruchslage besonders plakativ vor Augen führt, kommen Turbulenzen nicht von ungefähr. Das war zumindest in den 1980er Jahren der Fall, als sich erheblicher Widerstand gegen den Zensus formierte, ihn als nicht hinzunehmendem Zugriff ablehnte und durch diverse Kampagnen und Aktionsformen Sand ins Getriebe zu streuen versuchte. Die Klage gegen die ursprünglich 1983 geplante Volkszählung mündete in ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in dem erstmals das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung definiert wurde. Als dann die verschobene Volkszählung 1987 doch durchgesetzt wurde, geschah dies gegen teilweise vehementen öffentlichen Widerstand.

Von einem derart massenhaften Aufbegehren ist im Vorfeld des Zensus 2011, als dessen Stichtag der 9. Mai festgesetzt wurde, nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil scheint die aktuelle Volkszählung einer breiteren Öffentlichkeit bislang entgangen zu sein, wofür eine ganze Reihe mutmaßlicher Gründe zu nennen wären. Diese reichen von einem seit 1987 dramatisch verändertem gesellschaftlichen Klima über die entufernde Selbstveröffentlichung persönlicher Daten in sogenannten sozialen Netzwerken bis hin zu wesentlich schärferen Angriffen auf den Datenschutz wie die Vorratsdatenspeicherung, ELENA, die elektronische Gesundheitskarte und der e-Paß, denen gegenüber der Zensus weniger brisant anmuten mag. Und nicht zuletzt haben die Protagonisten der Volkszählung ihre Lektion gelernt und in den Jahren seit 1987 Schritte eingeleitet, das Verfahren reibungsärmer zu gestalten.

Deutsche Staatlichkeit perfektioniert ihre im europäischen Vergleich tiefgreifende administrative Durchdringung der Gesellschaft als Vorreiter in der Europäischen Union. Das gilt auch für den Zensus, der zwar mit Blick auf den ihm innewohnenden Zündstoff jahrelang ausgesetzt, jedoch unterdessen auf die europäische Ebene gehievt wurde, um von dort als Richtlinie zurückzukehren, der man hierzulande zu entsprechen hat. Da die deutsche Vergangenheit eine ganz spezifische Befindlichkeit hervorgebracht hat, erfordert die Aufweichung des Datenschutzes Fingerspitzengefühl, will man nicht unerwünschte Assoziationen mit der NS-Zeit wecken. Der Einfluß der deutschen Bundesregierung war schon 1996 in der EU so groß, daß eine damals geplante Zensusrichtlinie verhindert wurde. Für diese Intervention wurden Kosten- und Akzeptanzgründe ins Feld geführt, was darauf schließen läßt, daß man eine neue Boykottwelle befürchtete und zunächst ein ausgefeilteres Vorgehen entwickeln wollte.

Zwischen 2001 und 2003 wurde in Deutschland das Verfahren der "registergestützten Volkszählung" im Rahmen des Zensustests 2001 überprüft, und das Bundeskabinett entschied sich bereits 2006 und damit vor der Beschlußlage in der EU für den Einsatz dieses Verfahrens zur Volkszählung 2011. Im November 2007 verabschiedete die große Koalition aus CDU/CSU und SPD das Zensusvorbereitungsgesetz. Kurz vor der endgültigen Abstimmung auf europäischer Ebene im Februar 2008 wurde die Richtlinie noch einmal entschärft, indem man eine lange Liste "freiwilliger" Angaben aus dem Katalog strich, die man offenbar für zu brisant und damit kontraproduktiv hielt. Die EU-Richtlinie sieht vor, daß 2011 in allen Mitgliedsländern Volksbefragungen durchzuführen sind. Dabei ist ein Satz von Basisdaten vorgegeben, der an die europäische Statistikbehörde EUROSTAT übermittelt werden muß. Davon abgesehen kann die genaue Ausgestaltung der Befragung von Land zu Land sehr unterschiedlich sein. In Deutschland wurde das Zensusgesetz im Juli 2009 verkündet, womit ein jahrelanger Bahnungsprozeß seinen Abschluß fand, dem die Phase der Umsetzung folgen konnte.

Damit wurde eine politische Kontroverse, die in den 1980er Jahren hierzulande hohe Wellen schlug, systematisch verödet, ohne von dem Vorhaben der Volkszählung abzulassen. Dem Kreis der europäischen Führungsmächte angehörend, drückte Deutschland der EU auch in diesem Fall seinen Stempel auf, so daß die Volkszählung für alle Mitgliedsländer verpflichtend implementiert wurde. Zugleich verlagerte man die widerspruchsbefrachtete Problematik zunächst in die bürgerferne EU-Administration, wo sie der öffentlichen Wahrnehmung und Einflußnahme weitgehend entzogen war. In europäischem Recht verankert, tritt sie nun als Vorgabe höherrangiger Verpflichtung in Erscheinung, der sich nationale Politik unter Verschleierung der ursprünglichen Herkunft des Vorhabens fügt.

Bei der Berücksichtigung möglicher Einwände gegen den Zensus, denen man mit einer ausgefeilteren Gesetzeslage und insbesondere einem innovativem Verfahren zuvorkommt, handelt es sich keineswegs um ein Rückzugsgefecht angesichts beträchtlichen Widerstands in der bundesrepublikanischen Bevölkerung gegen die Volkszählung im Jahr 1987. Man hat ganz im Gegenteil aus der Not eine Tugend gemacht, indem die Fläche offener Konfrontation deutlich reduziert und zugleich die verwaltungsinternen Zugriffsmöglichkeiten massiv erweitert wurden. So wurde die direkte Bürgerbefragung, an der sich naturgemäß die meisten Einwände festmachen, auf rund zehn Prozent der Bevölkerung reduziert. Der Zensus 2011 stützt sich im Gegensatz zur Volkszählung 1987 vor allem auf die Zusammenführung der Datensammlungen der Meldeämter und der Bundesagentur für Arbeit. Diese werden gespeichert, mit Hilfe von Ordnungsnummern verknüpft und mit Daten aus dem gleichzeitig erstellten Wohnungsregister verbunden. Dazu müssen alle Eigentümer von Gebäuden und Wohnräumen detaillierte Angaben nicht nur zu den Liegenschaften, sondern auch deren Bewohnern machen.

Beim Zensus 2011 handelt es sich um eine beispiellose Zusammenführung persönlicher Daten aus verschiedenen Quellen ohne Einwilligung der betroffenen Bürger. Solange diese Daten existieren, wofür ein Zeitraum von maximal vier bzw. sechs Jahren nach der Erfassung festgelegt worden ist, bleibt die Erhebung streng genommen nicht anonym, da Rückschlüsse auf die Identität möglich sind. Damit entsteht ein zentral verfügbares Personenprofil aller in Deutschand ansässigen Personen - womit ein Wunschtraum der Statistiker Gestalt annimmt und zugleich die Gefahr eines regelrechten Dammbruchs im Datenschutz dramatisch wächst.

Der Arbeitskreis Zensus, der unter dem Dach des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung gegründet wurde und den Zensus 2011 mit einer kritischen Kampagne begleitet, bringt über diese zentrale Befürchtung hinaus eine Reihe weiterer Einwände vor. So geht die Abfrage der Daten laut deutschem Zensus-Gesetz über den von der EU geforderten Umfang hinaus, indem die freiwillige Frage zur Weltanschauung und zum Glaubensbekenntnis insbesondere auf Muslime abzielt. Bei der Befragung sogenannter Sonderbereiche werden die Insassen von Gefängnissen, Psychiatrien, Wohnheimen und Notunterkünften erfaßt. Eingeteilt in sensible und nicht-sensible Bereiche werden in den ersteren nicht die Bewohner, sondern die Anstaltsleiter befragt. Zwar schreiben Gesetze und Richtlinien vollständig abgeschottete Erhebungsstellen vor, die keine personelle, räumliche und organisatorische Verbindung zu anderen Verwaltungsstellen haben dürfen, doch sind Zweifel angebracht, ob dies in der Praxis tatsächlich eingehalten wird. Grundsätzlich ist der Zensus eine Pflichtveranstaltung: Weder kann Widerspruch eingelegt noch die Auskunft verweigert werden, da ein Bußgeld bis zu 5000 Euro droht.

Wie der AK Zensus anhand dieser und weiterer Einwände geltend macht, birgt die Volkszählung selbst bei lückenloser Einhaltung sämtlicher Vorsichtsmaßnahmen das Restrisiko eines Mißbrauchs der mindestens zeitweise vorhandenen und de facto Einzelpersonen zuzuordnenden Datenbeständen. Denkbar sind nicht nur Pannen oder unvorhergesehene Fehlerquellen, sondern auch nicht offiziell legitimierte Zugriffe anderer Behörden oder grundsätzlich eine Veränderung der Gesetzeslage, wenn beispielsweise unter Verweis auf erhöhte Sicherheitsrisiken die gesetzlichen Vorgaben verändert würden und den vermeintlich geschützten Datenhort in eine Fundgrube staatlicher Kontrollambitionen verwandelten.

Während es aus Sicht des Statistischen Bundesamts und der Statistikämter der Bundesländer einerseits Gründe gäbe, angesichts möglicher Kritik in der Öffentlichkeit keine schlafenden Hunde zu wecken und mit Details über den Zensus zurückhaltend umzugehen, haben sie andererseits über ihren Informationsauftrag hinaus das Interesse, die Bürger unter Einbeziehung der Medien vorab mit der Volkszählung bekannt zu machen. Weder will man die Deutungshoheit den Skeptikern und Kritikern überlassen, noch angesichts einer desinformierten Bevölkerung zuletzt doch noch Widerstände provozieren, wenn schätzungsweise 20 bis 25 Millionen Bundesbürger entweder als Wohnungseigentümer oder individuell befragte Personen mit der Erhebungspflicht konfrontiert werden. Im Rahmen einer Präsentation in drei Städten fand am 13. April in Hamburg ein Hintergrundsgespräch zum Thema Zensus 2011 statt, in dem die Experten von DESTATIS vor eingeladenen Journalisten den Multiplikator der Medien nutzten, um eingehend zu informieren und ausführlich auf kritische Einwände einzugehen.

Die rund zweistündige Veranstaltung in der Handwerkskammer wartete mit einer gut strukturierten und mit diversen Materialien aufbereiteten Einführung in die Thematik auf, die nach jedem inhaltlichen Abschnitt Raum zu Fragen der anwesenden Pressevertreter gab, von dem ausgiebig Gebrauch gemacht wurde. Während die Projektleiterin im Statistischen Bundesamt, Dr. Sabine Bechtold, jeweils einen Überblick über die einzelnen Komplexe gab, erläuterte die für die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein zuständige Projektleiterin Nord, Dr. Annette Olbrisch, die konkrete Durchführung, wobei Thomas Riede vom Bundesamt moderierte und einzelne Sachverhalte aus Sicht des Statistikers ergänzend vertiefte.

Dr. Sabine Bechtold - © 2011 by Schattenblick

Dr. Sabine Bechtold
© 2011 by Schattenblick

Einführend wurde der Zensus als Inventur der Bevölkerung beschrieben, deren Bedarf sich angesichts der bereits 24 Jahre zurückliegenden letzten Volkszählung aus der Notwendigkeit ergebe, Planungssicherheit anhand aktuell ermittelter Daten zu ermöglichen. Während Berechnungsgrundlagen zwischenzeitlich auf Fortschreibungsbasis bereitgestellt worden seien, gelte es nun, einen "guten Zensus" als "Basis für gute Stichproben" durchzuführen. Korrekturbedarf bestehe beispielsweise hinsichtlich einer Neuverteilung im Finanzausgleich, aber auch einer Reihe weiterer kommunaler Planungen, wofür Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur berücksichtigt werden müßten, um den tatsächlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Mit Blick auf die Gewinnung der Registerdaten hob Dr. Bechtold hervor, daß es noch nie zu einem Datenskandal in diesem Bereich gekommen sei und es als "ehernes Gesetz" gelte, keine Erkenntnisse an andere Behörden zurückfließen zu lassen. Die Referentinnen wurden auch im weiteren Verlauf der Präsentation nicht müde zu betonen, daß die gesetzlichen Grundlagen und Richtlinien verbürgten, die Datenerhebung und -verarbeitung bestmöglich gegen alle Zugriffe von außen abzuschotten und diese damit auszuschließen.

Dem zentralen Einwand, wonach mittels der sogenannten Hilfsmerkmale eine Datenverknüpfung stattfinde, welche die Anonymität aufhebe, entsprach die Referentin mit dem Verweis auf die "möglichst schnelle" Löschung dieser Merkmale, die in der Regel wesentlich früher als die dafür eingeräumte Frist von vier Jahren stattfinden werde. Wenngleich die Statistiker keinen Hehl aus ihrem Interesse an umfassenden und durch die Verknüpfung optimal korrelierten Daten machten, betonten sie doch zugleich, daß dieser Prozeß ausschließlich dem Zweck ihrer Arbeit diene, von Datenschutzbeauftragten begleitet werde und mit einer vollständigen Anonymisierung abgeschlossen werde.

Die Frage aus dem Kreis der Journalisten, ob nicht angesichts der brisanten Zusammenführung sensibler Daten Mißbrauch, Diebstahl oder Pannen zu befürchten seien, versuchten die Referentinnen mit dem Verweis auf die gesetzlichen Vorgaben, den hohen Stand der eingesetzten Technik und die Beteiligung der Datenschutzbeauftragten zu entkräften. Auch werde eine Gemengelage verschiedener Dienststellen ausgeschlossen, da die Erhebung auf kommunaler Ebene vollständig von den umgebenden Abteilungen der Verwaltung getrennt sei. Nach den Gründen für die im Vergleich zu 1987 außerordentliche geringe Beachtung der Volkszählung in der Öffentlichkeit gefragt, wurde ein grundlegender Wandel im Umgang mit persönlichen Daten angeführt. Riede wies zugleich darauf hin, daß im Zeitraum des letzten Jahres rund 2200 Artikel zum Thema Zensus in regionalen und überregionalen Medien publiziert worden seien, weshalb man die vermeintliche Nichtbeachtung relativieren müsse.

Dr. Annette Olbrisch - © 2011 by Schattenblick

Dr. Annette Olbrisch
© 2011 by Schattenblick

Im Hinblick auf die Durchführung des Zensus 2011 hob Dr. Olbrisch hervor, daß es sich um keine traditionelle Volkszählung handle. Die Zusammenführung der Registerdaten erlaube erstmals eine bundesweite Überprüfung und Bereinigung von Fehlern, die sich in einer aufgegliederten Verwaltung im Laufe der Jahre zwangsläufig einschlichen. Bei der Erhebung zu den Haushalten ziehe man maßgeschneiderte Stichproben von Anschriften, so daß es sich um Einzelhaushalte, aber auch um Hochhäuser mit zahlreichen Bewohnern handeln könne. Daß die Zahl der zu beantworteten Fragen jene der ermittelten Merkmale übersteigt, erklärte Dr. Olbrisch damit, daß sich einzelne Merkmale oftmals nicht mit einer einzigen Frage abdecken ließen. Sie führte in diesem Zusammenhang auch den ermittelten Migrationshintergrund an, worunter alle nach 1955 Zugewanderten oder in Deutschland geborene Ausländer fallen, wobei auch Fragen nach den Eltern gestellt werden. Die Interviewer würden sorgsam geschult und seien angehalten, ihre Befugnisse keinesfalls zu überschreiten und eine Mithilfe beim Ausfüllen der Fragebögen anzubieten, jedoch den Befragten die freie Entscheidung zu überlassen, ob sie davon Gebrauch machen oder andere Wege nutzen wollten.

Die Frage, ob es zutreffe, daß unter Umständen auch Minderjährige oder Nachbarn befragt und eventuelle Beobachtungen seitens der Interviewer einbezogen würden, verneinte Dr. Olbrisch. Einzige Ausnahme seien im Rahmen der Wohnungszählung leerstehende Gebäude. Auf den Einwand, daß Auskünfte verweigert oder falsche Angaben gemacht werden könnten, mitunter auch Fragen nicht zu beantworten seien, erwiderten die Referentinnen, daß die bestehende Auskunftspflicht notwendig sei, um bei großen Stichproben valide Daten zu erhalten. Eine freiwillige Basis reiche dafür nicht aus, da bekanntermaßen bestimmte Bevölkerungsteile eher zur Teilnahme bereit als andere seien. Überdies überprüfe man die Plausibilität der Daten und versuche im Zweifelsfall durch Rückfragen Klarheit zu schaffen. Eine andere mögliche Problemzone könnte insbesondere in kleinen Gemeinden darin bestehen, daß der Interviewer die Befragten persönlich kennt oder unbefugte Einsicht in die Fragebögen genommen wird. Die Referenten merkten dazu an, daß die Interviewer gehalten seien, keinesfalls Verwandte oder Bekannte zu befragen und sich in solchen Fällen von anderen Volkszählern ablösen zu lassen. Davon abgesehen seien die Interviewer gesetzlich verpflichtet, alle im Rahmen ihrer Tätigkeit erlangten Informationen für sich zu behalten.

Hinsichtlich einer Ungleichbehandlung der Religionen unterschieden die Referenten in steuerrechtlich relevante Glaubensgemeinschaften, bei denen die Beantwortung der Fragen Pflicht, und andere, zu denen freiwillig Angaben gemacht werden könnten. Der Wunsch, auch Muslime einzubeziehen, sei von den Kirchen eingebracht worden. Natürlich fehlte auch die Frage nach den erhobenen Zwangsgeldern im Falle einer Auskunftverweigerung nicht. Diese sind gestaffelt und betragen bei Einzelpersonen zunächst 300 Euro, bei Wohnungseigentümern mit vielen Mietern jedoch mehr. Im Unterschied zu Bußgeldern erlischt mit Zahlung der Summe die angemahnte Pflicht nicht, so daß es zu weiteren Mahnverfahren kommen kann. Es sei jedoch mit den Innenministern abgestimmt, daß auch bei fortgesetzter Weigerung keine Haftstrafen verhängt werden. Dem fügte Riede ergänzend hinzu, daß im Licht der Erfahrungen mit dem laufenden Mikrozensus eine mögliche Verweigerung in der Masse der Befragten kein Thema sei.

Zur Wohnungszählung fand eine Vorerhebung statt, auf deren Grundlage die Versendung der Fragebögen vorgenommen wird. Der Rücklauf betrug 64 Prozent, doch da bei der Haupterhebung Auskunftspflicht besteht, sei eine wesentlich höhere Quote zu erwarten. Geklärt werden in der schriftlichen Befragung nicht nur die Besitzverhältnisse, es werden darüber hinaus auch Fragen zu den Bewohnern gestellt, so daß eine Verknüpfung mit Daten aus anderen Quellen ermöglicht wird. Wie die Referentin betonte, reichten wenige Informationen aus, um statistische Verbindungen herzustellen, wobei dieser Daten später wieder gelöscht würden.

Die Vollerhebung in sogenannten Sonderbereichen wurde mit einer unzureichenden Qualität der Melderegister begründet. In nicht-sensiblen Bereichen wie Studierenden- oder Altenwohnheimen werde eine persönliche Befragung durchgeführt, während man in sensiblen wie Behinderteneinrichtungen, Psychiatrien oder Justizvollzugsanstalten nur die Leitung interviewe. In welche der beiden Kategorien man die jeweilige Einrichtung einzustufen habe, sei vorab zusammen mit den Institutionen geklärt worden. Die Erfordernis der Erfassung von Sonderbereichen wurde wiederum mit dem statistischen Bedarf begründet, eine Person am Stichtag eindeutig identifizieren zu können.

Die Frage nach den Gesamtkosten der Volkszählung, zu denen nach Angaben des AK Zensus verschiedene und teilweise erheblich voneinander abweichende Angaben kursierten, wurden von den Referentinnen mit kalkulierten 710 Millionen Euro beziffert, wobei für Hamburg 7 Millionen und für Schleswig-Holstein 22 Millionen als Schätzwerte veranschlagt wurden. Den Einwand, ob die Anonymisierung zweifelsfrei gesichert oder unter Umständen doch nicht gewährleistet sei, wurde abschlägig beschieden: Ein elaboriertes Verfahren verhindere dies. Die sich daraus ergebende Nachfrage unter Verweis auf den Zugriff auf die Mautdaten, ob nicht unter veränderten Umständen wie einem Krisenfall eine wesentliche Veränderung des Gesamtrahmens bis hin zu einer neuen Gesetzeslage zu befürchten seien, wollten die Referentinnen mit dem Hinweis entkräftet wissen, ein solcher Fall sei noch nie eingetreten.

Hinsichtlich verfassungsrechtlicher Bedenken verwiesen die Referentinnen darauf, daß der AK Zensus im vergangenen Jahr mit seiner Klage gescheitert sei. Man wolle die Hilfsmerkmale, an denen sich die Kritik insbesondere entzündet habe, so schnell wie möglich löschen. Allerdings sei der eingeräumte Zeitpuffer durchaus wünschenswert, um die anstehende Arbeit angemessen bewältigen zu können. "Die Datenschutzbeauftragten schauen uns dabei auf die Finger", versicherte Dr. Bechtold abschließend. "Es ist Teil unserer Reputation, daß Sie sich darauf verlassen können."

Transparent 'Nur Schafe lassen sich zählen' - © 2011 by Schattenblick

Rares Zeichen für Widerstand im Hamburger Schanzenviertel
© 2011 by Schattenblick

Die Zurichtung des Datenleibs auf herrschaftsförmige Zwecke

Wenn Menschen auf Nummern und Zahlen reduziert werden, ist das Unbehagen der Betroffenen keineswegs bloßem Unverständnis über die angeblich unabdingliche Erfordernis ihrer bürokratischen und administrativen Verwaltung geschuldet. Seit dem Aufkommen des bürgerlichen Nationalstaats im 19. Jahrhundert wurde die Regierungsführung auf eine Weise verwissenschaftlicht, die die Bevölkerung selbst zum zentralen Objekt gouvernementalen Handelns machte. Dabei ging und geht es allerdings nicht in erster Linie um ihr Wohlbefinden, wurde dieses doch der ökonomischen Reproduktion der Gesellschaft subsumiert. Schon damals bestimmte die Prämisse, das was gut für die Wirtschaft ist, auch gut für den Staat sei, das Handeln politischer Akteure und die Interessengleichrichtung von Staat, Nation und Kapital. Das Wachstum des gesamtgesellschaftlichen Produkts setzte eine adäquate Bewirtschaftung der Bevölkerung voraus, um diese tauglich für imperialistische Expansion, demografisches Wachstum und fiskalische Staatsfinanzierung zu machen.

Volkszählungen gab es bereits im Altertum, und schon damals ging es den Herrschern darum, Einblick in die Lebensverhältnisse ihrer Untertanen zu erhalten, um das Prärogativ ihres Nutznießes besser in die Tat umsetzen zu können. Auch wenn die Verhältnisse, in denen Leibeigene nach Belieben verkauft oder nicht zu den höheren Ständen gehörende Menschen in den Kriegsdienst gepreßt werden konnten, mit der Verbürgerlichung des Staates einen legalistischen Formwandel durchliefen, ist Herrschaft bis heute auch in demokratischen Gesellschaften nicht ohne Zwangsmaßnahmen durchzusetzen. Dem zugrunde liegen Klassenwidersprüche, deren antagonistischer Charakter auch dann, wenn er nicht so krass wie im Nord-Süd-Gefälle zwischen komfortablem Wohlstand und lebensbedrohlicher Armut hervortritt, nach umfassender Regulation verlangt.

Wo die Bevölkerung als humane Ressource für Fabrik, Büro, Krippe und Krieg begriffen wird, da steht der Staat als maßgeblicher Akteur, der die Voraussetzungen ihrer Verwendungsfähigkeit zu organisieren hat, vor dem Problem, die Ausdifferenzierung ihrer Lebensführung und Lebensform dem übergreifenden Interesse der Kapitalakkumulation und damit seiner Bestandsicherung zuzuführen. Obwohl im sozialtechnokratisch hochorganisierten NS-Staat die Frage der Volkszugehörigkeit im Vordergrund stand und seine Vernichtungspolitik bereits mit der jeweiligen "rassischen" Zuordnung der Betroffenen bei Volkszählungen ihren Lauf nahm, ging es auch damals um die Evaluation der Tauglichkeit für Industrie und Kriegführung. Im modernen demokratischen Verwaltungsstaat tritt die Maßgabe individueller Verwertbarkeit zwar nicht mehr explizit in den Vordergrund, doch verweist der große Anteil, den die Daten der Bundesagentur für Arbeit im Registerverfahren und die Fragen zu Ausbildung und Erwerbstätigkeit in der Haushaltsbefragung in der gesamten Datenerhebung aufweisen, auf das vordringliche Interesse des Staates daran, genauere Erkenntnisse über die Leistungsfähigkeit der arbeitsfähigen Bevölkerung respektive den Anteil an Versorgungsbedürftigen zu eruieren.

Der neoliberale Standortwettbewerb hat auch in den hochproduktiven Metropolengesellschaften des Westens zu einer Verschärfung der Ausbeutungsintensität geführt, die staatlicherseits im betriebswirtschaftlichen Charakter seiner Arbeitsorganisation manifest wird. Mit "Fördern und Fordern" nötigt der "aktivierende Sozialstaat" das der Delinquenz verdächtige Element notfalls unter Androhung existentieller Mangellagen zu Erwerbsarbeit um jeden Preis, namentlich im Ein-Euro-Job. Mit "lebenslangem Lernen" und Imperativen der Selbstoptimierung, die bis hinein in die physische Konstitution greifen, hält er es dazu an, seine Arbeitskraft auf eigene Rechnung zu steigern und sich so beim Kampf um die verknappte Ressource entlohnter Arbeit zu behaupten. Die Refinanzierung des durch die Alimentation der Finanzwirtschaft in die Krise geratenen Staatshaushaltes wird durch die überproportionale Belastung des Faktors Arbeit gewährleistet und damit zugleich der Druck des Mangels auf die Verkäufer ihrer Arbeitskraft erhöht, um noch vorhandene Ansprüche an Entlohnung und Arbeitsqualität zu beschneiden. So richtet der Staat sein produktives Kapital, die erwerbsabhängige Bevölkerung, auf die Maßgabe einer internationalen Konkurrenz zu, die, wie die Krise des Euro zeigt, zur Frage nationalen Überlebens erhoben wird.

Vor diesem Hintergrund zu befürchten, dem Zwangscharakter der Arbeitsgesellschaft werde mit der Ausforschung eigener Erwerbs- und Lebensverhältnisse zugearbeitet, bedarf keiner besonderen Kenntnisse. Die politischen Entscheidungen, die zu präzisieren das Datenmaterial des Zensus leisten soll, werden jenseits einer Empirie getroffen, die die statistische Abbildung sozialer und ökonomischer Zustände als bloße Dienstleistung neutraler Art versteht. Die exekutive und legislative Sphäre wird von Interessen bestimmt, die sehr viel mehr mit privatwirtschaftlicher Rentabilität und staatlicher Bestandssicherung zu tun haben, als daß etwa der Sachstand anwachsender Armut zum vordringlichen Ziel ihrer Beseitigung mit allen Mitteln führte. Dabei üben von Kapitalinteressen dominierte Berater wie etwa die Bertelsmann Stiftung erheblichen Einfluß aus, der sich ebenfalls auf das Instrumentarium sozialstatistischer Erhebungen stützt. Der wesentliche Unterschied zur staatlichen Datenerhebung im Rahmen des Zensus 2011 besteht allerdings darin, daß dieser unter Zwang erfolgt. Schlimmstenfalls erhält die Politikberatung der Wirtschaft dadurch zusätzliche Munition für die Bekräftigung der neoliberalen Leitlinien der Politik.

Auch arbeitet das Interesse des Staates daran, Aufschluß über die ethnische und religiöse Orientierung der Bevölkerung zu erhalten, ihrer Objektivierung zur Verfügungsmasse zu. Wie die mehrheitliche Forderung nach einer Einwanderungspolitik belegt, die Migranten nach ihrer beruflichen Verwendbarkeit respektive der illegitimen Absicht, "in die Sozialsysteme einzuwandern", selektiert, schafft sich der Staat eine Bevölkerung nach Maßgabe partikulärer Interessen. In Anbetracht der unter Teilen der deutschen Bevölkerung grassierenden Islamfeindlichkeit stellt die Erfordernis, daß Muslime ihre Zugehörigkeit zum sunnitischen, schiitischen oder alevitischen Islam angeben müssen, einen besonders erniedrigenden Affront dar. Abgesehen davon, daß nicht jeder Muslim in dieser Zuordnung unterzubringen ist, gerät die grundgesetzliche Bekenntnisfreiheit zu einem Bekenntniszwang, der nicht weit vom latenten Gesinnungsverdacht siedelt.

Womit die Möglichkeit einer Aufhebung der gesetzlichen Grundlage des Zensus 2011 ins Blickfeld gerät, die so unmöglich nicht ist, wie seine Sachwalter glauben. Allein der Rückblick auf die seit den Anschlägen des 11. September 2001 erfolgte Aufrüstung des Rechtsstaates zum präventiven Maßnahmestaat, in dem der die Gültigkeit der Rechtsordnung relativierende Ausnahmezustand partiell zum Dauerzustand wurde, bietet zahlreiche Belege dafür, daß kein noch so ehern gesetzter Buchstabe dem sich auf die Macht des Faktischen berufenden Ermächtigungsinteresse gewachsen ist. Doch auch schon vor dieser Zäsur war es gang und gäbe, die Aushöhlung der Bürgerrechte etwa bei der Gesetzgebung zur Verwendung der DNA-Analyse zur Strafverfolgung auf eine Weise zu bewerkstelligen, indem ein spektakuläres Kapitalverbrechen zum Anlaß der Innovation genommen wird, um den Katalog der in Frage kommenden Straftaten schrittweise bis hin zu geringfügigen Rechtsverletzungen zu erweitern.

Erschwerend hinzu kommt die beliebte Praxis, bei unpopulären Gesetzesvorhaben über Bande der EU zu spielen, um ihre Einführung schließlich als Auswuchs suprastaatlicher Regelungsgewalt inszenieren zu können. Was alles an sicherheitsstaatlicher Repression durchsetzbar wird, von dem Politiker zuvor behaupteten, dies wäre nie und nimmer möglich, läßt sich auch am Beispiel der Anschläge vom 7. Juli 2005 in London illustrieren. Die britische Regierung mußte sogar die Gültigkeit einzelner Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention aufheben, um drakonische Maßnahmen gegen sogenannte Terrorverdächtige, denen kein konkreter Rechtsbruch nachgewiesen wurde, anwenden zu können. Kürzlich protestierten britische Zensusgegner dagegen, daß ihre Regierung den britischen Ableger des US-amerikanischen Rüstungsgiganten Lockheed Martin, der unter anderem dem FBI und der CIA bei Aufgaben der Überwachung und Datenverarbeitung behilflich ist, mit der Durchführung der Volkszählung im Vereinigten Königreich beauftragt hat. In Irland wehren sich die Menschen dagegen, daß die britische Dependance der internationalen Sicherheitsfirma CACI, deren Söldner von ehemaligen Gefangenen bezichtigt werden, an Folterungen im von US-Truppen geführten Lager Abu Ghraib teilgenommen zu haben, an der Durchführung der Volkszählung in ihrem Land beteiligt sein soll.

Zu behaupten, es wäre unvorstellbar, daß das Datenmaterial des Zensus 2011 in der Bundesrepublik, deren Streitkräfte in Afghanistan Krieg führen, etwa im Falle eines größeren terroristischen Anschlags nicht in eine Rasterfahndung eingespeist würde, ist schlechterdings naiv oder ein Fall von Berufsblindheit. Darauf zu insistieren, daß es aus anderen Gründen niemals einen Datenrückfluß an bislang unberechtigte Behörden oder Akteure geben könnte, ist aus dem Interesse der Volkszähler an ihrer Arbeit verständlich, geht aber an den diese Gesellschaft formierenden Verhältnissen vorbei. In einer Welt, in der diverse simultan verlaufende Krisen globalen Ausmaßes mehr in Frage stellen als nur das Überleben besonders unvorteilhaft situierter Bevölkerungen, ist nichts so haltbar, wie es aus der Binnensicht des privilegierten Lebens in der Bundesrepublik erscheint. Wie es um das Unbestimmbare des sogenannten Restrisikos bestellt ist, wurde in Japan auf schmerzhafte Weise deutlich. Darüberhinaus ist es in jedem Fall zu begrüßen, wenn sich emanzipatorische und widerständige Subjektivität Bahn bricht gegen die instrumentelle Logik eines Verwertungs- und Verfügungsinteresses, dem der Mensch bloßes Objekt in jeder Beziehung fremden Nutznießes ist.

Veranstaltungsort Handelskammer in Hamburg - © 2011 by Schattenblick

Veranstaltungsort Handelskammer in Hamburg
© 2011 by Schattenblick

15. April 2011