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BERICHT/146: Deutschland, Mali, Afrika - Dabeisein ist alles (SB)


Deutschland, Mali, Afrika - Dabeisein ist alles

GIGA-Forum "Mali: Auswege aus der Krise" am 20. März 2013 in Hamburg



Seit dem 11. Januar sind 4000 Soldaten aus Frankreich, 5000 aus Mali und rund 6300 aus den Mitgliedsländern der Economic Community of West African States (ECOWAS) dabei, Nordmali der Kontrolle islamistischer Extremistengruppen zu entreißen. Nachdem im Frühjahr 2012 Milizionäre der Volksgruppe der Tuareg die Regierungstruppen geschlagen und den Norden Malis zum unabhängigen Staat Azawad erklärt hatten, wurden sie wenige Wochen später von schwerbewaffneten Islamisten verdrängt, die in Timbuktu und anderen Städten der abgelegenen Region eine strenge Form der Scharia-Gesetzgebung einführten. Als diese islamistischen Kräfte zur Jahreswende 2012/2013 eine Großoffensive starteten, die in die Eroberung der malischen Hauptstadt Bamako zu münden drohte, intervenierte Frankreich zügig mit Luftangriffen und der Entsendung von Bodentruppen.

Zweieinhalb Monate später unterlagen die meisten Städte Nordmalis wieder formell der Kontrolle durch die Zentralregierung in Bamako. Lediglich in Kidal haben die Tuareg, die mit der von den Franzosen angeführten multinationalen Interventionsstreitmacht zusammenarbeiten, offenbar immer noch das Sagen. An der Restabilisierung Malis ist auch Deutschland in erheblichem Umfang beteiligt. Die deutsche Luftwaffe gewährleistet fast die gesamte Versorgung der französischen Kampfjets mit Treibstoff und Munition sowie den Transport des Nachschubs für die Bodentruppen von Europa nach Westafrika. An der European Union Training Mission (EUTM), die am 2. April offiziell beginnt und bei der 550 europäische Soldaten 2500 Angehörige der malischen Armee ausbilden sollen, ist die Bundeswehr mit 80 Mann vertreten. Als Flankierungsmaßnahme hat im Februar das US-Verteidigungsministerium im benachbarten Niger einen Luftwaffenstützpunkt eingerichtet, um von dort aus mittels Drohnen nach ungewöhnlichen Bewegungen in der weitläufigen Sahel-Zone Ausschau zu halten. Im Juni soll die von Frankreich quasi über Nacht zusammengezimmerte Eingreiftruppe einer Blauhelm-Friedensmission der Vereinten Nationen mit rund 10.000 Soldaten weichen, die meisten von ihnen aus den Nachbarländern wie Tschad und Nigeria.

Schon jetzt mehren sich Befürchtungen, daß die kurzfristige Intervention Frankreichs und seiner Verbündeten in Mali nur der erste Schritt eines langwierigen Militärengagements des Westens gegen die islamistischen Gruppierungen sein könnte - Al Qaida im Maghreb (AQIM), Ansar Dine, Boko Haram und zahlreiche weitere Fraktionen, die in der bitterarmen Region zwischen Senegal im Westen und Somalia im Osten ihr Unwesen treiben. Bekanntlich setzen US-Streitkräfte und CIA von Camp Lemonier in Dschibouti aus bereits seit einigen Jahren raketenbestückte Drohnen gegen Anhänger der Al-Schabab in Somalia und der Al Qaida in the Arabian Peninsula (AQAP) in Jemen auf der anderen Seite des Golfs von Aden ein, ohne dafür einen besonderen militärischen Nutzen vorweisen zu können. Ganz im Gegenteil beklagen Beobachter in beiden Ländern wie übrigens auch in Pakistan, daß die amerikanischen Drohnenangriffe die Bevölkerung in die Arme der einheimischen Extremisten treiben.

Wohl wissend, daß auf Dauer europäische Soldatenstiefel auf malischem Boden alte Ressentiments aus der Kolonialzeit wachrufen könnten, hat Präsident François Hollande zu Beginn der Intervention den Wiederabzug der französischen Streitkräfte innerhalb weniger Wochen angekündigt. Wie nicht anders zu erwarten, rückt die Erfüllung des hehren Versprechens in immer weitere Ferne. Nach dem unfreiwilligen Rückzug aus den Städten Nordmalis sind die Islamisten zur unkonventionellen Kriegsführung übergegangen. Während die Kämpfe in den entlegenen Bergen Nordmalis weitergehen, demonstrieren die Islamisten durch blutige Bombenanschläge auf Koalitionstruppen in den angeblich befriedeten Teilen des westafrikanischen Krisenstaats Durchhaltewillen.

Erschwerend kommt die politische Krise hinzu. Nach der Niederlage gegen die Tuareg haben die malischen Streitkräfte im März 2012 den eigenen Präsidenten, Amadou Toumani Touré, mit der Begründung gestürzt, er und seine Regierung hätten sie zuwenig im Kampf gegen die Aufständischen im Norden unterstützt und trügen damit die Hauptverantwortung für das militärische Desaster. Inzwischen haben die Putschisten um Hauptmann Amadou Sanogo die Macht an eine Übergangsregierung der nationalen Einheit abgegeben, die vom Parlamentssprecher Dioncounda Traoré angeführt wird. Sie soll neue Wahlen für die Nationalversammlung und das Amt des Präsidenten im kommenden Juli organisieren und durchführen. Das dürfte aber schwierig sein, da Hunderttausende der etwas mehr als 14 Millionen Bürger Malis angesichts der Kämpfe im Norden zu Binnenflüchtlingen geworden sind. Die Frage, wie sie registriert werden und für welchen Wahlbezirk sie ihre Stimme abgeben sollen, ist ungeklärt. Zudem stimmt der Umstand bedenklich, daß in Bamako Hauptmann Sanogo und seine schwerbewaffneten Soldaten nach wie vor die stärkste Kraft sind.

Alexander Stroh am Stehpult - Foto: © 2013 by Schattenblick

Dr. des. Alexander Stroh
Foto: © 2013 by Schattenblick

All das und mehr wurde am 20. März in Hamburg im Rahmen des GIGA-Forums "Mali: Auswege aus der Krise" thematisiert. Die Moderation hatte Dr. des. Alexander Stroh, wissenschaftlicher Mitarbeiter am GIGA Institut für Afrika-Studien mit dem Forschungsschwerpunkt Demokratische Institutionen in Westafrika, inne. Es referierten Charlotte Heyl, wissenschaftliche Mitarbeiterin am GIGA Institut für Afrika-Studien mit dem Forschungsschwerpunkt Unabhängigkeit der Justiz, Dr. Matthias Basedau, Leiter des GIGA Forschungsschwerpunkts 2 "Gewalt und Sicherheit" und Stellvertreter des Direktors des GIGA Instituts für Afrika-Studien, sowie Dietrich Becker.

Charlotte Heyl, die sich bis vor kurzem in Mali aufhielt und aus begründeter Sorge um die eigene Sicherheit abgezogen werden mußte, bezeichnete die Lage dort als eine doppelte Staatskrise: Die politische Krise in der Hauptstadt Bamako und die Verfassungskrise um das nicht nachlassende Unabhängigkeitsstreben der Tuareg im Norden. In prägnanter Zusammenfassung schilderte die Referentin die jüngste Geschichte Malis und die Entstehung der aktuell verworrenen Situation. Nach einem Militärputsch 1991 schien Mali auf dem Weg zu einem demokratischen Staatswesen zu sein. Seit 1992 fanden in regelmäßigen Abständen freie und faire Wahlen statt. 2002 wurde der frühere Putschist Touré zum Staatspräsidenten gewählt. Das Land konnte eine für afrikanische Verhältnisse relativ freie Presse vorweisen und wurde dafür 2011 von der Organisation Reporter ohne Grenzen als positives Beispiel hervorgehoben. Andererseits monierte die Referentin eine wenig ausgeprägte Parteienlandschaft und ein schwaches Parlament, wofür sie Ex-Präsident Touré mitverantwortlich machte. Nach Ansicht Heyls ist der malische Staat auf allen Ebenen von Korruption durchsetzt.

In Mali gibt es zahlreiche Bevölkerungsgruppen, darunter Bambara, Malinké, Songhai, Fulbe, Bozo, Dogon und Tuareg. Wer als schwarz angesehen wird, hängt davon ab, mit wem man gerade spricht, so Heyl. Der Norden des Landes sei wirtschaftlich eine schwach entwickelte Region. Die Entführungen, welche seit 2003 islamistische Gruppen im Sahelraum durchführen, haben dem Tourismus nicht nur in Nordmali, sondern in ganz Westafrika schwer geschadet. Der andere wichtige Erwerbszweig Nordmalis ist der Schmuggel von Menschen und Drogen - hauptsächlich Kokain aus Lateinamerika - durch die Sahara zwecks Weitertransport über das Mittelmeer nach Europa. Nach Ansicht Heyls ist das Verhältnis der verschiedenen ethnischen Gruppen im Norden Malis untereinander unerhört kompliziert.

Als Hauptakteure in der Konfliktarena Bamako bezeichnete Heyl den Putschanführer Sanogo, Ex-Präsident Touré und Übergangspräsident Traoré. Obwohl Sanogo kurz nach dem Putsch mit der ECOWAS die Rückkehr zur Demokratie vereinbart hatte, haben seine Schlägertrupps im Dezember 2010 mit brutaler Gewalt Premierminister Cheick Modibo Diarra zum Rücktritt gezwungen. Die jüngste Verhaftung eines malischen Journalisten, der Sanogo kritisierte und Fragen nach der Rechtmäßigkeit seiner großzügigen Einkünfte aus der Staatskasse aufwarf, läßt an der demokratischen Gesinnung des Putschistenführers zweifeln. Sanogo war ursprünglich gegen eine ausländische Militärintervention. Er wollte vom Westen Rüstungshilfe, um mit der eigenen Armee den Norden Malis zurückzuerobern. Seit dem Einzug der Franzosen soll er an Einfluß verloren haben. Übergangspräsident Traoré gehört zur alteingesessenen politischen Klasse, die in der Bevölkerung schlecht angesehen ist. Dies erklärt vielleicht, warum er noch im Mai 2012 von Demonstranten in Bamako niedergeschlagen wurde. Traoré soll durch die französische Intervention politischen Auftrieb erfahren haben. Die beiden Lager um Sanogo und Traoré blockieren sich gegenseitig, was politische Reformen in Mali schwer bis unmöglich macht.

Was den Problemherd im Norden betrifft, so erinnerte Heyl daran, daß es nicht einfach Tuareg auf der einen Seite und Islamisten auf der anderen, sondern auch Menschen gibt, die beides sind. Die säkulare Nationale Bewegung für die Befreiung des Azawad (Movement National pour la Libération de l'Azawad - MNLA), die von einem ehemaligen Obersten der libyschen Armee, Ag Mohammed Najem, angeführt wird, hat nach dem Sturz Gaddhafis im Oktober 2011 den Norden Malis peu-à-peu übernommen. Nach dem Rückzug der Regierungstruppen hat die MNLA im April 2012 die Unabhängigkeit Azawads erklärt. Nur zwei Monate später haben extremistischere Verbündete die MNLA beiseite geschoben und in Nordmali selbst die Macht ergriffen. Die MNLA gilt aus Sicht des Westens als potentielle Gesprächspartnerin. Wegen der Unterstützung der MNLA bei der Bekämpfung der Islamisten haben die Franzosen ihr die Kontrolle über die Stadt Kidal überlassen. Über diese Entwicklung sind die Menschen im Süden Malis alles andere als glücklich und vermuten dahinter ein doppeltes Spiel Frankreichs.

Charlotte Heyl am Stehpult - Foto: © 2013 by Schattenblick

Charlotte Heyl
Foto: © 2013 by Schattenblick

Die islamistische Gruppierung Ansar Dine, welche lange Zeit hauptsächlich durch Entführungen auf sich aufmerksam machte und die MNLA anfänglich unterstützte, nur um sich dann im Streit um die Einführung der Scharia gegen sie zu wenden, befindet sich seit Beginn der ausländischen Militärintervention in Auflösung, so Heyl. Nach Einschätzung der GIGA-Expertin hat Ex-Präsident Touré die aus Algerien stammende Al Kaida im Maghreb (A-Qaida au Maghreb islamique - AQMI) jahrelang in Nordmali gewähren lassen, um die Tuareg in Schach zu halten. Es waren AQMI-Kämpfer, die letztes Jahr nach dem Bruch ihrer Koalition mit der MNLA durch die Einführung der Scharia im Norden Malis und die Vernichtung der berühmten Mausoleen in Timbuktu weltweit für Negativschlagzeilen gesorgt haben. Zudem gibt es die islamische Miliz der Ganda Iso (Söhne des Landes), deren Reihen hauptsächlich aus schwarzafrikanischen Songai bestehen, sowie die Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (Mouvement pour l'unicité et le jihad en Afrique de l'Ouest - MUJAO). Wer mit wem paktiert, verändert sich ständig und ist schwer zu überblicken, so die Referentin.

Obwohl Zweidrittel des Landes ab Frühjahr 2012 nicht mehr unter der Kontrolle der Zentralregierung standen, hat es Monate gedauert, bis die Übergangsregierung in Bamako die zuständige Regionalorganisation ECOWAS formell um Hilfe anrief. Nach Ansicht Heyls braucht Mali dringend eine demokratisch legitimierte Regierung. Doch die für Juli geplanten Parlaments- und Präsidentenwahlen stellen logistisch und politisch eine große Herausforderung dar, da es vor allem bei der Registrierung der Wähler hapert. Hunderttausende Menschen aus dem Norden sind seit dem vergangenen Jahr vor der Scharia-Diktatur der Islamisten und den Kämpfen in andere Teilen Malis wie auch in die Nachbarländer geflüchtet. Wie kann ihre Teilnahme an den Wahlen gewährleistet werden? Sind die Islamisten bis zu diesem Zeitpunkt erfolgreich zurückgedrängt worden? Die wichtigste Aufgabe besteht laut Heyl in der Wiederherstellung der staatlichen Ordnung im Norden des Landes, damit die Flüchtlinge nach Hause zurückkehren können und die humanitäre Not gelindert werden kann. Nichtsdestotrotz besteht die Gefahr des Aufflammens interethnischer Konflikte. Um die Gespaltenheit innerhalb der malischen Gesellschaft zu verdeutlichen, verwies Heyl auf eine im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung im Februar in Bamako durchgeführte Umfrage. Demnach wollte die große Mehrheit der Menschen in der Hauptstadt trotz zahlreicher belegter Fälle nicht glauben, daß die malische Armee bei ihrem Vormarsch im Norden Greueltaten an Tuareg verübt hat.

Saal und Publikum von hinten gesehen - Foto: © 2013 by Schattenblick

Das GIGA-Forum zu Mali stößt auf Interesse
Foto: © 2013 by Schattenblick

Dr. Matthias Basedau, dessen Kompetenzen auf den Feldern der Sicherheit sowie der Religions- und Ressourcenkonflikte angesiedelt sind, erläuterte die Krise in Mali, die auch er als außerordentlich kompliziert bezeichnete, in ihrer Bedeutung für die Bundesrepublik. Seiner Meinung nach konnte sich Berlin einer Teilnahme an der Befriedung Malis nicht verweigern, weil die deutsche Enthaltung beim militärischen Eingreifen der NATO in Libyen vor zwei Jahren bei den wichtigsten Bündnispartnern - den USA, Großbritannien und vor allem Frankreich - ganz schlecht angekommen sei. Darum habe die Regierung Angela Merkels in der Mali-Frage den Vorstoß der Administration des französischen Präsidenten Hollande ohne viel Federlesens unterstützt. Das bringe jedoch für die Bundesregierung Probleme mit sich, da die Notwendigkeit einer deutschen Teilnahme am Krieg in Mali der hiesigen Bevölkerung schwer zu vermitteln sei.

Basedau hob die regionale Dimension des Geschehens in Mali hervor. Im Westen befürchte man ein Übergreifen der Instabilität und des militanten Islamismus auf die Nachbarländer, zumal auch dort viele unterschiedliche ethnische Gruppen leben. Der Referent schätzte das wirtschaftliche Interesse des Auslands an Mali als gering ein, weil die dortigen Öl- und Uranvorkommen zu unbedeutend seien, wobei er in diesem Zusammenhang die Goldvorkommen unerwähnt ließ. Nach Südafrika und Ghana befinden sich in Mali die drittertragreichsten Goldminen Afrikas. Basedau verwies indessen auf die erheblichen Uranvorkommen im benachbarten Niger, die für die Stromerzeugung der französischen Kernkraftindustrie enorm wichtig sind. Mali habe daher bei der Sicherung des Uranreichtums am Niger eine Sekundärrelevanz, so der GIGA-Analytiker. Er verwies auf das traditionelle Verständnis von Einflußpolitik, das in Frankreich aus historischen Gründen stärker ausgeprägt als in Deutschland sei.

In Anlehnung an Karl von Clausewitz erinnerte Basedau daran, daß Kriege nicht-intendierte, nicht-vorhersehbare Folgen haben können. So könnten Kollateralschäden bei der Zivilbevölkerung im Norden Malis, etwa in Form von Racheakten der malischen Truppen, die Menschen in die Arme der Islamisten treiben, die bislang wenig Rückhalt in der Bevölkerung hätten. Im Falle eines langanhaltenden ausländischen Militärengagements könnte sich das ändern, so Basedau. In den Bergen bei Kidal kämpften Franzosen und Tuareg zusammen gegen die AQMI, Ansar Dine und andere Gruppierungen, was in Bamako unpopulär sei. Basedau hob die Bedeutung der wirtschaftlichen Entwicklung Malis hervor. Ihm zufolge stehen bei den NATO-Staaten in der Frage der Intervention die eigenen Interessen zu sehr im Mittelpunkt. Vielmehr müßten die Belange und Bedürfnisse der Menschen vor Ort oberste Priorität haben.

Im Anschluß an die Vorträge kam es zu einer lebhaften Diskussion, wobei die Qualität der Fragen und Stellungnahmen auf einen recht hohen Kenntnisstand des Publikums schließen ließ. Ein Besucher der Veranstaltung meinte, die große mediale Aufmerksamkeit hinsichtlich des Geschehens in Mali nütze den Islamisten. Ihn stimme es nachdenklich, daß es der Ansar Dine und der AQMI gelinge, die politische Bühne mit spektakulären Aktionen wie der Zerstörung von Mausoleen und jahrhundertealten Schriften in Timbuktu zu besetzen, um auf die Weise Werbung für ihr Anliegen, die Verbreitung der Scharia, zu machen. Ein anwesender Bürger Malis, der ursprünglich aus dem Süden des westafrikanischen Staates kam, erklärte, daß die große Mehrheit seiner Landsleute den Staat in seiner bestehenden Form behalten wollten; es seien lediglich die Tuareg, die nach Unabhängigkeit strebten. 2007 habe Bamako mit ihnen eine Autonomieregelung für den Norden geschlossen, die mehr Probleme schuf als löste. Durch die vereinbarte Entmilitarisierung des Nordens seien in dieser Region wildeste Verhältnisse entstanden. Dort landeten regelmäßig und völlig unkontrolliert private Charterflugzeuge voller Kokain. Der Diskussionsteilnehmer wandte sich gegen die Trennung jedweder Landesteile vom malischen Staat und verwies in diesem Zusammenhang auf die vielen interethnischen Familien. Korsika werde nicht von Frankreich gelöst und so solle auch Mali nicht zerschlagen werden. Er wandte sich gegen das Schwarz-Weiß-Bild der armen Tuareg im Norden und der reichen Ausbeuter im Süden. Als im Januar die Ansar Dine ihre Offensive startete, habe er sich gefreut, weil er wußte, daß sich die Europäer zum Eingreifen gezwungen sehen würden. Die EU habe dem Treiben der Islamisten in Nordmali zu lange tatenlos zugesehen. Europa müsse die Augen öffnen, der Drogenschmuggel über Westafrika sei ein großes Problem.

Ein anderer Teilnehmer der Veranstaltung führte die Offensive der Ansar Dine in Richtung Südmali auf die Langsamkeit der Entscheidungsfindung bei der ECOWAS, der EU und im UN-Sicherheitsrat zurück. Er meinte, die Islamisten in Timbuktu dürften die monatelangen Diskussionen auf internationaler Ebene über die Entsendung einer Eingreiftruppe genauestens verfolgt haben und seien ihr zuvorgekommen. Eine andere Person brachte ihre Bedenken bezüglich der Absichten von Putschistenführer Sanogo zum Ausdruck. Sie kritisierte, daß der Hauptmann aufgrund der Vereinbarung vom letzten Jahr ein präsidiales Einkommen einstreiche und überall im Land politische Reden halte. Der Hauptmann, der einen Teil seiner militärischen Ausbildung in den USA erhielt, könnte jederzeit, zum Beispiel im Falle eines für ihn ungünstigen Wahlergebnisses, wieder putschen, so der Einwand.

Charlotte Heyl hielt dem entgegen, man mache es sich zu leicht, wenn man ECOWAS und EU die lange Dauer der letztjährigen Mali-Beratungen zur Last lege. In Bamako tobte monatelang der politische Machtkampf; dort seien die notwendigen Entscheidungen nicht getroffen worden.

Plakat zur Mali-Veranstaltung in der GIGA-Eingangshalle - Foto: © 2013 by Schattenblick

Foto: © 2013 by Schattenblick

28. März 2013