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BERICHT/037: Energiekonferenz - Alternative Hafenrundfahrt in ein Zentrum des Welthandels (SB)


Energiepolitische Hafenrundfahrt am 4. September in der Hansestadt Hamburg

Barkasse 'Anita Ehlers' wartet auf die Konferenzteilnehmer © 2010 by Schattenblick

Barkasse "Anita Ehlers" wartet auf die Konferenzteilnehmer
© 2010 by Schattenblick

Bevor sich die Energiekonferenz im Wohlgefallen der abendlichen Party auflöste, stand für die aus der ganzen Republik angereisten Teilnehmer als letzter Punkt ein Ausflug in den Hamburger Hafen auf der Tagesordnung. Eingeladen wurde zu einer Rundfahrt der besonderen Art, die die Hafengruppe Hamburg in Zusammenarbeit mit dem anti-atom-büro hamburg unter dem programmatischen Titel ~Gegen den Strom!~ [1] anbietet. Thema sollte die energiepolitische Infrastruktur des Hamburger Hafens sein, die dem interessierten Publikum auf eine Weise vor Augen geführt wird, die von Land aus nicht möglich ist. Zwei rote (!) Busse warteten vor der Altonaer Fabrik, um die Konferenzteilnehmer zu den Landungsbrücken zu bringen, von wo aus die Barkasse zwar nicht in See, aber immerhin das Zielgebiet zahlreicher Frachtschiffe aus aller Welt stach.

Aus ökologischer Sicht bedeutsam ist der Hamburger Hafen nicht nur aufgrund der dort verschifften Rohstoffe Erdöl, Uran und Kohle, der größten Raffinerie für Agrosprit Europas oder der Baustelle für das Kohlekraftwerk Moorburg. Auch als logistischer Knotenpunkt der exportorientierten Wirtschaft der Bundesrepublik zeitigt er Folgen für Mensch und Umwelt, die sich mit makroökonomischen Erfolgsmeldungen nur unzureichend erfassen lassen. In Anbetracht der das gesamte Hafengelände dominierenden Containerterminals mit ihren riesigen Verladekränen, deren bis zu 60 Meter lange Ausleger jedes noch so große Containerschiff übergreifen, der zwischen ihnen wie von Geisterhand gesteuerten Fahrzeuge, die die Container durch das menschenleere Areal zu riesigen Stellflächen transportieren, von wo aus sie wiederum auf Züge oder LKWs verladen werden, drängen sich dem Betrachter unwillkürlich Fragen zur Bedeutung eines Welthandels auf, dessen technische Organisation und ökonomische Expansion massive soziale, strukturelle und ökologische Folgen für die daran beteiligten Gesellschaften haben.

Containerstapel mit Aufschrift 'China' © 2010 by Schattenblick

Maßeinheit für die Produktivität Ostasiens
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Der Siegeszug des Frachtcontainers begann in den 1950er Jahren in den USA und nahm mit der Einführung des in seinen Maßen international normierten 20-Fuß-Containers (TEU - Twenty-Foot Equivalent Unit) Anfang der 1970er Jahre die Gestalt einer industriellen Frachtlogistik an, in der sich die Rationalisierungslogik kapitalistischer Produktivkraftentwicklung gnadenlos Bahn brach. Ohne die Steigerung des Warenumschlags durch Container gegenüber traditionellem Stückgut um den Faktor zehn wäre das heutige Ausmaß der internationalen Arbeitsteilung nicht zu verwirklichen gewesen. Kostensenkend wirkt insbesondere die drastische Reduzierung menschlicher Arbeitskraft, die von Hafenarbeitern geleistet wurde, die häufig zu den streitbarsten Verfechtern proletarischer Rechte zählten, durch eine mechanisierte, elektronisch gesteuerte Transportkette vom Beginn der Reise eines beladenen TEU bis zu seinem Zielort. Auch der durch die Container überflüssig gewordene Speicherraum und der Verzicht auf die dort verrichteten Lager- und Verwaltungsarbeiten hat zu einer Beschleunigung und Verbilligung des Warenumschlags geführt, die die ausschließlich an Kostenfaktoren orientierte Produktion von Gütern aller Art in weltweiter Arbeitsteilung massiv vorangetrieben hat.

Wenn Rohstoffe, Bauteile und Endprodukte unter dem Vorsatz optimaler Kapitalallokation kreuz und quer über die Weltmeere transportiert werden, fallen ein Energieverbrauch und eine Schadstoffproduktion an, die sich in den Bilanzen der transnationalen Unternehmen nur deshalb rechnen, weil die Ausbeutung globaler Kostengefälle ertragreicher ist als der eingesetzte Transportaufwand. So zementiert die Ausnutzung der globalen Produktivitätsunterschiede am Anfang der Wertschöpfungskette in der Peripherie des Weltsystems frühkapitalistische Ausbeutungsverhältnisse, um in seinem Zentrum Maximalprofite zu generieren.

Containerterminal Altenwerder © 2010 by Schattenblick  © 2010 by Schattenblick

Containerterminal Altenwerder
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Zu Recht fordert der kapitalismuskritische Verkehrsexperte Winfried Wolf in seinem lesenswerten Artikel "Wachstum über alles" (junge Welt, 23.06.2007) [2], daß das Akronym TEU ähnlich wie die Begriffe WTO und IWF als Label für den destruktiven Charakter des kapitalistischen Weltsystems in die Terminologie der Antiglobalisierungsbewegung aufgenommen werden sollte. Sinnlich erlebbar wird die Krisenneigung der Wachstumslogik, die die permanente Ausweitung des Welthandels und der internationalen Arbeitsteilung vorantreibt, wenn auf den menschenleeren Kais und Anlagen des Hamburger Containerhafens rund um die Uhr sieben Tage die Woche mit mikroelektronisch gesteuerten Be- und Entladeterminals Arbeit verrichtet wird, für die nur noch einige wenige Techniker, Kranführer und IT-Experten erforderlich sind. Die Verfügbarkeit kostengünstiger Waren aus aller Welt für deutsche Konsumenten wird hierzulande mit einer Vernichtung menschlicher Arbeit erkauft, gegen die nichts einzuwenden wäre, wenn die dadurch bedingte Erwerbslosigkeit auf angemessene Weise alimentiert würde, was nicht der Fall ist. In den Ländern, in denen der Reichtum Hamburgs durch die dort geförderten Rohstoffe und die dort geleistete Lohnarbeit seine materielle Grundlage hat, leiden die Menschen unter einer Exportorientierung, der gegenüber die materielle Versorgung der eigenen Bevölkerung nachrangig ist, und unter Importen aus den hochproduktiven Ländern der EU, mit denen einheimische Produzentinnen und Produzenten nicht konkurrieren können.

Deutsche Reeder stehen mit Zahl und Tonnage der Containerschiffe, die teilweise mehr als 10.000 TEU befördern können, inzwischen weltweit an erster Stelle. Der Hamburger Containerhafen ist mit jährlich über neun Millionen umgeschlagenen Containereinheiten nach Rotterdam der zweitgrößte Europas. Um so unverhohlener wird der Reichtum der hanseatischen Kaufleute an dem zur Innenstadt Hamburgs gelegenen Hafenrand zur Schau getragen. Als im wortwörtlichen Sinne herausragendes Symbol der kulturellen Illumination handelskapitalistischer Produktivität erhebt sich gleich zu Beginn der Hafenrundfahrt die im Bau befindliche Elbphilharmonie, in der erhebender Kunstgenuß den in anderen Vierteln Hamburgs unübersehbaren Widerspruch zwischen Reichtumsproduktion und Mangelverwaltung vergessen machen soll.

Elbphilharmonie - © 2010 by Schattenblick

Elbphilharmonie
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Um die Augen noch besser davor verschließen zu können, hat man sich für die Konstruktion eines Konzertsaals in luftiger Höhe einfallen lassen, diesen nicht etwa mit einer Glasfassade zu versehen, die dem Publikum die Sicht auf das Hafenpanorama eröffnete. Der als einer der besten Konzertsäle der Welt angepriesene, über 2000 Personen fassende Raum im oberen Teil des 110 Meter hohen Gebäudes nimmt sich architektonisch wie eine Grotte aus, die sich ebensogut unter der Erde befinden könnte, ohne daß man den Unterschied bemerkte. Weder der Kulturkomplex noch die Wohnungen, die im Gebäude der Elbphilharmonie angeboten werden, noch das dort angesiedelte Fünf-Sterne-Hotel sind Ausdruck einer egalitären Kulturpolitik für die ganze Bevölkerung. Das mit bislang über 320 Millionen Euro Baukosten errichtete Grab öffentlicher Mittel ist ebenso wie viele andere im letzten Jahrzehnt am Hafenrand und in der Speicherstadt hochgezogene Bauwerke Ausdruck einer neofeudalen Klassengesellschaft, in der die Eliten ihren Reichtum nicht nur genießen, sondern ihrer Distinktionssucht und der Ausgrenzung aller nicht Dazugehörigen zuliebe demonstrativ vorführen.

Kai mit mehreren Containerkränen - © 2010 by Schattenblick

Ästhetik des Welthandels
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In einer winzigen Barkasse die weitverzweigte Innenwelt des Hafens kreuzend, muten die allenthalben angedockten Frachtschiffe bei der Vorbeifahrt überwältigend an. Dennoch sind es keineswegs Ozeanriesen, die hier festgemacht haben, erlaubt doch deren Tiefgang kein Anlaufen des hanseatischen Reviers. Dessen Vertiefung sind zwangsläufig Grenzen gesetzt, da ein ungebremstes Abtragen des festen Untergrunds zum unkontrollierten Auftrieb des luftgefüllten alten Elbtunnels führen würde. Davon abgesehen sind im Dauerbetrieb der Hafenanlagen fortgesetzt Maßnahmen erforderlich, die der Anschwemmung und Ablagerung von Sinkstoffen entgegenwirken. Den unterschiedlichen Strömungsverhältnissen Rechnung tragend, schützt eine Sperrschleuse Teile des Industriehafens vor der Versandung, wie auch das gesamte Hafenbecken immer wieder von Schlamm und Sedimenten gesäubert werden muß, um die nach ökonomischer Maßgabe festgelegte Wassertiefe gegen die natürlichen Prozesse von Flußlauf und Gezeiten durchzusetzen.

Ellerholzschleuse als Schutz gegen Versandung - © 2010 by Schattenblick

Ellerholzschleuse als Schutz gegen Versandung
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Um eine alternative Hafenrundfahrt handelte es sich diesmal womöglich auch für den Reiseleiter, der laufend Erklärungen zu den Hafeneinrichtungen abgab, an denen die Barkasse vorbeifuhr: Einige Fahrgäste erwiesen sich als ausgesprochen sachkundig, wenn nicht gar besserwisserisch. Ob er so etwas schon mal erlebt hat? Manchesmal wurden seine Erklärungen mit Zurufen - "Stimmt nicht!" -, aber auch vorsichtiger geäußerten Korrekturen bzw. Ergänzungen unterbrochen. Das hat der ganzen Unternehmung keinesfalls geschadet, sondern sorgte für Unterhaltung und trug zur guten Stimmung auf der Rundfahrt bei.

Zu den Superlativen, auf die der Besucher des Hamburger Hafens alle Nase lang trifft und die bei einer energiepolitischen Hafenrundfahrt selbstverständlich nicht fehlen dürfen, zählt die riesige Ölmühle, die seit 1994 zur ADM-Gruppe (Archer Daniels Midland) gehört. Die größte Raffinerie für Agrosprit in Europa erzeugt jährlich mehr als eine Million Tonnen Treibstoff aus Pflanzen. Hier werden Raps aus Europa und Soja aus Südamerika - "und den USA! Habe ich selbst mit dem Frachter hierhergefahren!", wie ein Teilnehmer lauthals einwarf - verestert, vergoren oder sonstwie zu Treibstoff verarbeitet.

Wuchtige Silos der ADM-Raffinerie - © 2010 by Schattenblick

Nahrung zu Treibstoff - unter dem Schleier ethischer Standards
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Auch Palmöl steht auf dem Speiseplan der Fabrik. Palmen sind zwar nicht direkt Nahrungsmittel, die Plantagen verwerten aber potentielle Anbaufläche, binden Arbeitskräfte und verbrauchen Dünger. Heute ist ADM zur Einhaltung von Standards, wie sie von der Europäischen Union gefordert werden, verpflichtet. Was dennoch nichts daran ändert, daß auf Europas Straßen letztlich Lebensmittel verfahren werden, während die Menschen in den Ländern, in denen sogenannte Energiepflanzen angebaut werden, Hunger leiden. Ein Widerspruch, der auch durch noch so bemühte Umwelt- und Sozialstandards nicht erfolgreich verschleiert werden kann. Damit wird eine Weltordnung zementiert, die krasse Unterschiede in den Überlebensvoraussetzungen von Bewohnern der Länder des Nordens gegenüber denen des Südens sichert.

Ethische Standards dienen hauptsächlich der Beruhigung des eigenen Gewissens, sie behindern die Mechanik industrieller Großanlagen wie der ADM-Raffinerie nicht im mindesten. Zu jeder Tages- und Nachtzeit treffen hier bis zu 280 Meter lange Frachter mit einer Ladung von bis zu 90.000 Tonnen ein. Die pneumatischen Förderanlagen ziehen sich das Schüttgut unter Hochdruck rein - 1200 Tonnen die Stunde saugen sie locker weg.

Eine weitere Superlative bilden die beiden 198 Meter hohen Windräder, die von der Firma Enercon zwischen der Autobahn A7 und dem Containerterminal Hamburg-Altenwerder errichtet wurden. Mit einer installierten Leistung von 6 Megawatt sollen sie jährlich 30 Gigawatt erzeugen, was dem Jahresverbrauch von 12.000 Haushalten entspricht. Vom Wasser aus läßt es sich kaum abschätzen, aber diese Windräder mit ihren 126 Meter langen Rotoren zählen zu den höchsten Bauwerken Hamburgs; ihre Gondeln haben die Größe eines Einfamilienhauses. Solche Gigantanlagen laufen zwar unter der Rubrik "erneuerbare Energien", doch passen sie ebensowenig zu einem Konzept der dezentralen Energieversorgung wie die Offshore-Windparks in der Nordsee.

Zwei riesige Windräder - © 2010 by Schattenblick

Hinter dem Kohlegebirge erneuerbare Energien
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Das noch im Bau befindliche Steinkohlekraftwerk Moorburg war schon von weitem zu sehen. Zwei Kraftwerksblöcke sollen einmal 1.650 Megawatt Strom und 650 Megawatt Fernwärme erzeugen. Auf 2,6 Mrd. Euro sind die Projektkosten geklettert. Ausgerechnet eine Umweltsenatorin von den Grünen hat den Bau abgesegnet - mußte ihn absegnen, verteidigt sie sich. Wie auch immer, mit diesem Kraftwerk aus dem Hause Vattenfall erhöht sich der CO2-Ausstoß der Hansestadt, die zur Europäischen Umwelthauptstadt 2011 gekürt wurde, um acht bis neun Millionen Tonnen pro Jahr. Mehr nicht? Kommt ja nur die Hälfte aller bislang in Hamburg erzeugten CO2-Emissionen (17,6 Mio. Tonnen) auf einen Schlag hinzu ...

Mit einem speziellen 600 Millionen Euro teuren Hybridkühlturm soll das Kraftwerk so gekühlt werden, daß eine Erwärmung der Elbe über einen kritischen Grenzwert hinaus vermieden werden kann. Da sich das Leben in der Elbe sowieso nur im obersten, lichtdurchfluteten Meter abspielt, würde ohne diese wasserrechtliche Schutzmaßnahme auch dieser schmale Lebensbereich beeinträchtigt. Denn wärmeres Wasser enthält weniger Sauerstoff, auf den die aquatischen Bewohner genauso angewiesen sind wie wir Landratten. Es begann zwar während der Rundfahrt bereits zu dämmern, aber daß man nur wenige Zentimeter tief ins Wasser hinabschauen konnte, stach geradezu ins Auge. Unter Hamburgern geht das geflügelte Wort, jemand sei mit Elbwasser getauft worden. Bloß das nicht, möchte man ausrufen. Obwohl, die Elbe soll in den letzten Jahrzehnten sauberer geworden sein. Entweder waren die beiden Angler, die unweit der ADM-Raffinerie ihre Leinen ausgeworfen hatten, hoffnungslose Narren oder hoffnungsvoller Beweis dafür, daß es im trüben Hafenbecken noch nicht sämtliche Fische dahingerafft hat.

Im Bau befindliches Kohlekraftwerk Moorburg - © 2010 by Schattenblick

Kohlekraftwerk Moorburg
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Übrigens könnte sich der kürzlich zwischen Bundesregierung und den vier großen Stromkonzernen E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall ausbaldowerte Atomvertrag, der eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke um durchschnittlich zwölf Jahre vorsieht, ökonomisch nachteilig auf das Kohlekraftwerk Moorburg auswirken. Wenn die Akws länger laufen, können die Kkws weniger Strom an der Leipziger Energiebörse verkaufen. Auf diese Möglichkeit machte vor kurzem Manfred Braasch, Geschäftsführer der Umweltorganisation BUND, aufmerksam. An eine andere Option mag er wohl nicht so gerne gedacht haben: daß durch Atom- und Kohlekraftwerke die dezentralen erneuerbaren Energiesysteme weiter zurückgedrängt werden, so wie heutzutage Windräder wegen zu gering dimensionierter Leistungsfähigkeit der Überlandleitungen in den ländlichen Räumen und angeblicher Überproduktion zwangsabgeschaltet werden und den Betreibern keinen müden Cent einbringen.

Containerschiff - © 2010 by Schattenblick

Ununterbrochener Arbeitsbetrieb sichert die Profitrate
© 2010 by Schattenblick

An Steuerbord fesselte unterdessen ein hoch aufragender Containerfrachter den Blick, der von unzähligen Lichtern taghell erleuchtet aus der umgebenden Dunkelheit hervorstach. Näherkommend erfaßte man erst die riesigen Ausmaße dieses Schiffs wie auch die zahlreich übereinander aufgetürmten normierten metallenen Behälter unbekannten Inhalts. An diesem Kai wird auch Uran umgeschlagen, worauf keine Sicherheitsvorkehrungen hindeuten, weil schlichtweg keine existieren. Ein geübtes Auge erkennt Uranbehälter als röhrenförmige Gebilde, die auf einer Halterung aufgebockt nur einen Bruchteil des Innenraums der offenen Container einnehmen. Das hohe Gewicht ihres Inhalts läßt größere Mengen nicht zu, weil man mit Rücksicht auf Kräne, Ladeanlagen und Aufnahmekapazität der Frachter die Füllmenge der Transportbehälter begrenzen muß.

Verladekran - © 2010 by Schattenblick Containerstapel - © 2010 by Schattenblick

Stoffwechsel der Ökonomie - Infrastruktur des Hafens
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Köhlbrandbrücke - © 2010 by Schattenblick Strommast - © 2010 by Schattenblick

© 2010 by Schattenblick

Wer an den Verladeanlagen arbeitet, ist angesichts der nicht gesondert abgeschirmten Transportbehälter der Strahlung des Urans ausgesetzt. Das gilt um so mehr für die Seeleute an Bord der Frachter, wie überhaupt für alle Stationen der Urannutzung, angefangen vom Bergbau über die vielfältigen Transportwege bis hin zum Ort der letztendlichen Verwertung. Unter den vielen blinden Flecken der Atomindustrie ist die völlig unzureichend gesicherte Transportweise sowohl des Urans als auch der mehr oder minder stark strahlenden Verarbeitungsprodukte einer der größten systematisch ausgeblendeten oder gezielt verharmlosten Risikofaktoren. Insbesondere Lastwagenfahrer, die regelmäßig Uran befördern, gelten als Kandidaten eines vorzeitigen strahlenbedingten Todes. Umweltschützer, die zu Testzwecken mit einem aus dem Wagenfenster gehaltenen Geigerzähler an solchen Lastwagen vorbeifuhren, konnten während des Überholvorgangs deutlich erhöhte Strahlenwerte registrieren. Kaum auszumalen, welch mörderischen Dosen der Fahrer unter diesen Umständen ausgesetzt ist. Wie viele Menschen allein den Urantransport mit ihrer Gesundheit und letztendlich ihrem Leben bezahlen, ist unbekannt. Ein Großteil der Opfer lebt in Ländern, die aus Perspektive der Metropolenbewohner weitgehend irrelevant und nur in ihrer Eigenschaft als Rohstoffproduzenten von Interesse sind. Was kümmert's die Bürger drüben im nächtlichen Hamburg, was in den Eingeweiden der Hafenmaschinerie, die ihren Wohlstand generiert, an hochgefährlichen Gütern zu Lasten von Leib und Leben menschlicher Arbeitskraft tagtäglich umgeschlagen wird!

Passagiere auf Deck - © 2010 by Schattenblick

Ausflug, Demo ... Die Linke in Fahrt
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Mit der Behauptung, daß die Kreuzfahrtschiffe, die im Hamburger Hafen festmachen, aus Umweltschutzgründen kein Bunkeröl verbrennen dürfen, begab sich unser wackerer "Reiseführer für zwei Stunden" mal wieder in gefährliches Fahrwasser. "Doch, das dürfen sie!", wurde er verbessert und räumte nach einem kurzem Wortwechsel ein, daß er sich da wohl korrigieren müsse. Recherchen des Schattenblick haben ergeben: Nach EG-Richtlinie 2005/33 dürfen seit dem 1. Januar 2010 in europäischen Häfen Schiffe ab Liegezeiten von zwei Stunden nur Treibstoffe einsetzen, deren Schwefelgehalt einen maximalen Wert von 0,1% nicht überschreitet. Alles klar, sollte man meinen, unser Hafenrundfahrtsmeister hatte doch recht. Zur Ehrenrettung des Gastes sei angemerkt, daß er womöglich auf die berühmte Ausnahme von der Regel anspielte. Die gilt für Schiffe, die ständig zumindest gleichwertige Emissionsminderungen erzielen und ausführlich dokumentieren, daß die von ihnen in geschlossenen Häfen und Flußmündungen abgelassenen Abfallströme keine Auswirkungen auf die Ökosysteme haben. Oder die am Liegeplatz im Hafen alle Motoren abschalten und landseitige Elektrizität nutzen, was - bisher - die Binnenschiffahrt in Anspruch nimmt.

Vielleicht werden eines Tages die großen Kreuzfahrtschiffe, die im Hamburger Hafen festmachen, ebenfalls mit Landstrom versorgt. Sie sind in jeder Hinsicht zur See fahrende Kleinstädte. Mit bis zu 3.900 Personen an Bord verbraucht ein Kreuzfahrtschiff wie die Queen Mary 2 Unmengen an Energie, die vom Schiffsdiesel generiert werden. Was bedeutet das? Mit jedem Kreuzfahrtschiff, das die Elbe hochschippert, wird netterweise die CO2-Emissionsmenge einer Kleinstadt nach Hamburg hineingetragen. Seit Jahren erwägen die Behörden, Kreuzfahrtschiffen Landstrom zukommen zu lassen, der umweltschonender hergestellt werden kann. Aber bisher konnte man sich noch auf keine Steckerform einigen ... Nein, so simpel gestaltet sich das Problem natürlich nicht, obgleich es tatsächlich eine Abstimmung über die verwendeten Anschlußsysteme geben muß, aber ein Kabel, über das der Strombedarf einer Kleinstadt gestillt wird, in einem Hafenbereich zu installieren, in dem Tidenhub herrscht, verschlingt die eine oder andere Million und will konzeptionell gut vorbereitet sein.

Abschließend ging es noch an einem Schiff vorbei, das kaum zu erkennen war. Das lag aber nicht an seinen Stealth-Eigenschaften, mit denen es ausgestattet ist, denn die beziehen sich im wesentlichen auf Ortungen durch Radar, sondern an den wuchtigeren Schiffen und verwirrenden Hafenanlagen im Umfeld, die den spähenden Blick zunächst ablenkten. Dann schälten sich die Umrisse dieses Schiffs ein wenig aus dem Halbdunkel: Eine Fregatte der Bundesmarine. Nicht dafür gebaut, großräumige Seegefechte auszuführen, sondern um in flachen Gewässern rasch zu manövrieren. Für den Krieg der Zukunft. Und um was könnte es dabei gehen? Ein anderer Anlaufpunkt auf der Hafenrundfahrt lieferte eine Antwort. Die Strategische Ölreserve, von der mehrere riesige Tanks im Hamburger Hafen stehen, soll nach heutigem Verbrauch der Bundesrepublik Deutschland für 90 Tage reichen. Nun steht aber Peak Oil vor der Tür, also das globale Maximum der Ölförderung. Inzwischen rechnen selbst Bundeswehranalysten unverhohlen mit verschärften Kämpfen um das restliche schwarze Gold, da davon zentrale gesellschaftliche Bereiche abhängig sind und eine Gefahr für die öffentliche Ordnung entsteht, sollte das Öl ausgehen. Zudem will Verteidigungsminister Guttenberg die Bundeswehr unter dem Vorwand der Einsparungsnot zu einer schlagkräftigen Berufsarmee umformen. Noch Fragen, wofür die Fregatte gebraucht wird?

Hafenpanorama - © 2010 by Schattenblick

Heimwärts ...
© 2010 by Schattenblick

Nach einer fast zweistündigen Hafenrundfahrt, in der sich die Freude über das ungewöhnliche Erlebnis, die Lebensadern eines hochproduktiven Megakomplexes der weltwirtschaftlichen HighTech-Logistik zu befahren, mit der gruseligen Faszination an der Unwirtlichkeit seiner automatisierten Prozesse und industriellen Szenerie mischt, empfiehlt sich ein Spaziergang am östlichen Hafenrand zur Vertiefung des widersprüchlichen Eindrucks, den die städtebauliche Perfektionierung des Hamburger Hafengebiets vermittelt. Auf der breiten, im roten Klinker funktionaler Urbanität gehaltenen Promenade vorbei an den ehemals besetzten Häusern der Hafenstraße, in denen das einst widerständige Leben auf ein Reservat der befriedeten Integration randständiger Gruppen geschrumpft ist, führt der Weg über den verkehrstechnisch schon seit langem umfassend modernisierten Fischmarkt. Wo das Hamburger Lokalkolorit früher mit der lebenswirklichen Originalität eines noch nicht gentrifizierten Stadtteils aufwarten konnte, beherrschen heute die architektonisch glattpolierten, symmetrisch durchorganisierten Fassaden keimfreier Postmodernität das Bild.

Wie in vielen Hafenstädten Westeuropas ist auch in Hamburg von der vorwiegend proletarischen Bevölkerung, die ihren Erwerb auf der Werft, beim Beladen und Löschen der Frachtschiffe oder im dort konzentrierten Unterhaltungsgewerbe bestritt, so gut wie nichts mehr übriggeblieben. Das stets nach Anlagemöglichkeiten suchende Kapital hat sich auch in der Hansestadt der Hafenregion bemächtigt, um diese zentral gelegenen Gebiete mit exklusiven Wohnraumangeboten und hinter Stahl, Glas und Marmor verborgenen Verwaltungszentralen für seine Klientel zu erschließen. Passiert man abends die Fischauktionshalle, in der früher das namensgebende Gewerbe betrieben wurde, so kann man mitunter Szenen spätbourgeoiser Pracht erleben, wie sie ein Frederico Fellini nicht eindrücklicher hätte in Szene setzen können. Wo in den 1970er Jahren ein soziokulturelles Zentrum für alle Bürger geplant war, befindet sich heute ein Veranstaltungsort, in dem durchaus volkstümliche Ereignisse wie das Public Viewing zur Fußball-WM stattfinden, in dem aber auch große Konzerne Werbe- und PR-Events für ein auserlesenes Publikum zelebrieren.

Feudale Abendgesellschaft - © 2010 by Schattenblick

Draußen vor der Tür ...
© 2010 by Schattenblick



An diesem Samstagabend steht offensichtlich ein gastronomisches Großereignis auf dem Programm der bis zu 4000 Personen fassenden Fischauktionshalle, an dem der Normalbürger bestenfalls in der zeitgemäßen Gestalt des diensteifrigen Servicepersonals teilnehmen kann. Zwischen bunt beleuchteten Palmen sitzen hunderte Personen in Abendkleidung an langen, weißgedeckten Tischen, umgeben von einer fast ebensogroßen Anzahl in schwarzweißer Uniformität vom edlen Zwirn der Gäste eindeutig separiertem Dienstpersonal. Nun erfolgt der Auftritt, auf den alle gewartet zu scheinen haben. Von der Freitreppe, die vom Obergeschoß mitten in den Saal führt, eilen im Laufschritt Dutzende von Kellnerinnen und Kellnern, silberne Tabletts mit abgedeckten Speisen auf ihren Händen balancierend, hintereinander in gleichmäßigem Abstand herab, um sich, wie von einer strengen Choreographie geleitet, wohlgeordnet an den Tischen zu verteilen.

Servicepersonal wartet auf seinen Einsatz - © 2010 by Schattenblick

Einsatzkräfte an der Front der besseren Gesellschaft
© 2010 by Schattenblick

Frappanter könnte der herrschaftliche Neofeudalismus des globalisierten Merkantilismus nicht vorgeführt werden. In einem St. Pauli, in dessen dem Hafen zugewandten Teil so gut wie nichts mehr an die bunte und vielfältige Sozialkultur des letzten Jahrhunderts erinnert, haben heute Damen und Herren das Sagen, die man früher in den reichen Elbvororten, in Harvestehude oder Pöseldorf vermutet hätte. Als Schaufenster der ihre Klassengrenzen immer unüberwindlicher armierenden Hansestadt bietet der Hamburger Hafen Studienmaterial in Hülle und Fülle, von dem in den offiziellen Tourismusprospekten der Stadt keine Rede ist. In seinem kontroversen Gehalt dechiffrierbar ist es allerdings nur, wenn man im zentralen Konflikt dieser Gesellschaft Position auf der Seite derjenigen bezieht, denen immer weniger Platz zugebilligt wird, um ein freies und selbstbestimmtes Leben zu führen.

Fußnoten:

[1] http://www.hafengruppe-hamburg.de/RundfahrtThemen.shtml

[2] http://www.meinepolitik.de/globtrans.pdf

Bisher erschienen:
BERICHT/033: Energiekonferenz - sozialer Widerstand gegen Monopolanspruch der Atomwirtschaft (SB)
BERICHT/034: Energiekonferenz - Podiumsdiskussion zu Alternativen der Atomwirtschaft (SB)
BERICHT/035: Energiekonferenz - Fachvorträge mit Biß gegen Profitstreben und Kontrollzuwachs (SB)
BERICHT/036: Energiekonferenz - Foren und Workshops zur Abschaffung der Atomkraft (SB)
INTERVIEW/044: Energiekonferenz - Alexis Passadakis von Attac (SB)
INTERVIEW/045: Energiekonferenz - Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg (SB)
INTERVIEW/046: Energiekonferenz - Gerhard Harder, Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg (SB)
INTERVIEW/047: Energiekonferenz - Janine Wissler, Partei Die Linke (SB)
INTERVIEW/048: Energiekonferenz - Joachim Bischoff, Ökonom, Bürgerschaftsabgeordneter Die Linke (SB)

15. September 2010