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INTERVIEW/086: Petersberg II - Ludo De Brabander, Vrede vzw (SB)


Interview mit Ludo De Brabander am 3. Dezember 2011 in Bonn


Ludo De Brabander ist Mitglied der flämischen Friedensbewegung Vrede vzw [1] und unter anderem als Autor für die Zeitschrift Vrede aktiv. Die Organisation wurde 1949 als Mitglied des World Peace Council gegründet und ist somit so alt wie die NATO, deren Hauptquartier in Belgien angesiedelt ist. Während der Demonstration gegen die Afghanistankonferenz in Bonn beantwortete er dem Schattenblick einige Fragen.

Ludo De Brabander - Foto: © 2011 by Schattenblick

Ludo De Brabander
Foto: © 2011 by Schattenblick

Schattenblick: Ludo, könntest du etwas zu den Aktivitäten der Friedensbewegung in Belgien sagen?

Ludo De Brabander: Wir haben eine aktive Friedensbewegung in Belgien, doch das Thema Afghanistan ist schwierig zu vermitteln. Es macht den Eindruck, daß dieser Krieg zu weit entfernt wäre, obwohl wir dort 600 belgische Soldaten haben.

SB: Belgien ist das Land, daß die administrative Zentrale der NATO beherbergt. Meinst du, daß euch dadurch eine besondere Verantwortung im Rahmen der europäischen Friedensbewegung zukommt?

LDB: Wir haben eine besondere Verantwortung, aber die NATO ist eine Koalition von 28 Ländern. Jede Bevölkerung trägt dafür Verantwortung. Wir haben zwar die NATO-Basis erhalten, aber wir als Friedensbewegung hätten sie am liebsten morgen schon wieder geschlossen. Deswegen tragen wir auch dieses Banner mit uns "NATO raus aus Belgien". Am 1. April 2012 führen wir in Vorbereitung auf den NATO-Gipfel im Mai in Chicago zusammen mit Action pour la Paix [2] einen Tag der gewaltfreien direkten Aktion gegen das NATO-Hauptquartier in Brüssel durch.

SB: Wie empfindet es die belgische Bevölkerung, daß sie zu einem Zentrum der Machtkonzentration in Europa geworden ist, da ihr Land nicht nur die NATO-Zentrale, sondern auch die EU-Administration beherbergt?

LDB: Jetzt sieht ein wachsender Teil der Bevölkerung, wo die Prioritäten in Europa liegen. Sie liegen bei dem Kapital, gleichzeitig führt man Krieg in verschiedenen Regionen der Welt. Viele Menschen erkennen den Zusammenhang zwischen militärischem Arm und ökonomischem Block. Die Bevölkerung jedoch möchte eine sozial gerechte und ökologisch sinnvolle Politik.

SB: Gibt es in Belgien eine traditionell starke Linke?

LDB: Es gibt eine starke Linke, aber die ist nicht wie in Deutschland auf Parteiebene organisiert. Leider ist sie ziemlich zersplittert. Wir haben eine recht starke grüne Partei, die im Falle Afghanistans im Unterschied zu Deutschland noch eine eindeutige Antikriegsposition hat. Allerdings haben alle im Parlament vertretenen Parteien den Libyenkrieg unterstützt.

SB: Gab es überhaupt nennenswerten Widerstand gegen den Libyenkrieg in Belgien?

LDB: Es war sehr schwierig, sogar auf der linken Seite des politischen Spektrums. Viele Menschen sind auf die Propaganda der humanitären Intervention hereingefallen, aber ich glaube, nachher sind vielen dennoch die Augen aufgegangen. Man hat erkannt, daß man mit einem Krieg keine Demokratie installieren kann, daß dieser Krieg geführt wurde, um die Rebellen aus der Luft zu schützen, während viele Tausend Menschen der Zivilbevölkerung trotz des Auftrags der Schutzverantwortung im Mandat umgekommen sind.

SB: Kannst du dir vorstellen, daß die soziale Frage in Europa wieder stärker mit der friedenspolitischen zusammengedacht wird?

LDB: Das hoffe ich. Jetzt ist, so glaube ich, der Moment gekommen, auf den Zusammenhang zwischen sozialer Krise und weltweit zunehmender Aufrüstung hinzuweisen. Mit diesem Geld könnte man viel mehr soziale, ökologische und entwicklungspolitische Maßnahmen finanzieren. Das ist für uns eine zentrale Botschaft. Deswegen führen wir jedes Jahr eine Friedenskonferenz durch, und im Oktober 2012 soll es genau um dieses Thema, den Zusammenhang zwischen ökonomischer Krise und Militärausgaben, gehen.

SB: Vielen Dank und viel Erfolg für eure Arbeit.

Fußnoten:

[1] http://www.vrede.be/

[2] http://www.actionpourlapaix.be/

11. Dezember 2011