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INTERVIEW/146: Kapitalismus final - suchen, finden, weiter so (SB)


Olav Reuter, Pressesprecher der Veranstaltungsreihe "Kapitalismus in der Krise"

Interview am 6. November 2012 in Hamburg-Eimsbüttel

Die laufende Hamburger Veranstaltungsreihe "Kapitalismus in der Krise" spannt sich über einen Zeitraum von fast drei Monaten. An insgesamt 13 Tagen wurden und werden die theoretischen Grundlagen und politischen Faktoren der seit 2007 anhaltenden und eskalierenden Krisenentwicklung untersucht und debattiert. Dabei wird vor allem anhand der von Karl Marx geleisteten Kritik der politischen Ökonomie versucht, Dynamik und Verlauf der Krise auf handhabbare und erkenntnisträchtige Weise in den Griff zu nehmen. An einem dieser Abende beantwortete Olav Reuter, Pressesprecher des Bündnisses der die Reihe veranstaltenden Gruppen und Organisationen, dem Schattenblick einige Fragen zur Entstehung und Ausrichtung dieses ambitionierten Projekts.

Plakat zur Veranstaltungsreihe - Foto: http://www.kapitalismus-in-der-krise.de/index.php/material

Blickfang mit dringlicher Note
Foto: Bündnis "Kapitalismus in der Krise"

Schattenblick: Olav, könntest du einmal erläutern, wie die Idee zu dieser Veranstaltungsreihe entstanden ist und wer die Initiative hatte?

Olav Reuter: Der Impuls für diese Veranstaltungsreihe ging eigentlich von der Marxistischen Abendschule MASCH e.V. aus. Es gab da eine Arbeitsgruppe Krise, die sich mit der heutigen kapitalistischen Krise auseinandergesetzt hat. Im Prozeß der Auseinandersetzung wurde klar, daß in den unterschiedlichen Analysen keineswegs eindeutig ist, wie sich diese Krise erklären läßt. Aus diesem Impuls heraus hat die MASCH unterschiedliche Bündnispartner angeschrieben, die sich zusammengefunden und ihre eigenen Ideen eingebracht haben. Letztlich ist die Veranstaltungsreihe also auf Initiative der Marxistischen Abendschule zustande gekommen.

SB: Ihr repräsentiert ein bestimmtes Segment der Hamburger Linken. Hat es auch Leute gegeben, die angeschrieben wurden, aber nicht mitmachen wollten?

OR: Es wurden mehr Leute oder Gruppen angesprochen, als letztlich mitgemacht haben, aber nicht alle haben sich bei uns zurückgemeldet oder explizit abgesagt. Vielleicht paßte das Projekt nicht in den Zeitplan oder Aktionsfokus dieser Gruppen. Negativ geäußert hat sich jedenfalls keine dieser Gruppen. Sie haben sich sozusagen in aller Stille enthalten.

SB: Dieses Bündnis zur Veranstaltung "Kapitalismus in der Krise" ist betont marxistisch ausgerichtet und besteht aus Organisationen, die nicht parteigebunden sind, bis hin zur DKP und Strömungen in der Linkspartei. Wie würdest du die Größe dieses Bündnisses im Verhältnis zur allgemeinen Hamburger Linken beurteilen?

OR: Über die genaue Größe kann ich jetzt nichts sagen. Es wurden natürlich Gruppen ausgewählt, die schon in irgendeiner Form mit der Marxistischen Abendschule MASCH zu tun hatten. Da gibt es auch personelle Überschneidungen, weil einige Leute aus diesen Gruppen in der MASCH selbst aktiv sind. Diese Gruppen stehen offen für gewisse Positionen ein, was dann ausschlaggebend dafür war, daß wir sie angeschrieben haben. Die Größe dieser Gruppen kann ich nicht genau einschätzen, aber ich denke, sie besitzen insofern eine organisatorische Struktur, als sie praktische politische Arbeit leisten. Das zeichnet diese Gruppen aus. Sie belassen es nicht dabei, sich im stillen Kämmerlein mit marxistischer Theorie zu befassen, sondern versuchen gleichzeitig auch eine Praxis zu entwickeln. Das ist vielleicht das Besondere an diesen Gruppen, obwohl es nicht unbedingt für alle Gruppen gelten muß.

SB: In den Veranstaltungen werden theoretische Fragen aufgeworfen, die zu entwickeln einiges Interesse an der Materie voraussetzen, so daß sie eher keine große Breitenwirkung erzielen. Gibt es unter den Initiatorinnen und Initiatoren der Veranstaltungsreihe einen allgemeinen Konsens über die Bedeutung von Theoriearbeit auch für die praktische politische Arbeit und die Bewertung politischer Entscheidungen?

OR: Einen Konsens gibt es, so weit ich es einschätzen kann, wohl eher nicht. In den jeweiligen Gruppen wird in einem unterschiedlichen Ausmaß Theoriearbeit betrieben, aber alle diese Gruppen teilen die Überzeugung, daß man sich intensiver mit dem derzeitigen Phänomen der kapitalistischen Krise auch als Systemkrise auseinandersetzen muß, um die Krise besser zu verstehen und auch seine eigene Praxis danach auszurichten. Diesen theoretischen Minimalkonsens teilen alle Gruppen. Einige machen darüber hinaus mehr Theoriearbeit, einige nicht soviel. Das ist durchaus variabel.

SB: Es werden auch Themenstellungen erörtert, die nicht unmittelbar auf die Krise bezogen sind, die die Referate wie ein roter Faden durchzieht. Am heutigen Abend mit Guenther Sandleben hingegen stand die politökonomische Untersuchung der Krise im Vordergrund. Die Reihe nahm sogar den Charakter eines übergreifenden Diskurses an, indem häufiger auf die Veranstaltung mit Tomasz Konicz Bezug genommen wurde. Habt ihr euch schon einmal Gedanken darüber gemacht, diese Diskussionsprozeß später weiterzuführen und auszuwerten?

OR: Natürlich gibt es diesen roten Faden, und er ist auch bewußt so angelegt. Darüber hinaus haben wir die Vortragsreihe relativ offen gestaltet, so daß sich die unterschiedlichen Gruppen eine bestimmte Veranstaltung aussuchen konnten. Das macht diese Veranstaltungsreihe im Kern aus, daß auf der einen Seite viele unterschiedliche Bereiche zusammenkommen und auf der anderen Seite ein roter Faden sich gerade durch die politökonomischen Themen zur Krise zieht. Zur Auswertung dieser Krisenreihe kann ich jetzt nur soviel sagen, als es geplant ist, diese Veranstaltungsreihe noch inhaltlich zu diskutieren. Ob darüber hinaus noch irgendeine Form von öffentlichkeitswirksamer Publikation herauskommt, kann ich leider nicht sagen. Das ist derzeit nicht geplant, aber es werden natürlich Treffen organisiert, um das Symposium am 17. November besser vorbereiten zu können. Auf dem Symposium sollen am Ende nicht nur Fragen stehen, sondern hoffentlich auch einige Antworten. Wir versuchen, Fragen, die sich aus den jetzigen Veranstaltungen ergeben haben, für die Referenten zu systematisieren.

SB: Könntest du dir vorstellen, daß sich daraus eine stärkere politische Zusammenarbeit ergibt, die, obwohl die beteiligten Gruppen teilweise unterschiedliche Ansätze haben, zur Handlungsfähigkeit und Kampfkraft einer ansonsten ziemlich desolaten Linken beiträgt?

OR: Das wäre natürlich zu hoffen, aber in erster Linie ist das jetzt eine Veranstaltungsreihe, die unterschiedliche Gruppen zu Wort kommen läßt. Was darüber hinaus geht, steht in den Sternen. Aber ich kann vielleicht für alle Gruppen sagen, daß es wünschenswert wäre, wenn sich daraus irgendwelche Implikationen für die Praxis ableiten lassen und diese Veranstaltungsreihe auch für die zukünftige politische Arbeit aller Gruppen von Relevanz ist. Der Veranstaltungsreihe ist es zumindest gelungen, daß die einzelnen Gruppen wieder einen Blick für die jeweils anderen Gruppen gewonnen haben. Daraus könnte in Zukunft vielleicht einmal eine Zusammenarbeit entstehen. Der Grundstein ist auf jeden Fall gelegt. Alles weitere wird die Zukunft zeigen.

SB: Olav, vielen Dank für das Gespräch.

Plakat zum Symposium am 17. November - Foto: http://www.kapitalismus-in-der-krise.de/index.php/material

Hochkarätiges Aufgebot für kontroverse Krisenanalyse Foto: Bündnis "Kapitalismus in der Krise"

Fußnote:
Selbstdarstellung des Bündnisses siehe
http://www.kapitalismus-in-der-krise.de/index.php/ueber-uns

8. November 2012