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DISKURS/013: Arbeit aus Liebe - Liebe als Arbeit. Ein Rückblick (Olympe)


Olympe Heft 30 - Dezember 2009
Feministische Arbeitshefte zur Politik

Arbeit aus Liebe - Liebe als Arbeit. Ein Rückblick

Von Barbara Duden


Eine Einladung zu einer Ringvorlesung bot mir 2008(1) Gelegenheit, eine Suchbewegung in meinem Leben und eine Schrift zu überdenken, die wohl mein Urerlebnis als Feministin und als Autorin war. Damals, Mitte der 1970er Jahre, verfasste ich zusammen mit einer Freundin, Gisela Bock, einen polemischen Essay: "Arbeit aus Liebe, Liebe als Arbeit. Zur Entstehung der Hausarbeit im Kapitalismus".(2) In dieser Analyse der Hausarbeit im Industriesystem, die wir für die erste Sommeruniversität für Frauen im Juni 1976 vorbereiteten, argumentierten wir, dass Frauen einen Anspruch haben, für ihre unbezahlte Hausarbeit vom Staat finanziell entlohnt zu werden. Die Forderung politisch durchzusetzen, erwies sich, jedenfalls in Deutschland, als utopisch. Die Hausarbeit verschwand als Thema von der Agenda der Frauenbewegung, aber der Aufsatz machte als "Bock/Duden" Karriere und wurde für die nächste Generation junger Frauen zur Pflichtlektüre in den Gender-Studies. Mehr als dreissig Jahre später denke ich im Sinne eines Rückblicks über das "Damals" Mitte der 1970er Jahre, über unsere Analyse, über den Denkstil der Autorinnen und die Situation der Freundinnen und Frauen damals nach. Bei einem Rückblick sieht man bekanntlich, was in der Gegenwart des "Damals" nicht so beobachtet werden konnte. Ich versuche also, im Lichte des Umbruchs, den wir gegenwärtig erleben, den Tabubruch auszumessen, den wir begingen, als wir Mitte der 1970er Jahre das, was Frauen in Küche und Kinderzimmer, Ehebett und am Esstisch taten, als "Arbeit" sichtbar machten. Damals wurde die Hausarbeit noch als Wesen der Frau, als Natur des weiblichen Geschlechts angesehen und entsprechend behandelt - sie wurde nämlich für selbstverständlich gehalten. Unser analytisches Besteck sollte diese Selbstverständlichkeit blosslegen und zum archimedischen Punkt vordringen, von dem aus die so sichtbar gemachte Macht der Frauen zum Umsturz der Gesellschaft führen müsste.

Im neuen Jahrtausend muss, wer über Hausarbeit und die Frauen nachdenkt, Folgendes im Fokus behalten:

Die Belastungen der Frauen in den Haushalten sind nicht weniger geworden, sondern mehr, aber es ist undenkbar geworden, dies öffentlich einzuklagen. Die Hausarbeit ist unsichtbarer denn je;
heute muss die Hausfrau als Managerin selbstverantwortlich Hausarbeit und Erwerb, Fürsorge und Geldverdienst organisieren. Ihre "Doppelbelastung" betreibt eine rhetorische Gebetsmühle;
damals ging es um Geld für und Verweigerung von Hausarbeit, um mehr freie Zeit für sich zu haben. Dreissig Jahre später zwingen die Sozialsysteme und die Ökonomie die Frauen zu einer betriebswirtschaftlichen Rationalität, um nicht unter dem wachsenden Berg von Ansprüchen, Pflichten, Notwendigkeiten begraben zu werden;
damals war es "Arbeit aus Liebe", heute ist die Logik der Erwerbsarbeit tief in die häusliche Sphäre eingedrungen, die geldvermittelte Symbolik wirkt nun auch dort, wo einen niemand dafür bezahlt;
das Modell des nun untergegangenen Industriesystems (Familienernährer und femina domestica), nach dem ein Lohn zwei Menschen Unterhalt bot, wich dem "one-adult-worker-model" als ökonomisches und soziales Prinzip: Jede muss sich individuell um entlohnte Arbeit bemühen, auch wenn diese immer knapper wird und bei den meisten Frauen kaum zur Existenzsicherung reicht;
die unbezahlte Hausarbeit der Frauen in der Familie wurde ergänzt durch die gering bezahlten häuslichen Dienstleistungen von Migrantinnen.

Damit ist angedeutet, worum es mir im Folgenden geht. Die aufgeführten Beispiele sind aus Deutschland.


Eine folgenschwere Gesetzesrevision

In Deutschland wurden vor kurzem durch eine Gesetzesreform zur Unterhaltsregelung bei Ehescheidung die Ansprüche von Ehefrauen beseitigt, aufgrund ihrer Hausarbeit für sich Unterhaltsansprüche an den Mann stellen zu können. Über diese Reform sprach ich mit einer feministischen Beamtin, die ihr Geld als "Beauftragte für die Verwirklichung der Gleichstellung der Frauen" verdient und die ich sehr schätze. Mich bewegte die Rücknahme des Anspruchs auf finanzielle Anerkenntnis der geleisteten Hausarbeit, die durch den Druck der Frauenbewegung erkämpft worden war. Seit Januar 2008 können Ehefrauen nichts mehr, Mütter mit kleinen Kindern längstens bis zum Ende deren dritten Lebensjahres vom Ehemann Geldleistungen für ihre Person beanspruchen. Allein ein Kind - und nur bis zum Ende des dritten Lebensjahres - befreit die Geschiedene vom Zwang, umgehend durch Erwerbstätigkeit für ihren Lebensunterhalt sorgen zu müssen. Die Parlamentarier glauben offenbar, dass ein Dreijähriges aufhört, "Mutter" zu brauchen, und die in der Ehe verrichtete, unbezahlte Hausarbeit zählt nichts - nicht das Abwaschen von Tellern, nicht das Kochen von Kartoffeln, das Bügeln von Hemden, das Beziehen der Betten, das Schrubben von Böden und Fenstern. Und schon gar nicht zählen die Wickel um den Hals bei Husten oder die Willfährigkeit im Bett. Keiner dieser "Liebesdienste" der Hausfrau, Ehefrau und Mutter lässt sich nach der Scheidung in einem verbrieften Anspruch auf Geldtransfer quittieren.

Darüber empörte ich mich vor der Gleichstellungsbeauftragten und sagte etwa Folgendes: "Hieran siehst du, wie total das Bewusstsein von den Leistungen unentlohnter Hausarbeit heute getilgt ist. Müssen wir nicht die Revision des Scheidungsrechts als ein Zeitzeichen verstehen, das uns den Umbruch im Status der Frauen und ihrer unentlohnten Hausarbeit im Industriesystem vorführt?" Die Kollegin war mit meiner Hinterfragung der Revision gar nicht einverstanden: "Bist du bei Sinnen", sagte sie, "das ist doch vernünftig und richtig! Die Frauen müssen zu einer 'individuellen Existenzsicherung' gezwungen werden! Vor der Eheschliessung muss jede wissen, dass sie nicht als 'Nur-Hausfrau' zurechtkommen kann... Soll sich der Mann doch selbst Fieberwickel machen und, bitte schön, seine Hemden selber bügeln!"

Viele Frauen, viele Feministinnen sähen das auch so. Auch meine Studentinnen in Hannover wären höchst befremdet bei der Idee, dass jemand - sei es der Staat, der Arbeitgeber oder der Mann - der Frau für deren unentlohnte Hausarbeit Geld schuldet. Aber genau diese Einsicht war eine bahnbrechende Errungenschaft der Frauenbewegung. Und so muss ich feststellen, dass die Entdeckung der unbezahlten Hausarbeit der Frauen als Voraussetzung des Industriesystems in kaum einem Jahrzehnt durch einen blinden Fleck im öffentlichen Gesicht verdeckt wurde. Die Hausarbeit blieb an den Frauen hängen, sie wurde aber in ihrer gesellschaftlichen Leistung symbolisch noch gründlicher entwertet als vordem: Die, die sie tun, wollen das nicht mehr zugeben, um nicht als Hausmütterchen belächelt zu werden. Zum Königinnenweg zur Selbstbestimmung wurde seit den 1980er Jahren alternativlos die Erwerbstätigkeit. Sie wurde zum Symbol für das "Recht auf ein Stück eigenes Leben".

Doch die Hausarbeiten verschwanden nicht einfach wie Butter an der Sonne. Sie schwanden nur aus der Wahrnehmung, nicht aus der Wirklichkeit. Lassen Sie mich einige Zahlen anführen:

Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes werden in 36 Millionen Privathaushalten in Deutschland ca. 77 Milliarden unbezahlte Arbeitsstunden geleistet, davon entfallen ca. 80% auf hauswirtschaftliche Dienstleistungen, was rund 59 Milliarden Stunden entspricht. Zeitbudgetstudien zeigen, dass die Arbeitsbelastung durch Hausarbeit hoch ist, nach wie vor. Eine repräsentative Befragung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von 1996 ergab, dass Frauen durchschnittlich 35 Stunden pro Woche mit Hausarbeit zu tun haben. Ökonomen berechnen folgerichtig seit den 1990er Jahren die enormen stimulierenden Potenzen dieser Sphäre als noch unerschlossenen Arbeitsmarkt, falls es gelingen kann, diesen Bereich in einen Sektor privat bezahlter, aber marktlich angebotener Dienstleistungen zu überführen. Wir müssen uns also fragen, wie es dazu kam, dass der riesige Kontinent der unbezahlten Hausarbeiten, für den wir damals Geld forderten, als Leistung der Frauen aus dem Bewusstsein verschwand, während er zeitgleich als erschliessbarer Teilbereich des Dienstleistungssystems in den Blick der Dienstleistungsökonomen rückte. Symbolische Entwertung, ja Vernichtsung auf der einen Seite, noch nicht ausgeschöpfte volkswirtschaftliche Ressource auf der anderen. Noch immer rätsle ich, wieso die Ehefrau oder Geliebte des Buchhalters, die ihm die Einkäufe macht und die Socken wäscht, gar nichts leistet, während sie, würde er sie formal anstellen, zum Bruttosozialprodukt beitrüge. Was mich also umtreibt, ist die Genese dieses blinden Flecks in allen öffentlichen Verlautbarungen, in der Perspektive der Gesetzesmacher, aber eben auch der Frauen. Seine Ausbildung lief parallel zum Verblassen der feministischen Sichtbarmachung dieses blinden Flecks.

Um diesen Faden zu verfolgen, gehe ich zum Sommer 1976 zurück. Damals bereitete eine Gruppe junger Akademikerinnen in Berlin die erste Sommeruniversität für Frauen vor. Diese sollte zwar an der Universität stattfinden, aber sie sollte ausdrücklich Nichtakademikerinnen anlocken: alle Frauen, Mütter mit Kindern, Hausfrauen, Huren, Studentinnen und die Sekretärinnen in der Rostlaube, dem Bau der "Freien Universität", in dem wir zusammenkommen wollten. Und sie kamen, wohl um die 500 Frauen. Für den ersten Tag hatten Gisela Bock und ich monatelang über dem Unmöglichen gebrütet, unsere unterschiedlichen Forschungsschwerpunkte und die gegenwärtige Situation argumentativ zu verknüpfen. Ich kam aus den Studien des 18. Jahrhunderts und wusste etwas vom "Kampf um die Hosen", von Frauenmacht in der häuslichen Ökonomie des Ancien Régime und von Frauenrevolten gegen Getreidewucher und -spekulation nach Zeiten der Missernte. Gisela Bock arbeitete über die Frauengeschichte in den USA in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Diese zwei Epochen und separaten sozialen Geografien sollten in ein Argument verarbeitet werden, das auf eine radikale Analyse unserer eigenen Gegenwart, der Situation der Frauen in den 1970er Jahren, hinauslaufen musste.


Arbeit aus Liebe - Liebe als Arbeit

Es ist nicht leicht, sich die Umstülpung im eigenen Denken und in den damaligen Selbstverständlichkeiten vor Augen zu führen, die hier nötig waren. Denn zuallererst mussten die Blockaden abgeräumt werden, die einer fundierten Analyse der Frauen und der Hausarbeit im Kapitalismus im Wege standen.

Zunächst hemmte der Sprachgebrauch den Blick auf das, was wir sichtbar machen wollten - das Wort "Arbeit" adelt nur die Erwerbssphäre, die Hausfrau "arbeitet" nicht. In Küche, Keller und Kinderzimmer hantiert sie, so meinte man damals noch, gemäss ihrer Natur und passend zu ihrem Kulturcharakter. Seit dem 19. Jahrhundert war die neuartige ökonomische Bifurkation oder Spaltung der industriellen "Arbeitskraft" als Spaltung zwischen Frauen und Männern durch die Ideologie eines biologistischen Arguments als naturgewollt verdeckt worden. Claudia Honegger sollte später eine hinreissende Analyse dieser Verschiebung sozialer Zumutungen in naturhafte körperliche Eigenart schreiben: Die "Sonderanthropologie des Weibes" mauserte sich durch die Gynäkologie im 19. Jahrhundert zur Fachdisziplin für Hausfrau, Gattin und Mutter.(3)

Folgerichtig glaubte jeder, die Hausarbeit sei nur ein letzter Rest vormoderner oder traditioneller Plagen, die im Industriesystem und durch arbeitssparende Technologien verschwinden würden. Nicht nur die Frau galt als geschichtslos, auch ihr Tun am Kochtopf. Schon Madame Neandertaler rührte liebevoll die Suppe.

Gleichfalls war die übliche Begrifflichkeit eine Barriere. Die Sicht auf Hausarbeit im Kapitalismus war terminologisch verdeckt durch Begriffe wie Familie, Privatsphäre oder gar Konsum- und Freizeitsphäre. In den von den Historikern Conze, Brunner und Koselleck in diesen Jahren herausgegebenen "Geschichtlichen Grundbegriffen" kamen die Hausarbeiten unter dem Stichwort "Arbeit" nicht vor, und beim Stichwort "Familie" drängte sich dem Verfasser zwar die Mutter auf, aber nicht, was es bedeutet, dass diese gleichzeitig ununterbrochen im Haus arbeitet. Es konnte nicht anders sein, denn die damals herrschende US-amerikanische Soziologie nach Talcott Parsons behandelte Hausarbeit mit dem Besteck der "Frauenrolle" oder der Familien-Ideologie.

Schliesslich galt der marxistischen politischen Ökonomie die Hausarbeit als vorkapitalistisches Relikt, das im Orkus der gesellschaftlichen Organisation von Kinderkrippen und Gemeinschaftsküchen verschwinden würde. Die ältere Schule der Nationalökonomie und die Volkswirtschaftler der 1920er Jahre hatten noch die wirtschaftliche Funktion von Hausarbeit im Blick und ihren gesellschaftlichen, wenn auch nicht bezahlten Wert ermessen und betont. Die Frauen der Ersten Frauenbewegung hatten daran anknüpfen können. Aber die Volkswirtschaftler nach dem Zweiten Weltkrieg, die new classical economics, hatten in ihren statistischen Modellen und Kategorien Hausarbeit systematisch ausgeschlossen: Sie gilt als unproduktiv und - da unentlohnt - geht nicht in die Berechnungen des Bruttosozialprodukts ein. Gary Becker berechnet zwar den Wert von Heirat, Familie oder Kindern, aber nur im Rahmen des "rational choice" in einer Theorie des ökonomischen Verhaltens als anthropologischer Konstante.

Das war also die Situation, die wir in der Einleitung zur ersten Sommeruniversität festhielten: "Die herkömmliche Wissenschaft meinte mit 'Frauenarbeit' immer nur die entlohnte Arbeit, die Hausfrau wurde in den Wissenschaften nie behandelt, weder sie noch ihre Arbeit waren bisher ein erkenntniswürdiger Gegenstand. Der Grund: Hausarbeit wurde als das Wesen der Frau, als Natur des weiblichen Geschlechts angesehen und entsprechend behandelt - nämlich für selbstverständlich gehalten" (Bock/Duden, Einleitung, S. 17).

In meinem Exkurs über die vormoderne Epoche entwickelte ich die These, dass es "die Hausarbeit" vor dem 20. Jahrhundert nicht gegeben hat - weder materiell noch formell, noch als Erlebnisstoff. Die konkreten Tätigkeiten der Frauen beim Waschtag am Fluss, der Bäuerin am Herd oder der Kerzen ziehenden Krämersfrau können nicht als "Hausarbeit" bezeichnet werden, wenn wir die Vergangenheit nicht retrospektiv kolonisieren wollen. Die moderne unbezahlte Hausarbeit entstand erst mit dem Industriesystem. Gisela Bock zeichnete die Schübe in Heraufkunft, Organisation und Verallgemeinerung der modernen unentlohnten Hausarbeit als Arbeit aller Frauen nach und machte ihre Genese an drei Stationen sichtbar: an der Bewegung zur Effizienzsteigerung von Hausarbeit durch deren systematische Rationalisierung in den 1920er Jahren; an der Verallgemeinerung der Kleinfamilie im Zuge des 20. Jahrhunderts, insbesondere in den beiden Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg; schliesslich zeigte sie an der Steuergesetzgebung und der Familienpolitik, dass und wie der Staat die Hausarbeit der Ehefrauen und Mütter ermöglichte und erzwang. Ich greife im Folgenden auf Gisela Bocks Argumente zurück.


Effizienzsteigerung als Gegenstand industrieller
Gesellschaftsplanung

Seit dem späten 19. Jahrhundert und massiv in den 1920er Jahren wurde in den Wissenschaften die Produktivität im Haushalt als ein Mittel untersucht, die Produktivität des Lohnarbeiters zu fördern, ja als dessen Voraussetzung zu schaffen. Hausarbeit wurde als ein Hebel entdeckt, mit dem sich die Qualität der Arbeitskraft fördern liess. In den 1920er Jahren verlängerte sich das Fliessband bis in die Küche und ins Schlafzimmer hinein, "wurde von der Endmontage der Autofabriken bis in die Primärmontage der Arbeitskraft im Haushalt vorgeschoben". Gisela Bock untermauerte ihre Aussage mit einem Zitat aus einem 1912 veröffentlichten Buch über home efficiency: "Das Heim ist Teil einer grossen Fabrik für die Produktion von Bürgern", sowie aus dem Buch "Home Efficiency" des amerikanischen Soziologen Talcott Parsons über die Familie des 20. Jahrhunderts: "Familien sind 'Fabriken', die menschliche Persönlichkeiten produzieren." Das bedeutete: "Das Fabriksystem griff in den 1920er Jahren auf die ausserbetriebliche Gesellschaft über (...) und unterwarf sich in erster Linie die Hausarbeit und durch sie die Frauen. (...) Man begann, in Dollar und Cent, das 'Kapital' an Kindern zu kalkulieren und ob Frauen in der Fabrikarbeit oder in der Hausarbeit einen grösseren Kapitalzuwachs bedeuteten." Die Rationalisierungsbewegung zeigte also eindeutig: "Die moderne Hausarbeit, die die Produktion dieser 'menschlichen Maschine' (einschliesslich der dazu nötigen Sexualität) ebenso umfasst wie ihre Reproduktion (einschliesslich von Konsumarbeit und unmessbaren Liebesdiensten), war neu und lag weit jenseits von feudalen oder gar 'naturhaften' Relikten. Sie wurde durch die Industrialisierung nicht etwa tendenziell aufgehoben, sondern überhaupt erst erforderlich gemacht." (Alle Zitate aus Bock/Duden, S. 165f.)


Die Kleinfamilie als Organisation von Hausarbeit

Dieser Umbau des Haushalts zum Ort der Reproduktion und Erholung des Mannes durch die Arbeit seiner Frau wurde erst möglich durch die Verallgemeinerung der Kernfamilie als "Organisationsform der unbezahlten weiblichen Hausarbeit" und der Hausarbeit als natürliche und damit natürlich unbezahlte Arbeit der Frau im "Herzen der Familie". Es liess sich zeigen, dass die massive Politik zur Konsolidierung von Ehe und Familie, insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg, keineswegs "konservativ" gewesen war und nicht beabsichtigt hatte, eine vermeintlich "traditionelle" Lebensform abzustützen. Nein. Im Gegenteil sie war sozialpolitisch und volkswirtschaftlich hoch funktional! Die Kernfamilie, der private Haushalt als Hort für den Mann und die Kinder, war eine Voraussetzung für die Organisation des Binnen- und des Arbeitsmarktes für das Wirtschaftswunder. Beim Kauf der Waschmaschine zwischen Siemens, Miele und AEG zu wählen war Frauenarbeit, überwältigend oft gingen die Investitionen in die weissen Waren im "privaten Sektor" durch Frauenhände. Auch die häusliche Liebesarbeit der weiblichen Ehehälfte in den 1950er Jahren war nicht konservative "Frauenrolle" und "Familienideologie", sondern erwuchs aus einer systematischen Mobilisierung der für die Arbeitskraft des Ernährers funktionalen Aufmerksamkeitsarbeit auf die Paarbeziehung. "Dass es in einer Ehe wichtigere Dinge gibt als einen blank gescheuerten Fussboden", hiess es 1955 in der Zeitschrift "Brigitte", denn "es gibt wohl keinen Mann, der eine gepflegte, ausgeruhte Frau nicht einem gepflegten Haushalt vorziehen würde." Im Register der Hausarbeiten kamen die Leistungen der in Seelendingen kompetenten Reparateurin hinzu, die der Mann von seiner Frau erwartete. Die für das ganze 20. Jahrhundert präzedenzlose Verheiratungsdichte in den 1950er Jahren, die Durchsetzung der Ehe als für alle gültige Lebensform, machte es, so die Historikerin Ulrike Lindner, möglich, dass jeder Mann eine Hausfrau sein Eigen nennen durfte - während die Hausarbeit so umstrukturiert wurde, "dass sie von einer Person, der Hausfrau, auf hohem Niveau allein ausgeführt werden konnte."(4)


Staat als Arbeitgeber der Frauen

An der Sozialpolitik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts liess sich verfolgen, wie der Staat in die Position des Arbeitgebers der (Haus-)Frauen rückte: Die Berufsausbildung für Frauen konzentrierte sich auf deren Ausbildung zu effizienteren Müttern und Haushälterinnen; die arbeitsmarktorientierte Sozialpolitik förderte die Hausarbeit durch den Einschluss von nicht erwerbstätigen Ehefrauen in die Krankenversicherung, durch die Einführung von Müttergeld, durch den Mutterschutz. Vor allem die Debatten der Experten zu den Lebenshaltungskosten (erstmals beispielhaft in der Weltwirtschaftskrise) dokumentieren den direkten Zusammenhang zwischen Reallohnsenkung und Effizienzsteigerung der Hausarbeit: Die im Haus arbeitende Frau wurde von den Gesellschaftsplanern entdeckt als "diejenige, die fähig ist, das Rätsel zu lösen, wie man die Lebenshaltungskosten senken kann" (Bock/Duden, S. 174). Die weibliche Hausarbeit wurde in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts nicht nur allgemein als Instanz der Generation und Regeneration der Arbeitskraft gesehen, sondern ganz bewusst konzipiert als Beitrag zum Reallohn des Mannes. Die Einrichtung eines differenzierten, nach Familienstand abgestuften Lohnsteuersystems machte den Staat zum Garanten einer Familienstruktur und von Hausarbeit. Das finanzielle Entgelt - der Unterschied zwischen den Steuerklassen - kam dem Ehemann, nicht der Hausarbeiterin selbst zu. Diese Steuerung der Hausarbeit durch Steuersätze bewirkte, dass die Frau, finanziell vom Mann abhängig, seinen Familienlohn streckte, so die Lebenshaltungskosten senkte und es damit dem Arbeitgeber möglich machte, den Lohn des Mannes niedrig zu halten; umgekehrt vermochte die unbezahlte Arbeit der Hausfrau mehr Geld einzusparen, als sie durch eine unterbezahlte Berufstätigkeit als "Zusatzverdienerin" zu erhalten hoffen konnte.

Die Charakteristika der Frauenerwerbsarbeit dieser Jahrzehnte, die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit nach der Heirat bzw. spätestens nach der Geburt des ersten Kindes und die Förderung von familienkompatibler Teilzeitarbeit ebenso wie die Steuer- und Sozialpolitik zeigen, dass Staat und Ökonomie den Wert der Hausarbeit kalkulierten.

John Kenneth Galbraith, ein einflussreicher Wirtschaftswissenschaftler, bündelte diesen Prozess der Hausfrauisierung 1973 auf dem Höhepunkt seiner Durchsetzung: "Die Umwandlung der Frauen in eine auf unsichtbare Weise dienende Klasse war eine ökonomische Leistung ersten Ranges. Dienstboten für gesellschaftlich unterbewertete Arbeiten standen einst nur einer Minderheit der vorindustriellen Bevölkerung zur Verfügung: die dienstbare Hausfrau steht jedoch heute auf ganz demokratische Weise fast der gesamten männlichen Bevölkerung zur Verfügung" (Bock/Duden, zit. S. 177). Die Schaffung, Verallgemeinerung und Institutionalisierung der Hausarbeit und das heisst, die damals effizienteste Subsumtion der Hausarbeit, unters Kapital im fordistischen Industriesystem, war damals auf ihrem Höhepunkt.


Lohn für Hausarbeit

Gisela Bock folgerte: Für einen Lohn erhält der Unternehmer bzw. der Staat zwei Arbeitskräfte, das Lohnverhältnis verbirgt die Gratisarbeit der Frau, alle Arbeit erscheint als entlohnte bzw. als bezahlte Arbeit, und umgekehrt: Was nicht entlohnt wird, erscheint nicht als Arbeit. Die Frauen sind nicht nur das "Herz der Familie", sondern das Herz des Kapitals. Es steht und fällt damit, sich ihrer Liebe, ihrer "Natur", ihrer Arbeit umsonst bedienen zu können.

Folgerichtig ging es uns darum, Lohn für Hausarbeit vom Staat zu fordern. Die damaligen Thesen liessen sich an neueren Studien zu den 1950er, 1960er Jahren weiter erhärten. Die Nachkriegszeit bis in die frühen 1970er Jahre bildete die Hochphase dieser Durchsetzung und Verallgemeinerung der unbezahlten Hausarbeit. Sie war das Rückgrat, die unsichtbare Basis des Wirtschaftsaufschwungs in den Entwicklungsdekaden nach dem Zweiten Weltkrieg. Neuere Studien erlauben es auch, diese schrittweise rhetorische Abwertung des Arbeitscharakters, der materiellen Leistungen der Hausarbeit, seit den 1950er Jahren genau zu verfolgen. Sie zeigen, wie die Beziehungsarbeit stärker in den Vordergrund rückte und die wachsende "Doppelbelastung" im Gewand des Zuverdienstes in Teilzeit selbstverständlich wurde - weitgehend, um das Geld der Zuverdienerin in Haushaltsgeräte zu stecken, so dass sie mehr Zeit für die Erziehung der Kinder hatte. "In Umfragen der 1960er Jahre", so Ulrike Lindner, "fühlten sich nichterwerbstätige Frauen von der Hausarbeit stark belastet, berufstätige Frauen, die meist in Teilzeit zum Familieneinkommen beitragen wollten, klagten über völlige Überlastung."(5)


Die Analyse von "damals" aus der Sicht von "heute"

Zeitgeschichtlich stand unser Vortrag am Scheitelpunkt einer Wende, die erst im Rückblick erkennbar ist. Unsere Leistung damals lag vor allem darin, die Leistungen der Frauen in der "privaten Sphäre", also die Hausarbeit, aus dem Nebel der Naturhaftigkeit und Ungeschichtlichkeit gelöst zu haben und ihren unerhörten, eben unbezahlten und unbezahlbaren Wert für das kapitalistische Industriesystem sichtbar gemacht zu haben. Mehr noch, wir brachen ein in den Nachkriegsjahren verfestigtes Tabu, als wir die liebenden Tätigkeiten Hausarbeit nannten und dafür Geld vom Staat forderten.

Rückblickend lässt sich zudem erkennen, dass der Umbau vom fordistischen Industriesystem, das auf dem Ehepaar und der unbezahlten Hausarbeit der Frau in der Familie basierte, zum "one-adult-worker-model" bereits in Gang war, als wir den Aufsatz schrieben. Die neue Ökonomie basiert nicht mehr auf Familienernährer und unbezahlter Hausfrau, sondern auf dem Erwerbsarbeitszwang für alle und den Hausarbeiten weitgehend von Frauen. Die Reallohnkürzungen und die Kürzungen in den Renten- und Sozialsystemen, z.B. die geplante Kürzung der "grossen Witwenrente", laufen auf das Erzwingen individueller Existenzsicherungen durch Erwerbsarbeit auch der (Haus-)Frauen und Mütter hinaus. Aus der Ehe (und der Hausarbeit) lässt sich keine längerfristige finanzielle Absicherung der Ehefrau mehr schaffen. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Hausarbeit, wenn vormals institutionell getragene Lasten "reprivatisiert", in die Haushalte zurückgeschoben werden. Die "Doppelbelastung" verlangt heute einen neuen Typus von Frau als Managerin der betriebswirtschaftlichen Organisation ihres Haushaltes, ihrer Kinder und ihrer "Vereinbarkeitsproblematik". Gefordert wird nicht mehr das Strecken des Einkommens durch Stopfen, sondern Erwerbsarbeit und betriebswirtschaftliches Zeitmanagement zu Hause. Vom Ehemann und vom Staat können Frauen mit kleinen Kindern nichts mehr fordern. Die Lage der alleinerziehenden Mütter zeigt das neue Regime ganz klar: In Deutschland wurde das "Müttergeld", das Frauen mit Kleinkindern zumindest zwei Jahre lang einen staatlichen monatlichen Zuschuss gewährte, durch ein "Eltern"-Geld ersetzt, das nur als Lohnersatzzahlung beansprucht werden kann. Die alleinerziehende Mutter muss erwerbstätig sein - von "welfare to workfare mother"!


Eine neue Debatte um den blinden Fleck

Die Debatte um die Hausarbeit müsste neu beginnen. Ebenso müsste die Soziogenese des blinden Flecks genau untersucht werden, in deren Verlauf die Hausarbeit, die unbezahlte Arbeit der Frauen, in den letzten Jahrzehnten unsichtbar wurde - auch die Heraufkunft des blinden Flecks in unserem eigenen Blick auf die Gesellschaft. Wieso und seit wann sprechen wir von "Care" und nicht mehr von unbezahlter Hausarbeit? Wieso sehen wir deren industriegesellschaftliche Bedeutung nicht mehr - während sie von Sozialplanern berechnet wird, die die Kommerzialisierung und "De-Familiarisierung" dieses Sektors propagieren? Die "Versorgungslücke", die die Erwerbsarbeit der Frauen mit sich brachte, wird in der neuen globalen Arbeitsteilung zwischen erwerbstätigen Frauen und "privat" dienstleistenden Migrantinnen geschlossen, und die staatlichen Migrationsregime sorgen dafür, dass diese in der Illegalität oder mit einer beschränkten Arbeitserlaubnis billige Arbeit leisten. Die Hausarbeit als Basis des älteren Industriesystems brauchte eine polarisierende normative Geschlechterordnung, der neue Kapitalismus wird gestützt durch eine Gleichheitsrhetorik, in deren Blickwinkel allein die Erwerbsarbeit steht. Die Hausarbeiten sind nicht weniger geworden, sie können aber als Leistungen nicht mehr öffentlich benannt werden. Janine Brodie hat die Lage auf einen klaren Begriff gebracht. "Wir stehen", so sagt sie, "vor der Erosion von Geschlecht bei gleichzeitiger Feminisierung der Lasten."


Anmerkungen:

(1) Zu einem Vortrag im Rahmen einer Ringvorlesung des Interdisziplinären Zentrums für Geschlechterforschung im Frühjahrssemester 2008 mit dem Titel: "Who cares? Nannies, nurses and night shifts. The social and political economy of care and its implications for love, money and time." Das Referat wurde für die Veröffentlichung in dieser Nummer der Olympe leicht überarbeitet.

(2) Gisela Bock, Barbara Duden: Arbeit aus Liebe - Liebe als Arbeit: Zur Entstehung der Hausarbeit im Kapitalismus, in: Gruppe Berliner Dozentinnen (Hg.) I: Frauen und Wissenschaft. Beiträge zur 1. Sommeruniversität für Frauen, Berlin 1977, S. 118-199.

(3) Claudia Honegger: Die Ordnung der Geschlechter. Die Wissenschaft vom Menschen und das Weib, Frankfurt a.M./New York 1991.

(4) Ulrike Lindner: Rationalisierungsdiskurse und Aushandlungsprozesse. Der moderne Haushalt und die traditionelle Hausfrauenrolle in den 1960er Jahren. In: Matthias Frese, Julia Paulus, Karl Teppe (Hg.): Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch, Paderborn 2005, S. 100.

(5) Lindner, S. 101.


Autorin:
Barbara Duden, Historikerin, arbeitet am Institut für Soziologie der Leibniz-Universität in Hannover. In den 1980er Jahren begann sie, dem körperlosen Subjekt "Frau" in der Geschichtswissenschaft durch die Untersuchung der Geschichtlichkeit des somatischen Erlebens damals und gestern Hand und Fuss zu geben und den Kontrast zur Entkörperung im Zeichen des "Gens" und der statistischen Berechnung von "Risiken" zu betonen. Dazu ihre Aufsatzsammlung: Die Gene im Kopf, der Fötus im Bauch. Historisches zum Frauenkörper. Hannover, Offizin Verlag 2002.


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Quelle:
Olympe Heft 30 - Dezember 2009, Seite 16-26
Feministische Arbeitshefte zur Politik
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2010