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FAMILIE/271: Was nach der Trennung bleibt (WZB)


WZB Mitteilungen - Nr. 143, März 2014
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung

Was nach der Trennung bleibt Familieneinkommen nach der Ehe und nach der Lebensgemeinschaft im Vergleich

von Anke Radenacker



Kurz gefasst: Ehepaare mit Kindern unterscheiden sich von unverheirateten Paaren mit Kindern in Bezug auf die finanziellen Folgen nach einer Trennung. Unverheiratete Mütter erleiden höhere relative Einkommensverluste als verheiratete Mütter im Jahr der Trennung. In den Jahren nach der Trennung erholen sich unverheiratete Mütter allerdings schneller von den Verlusten als verheiratete Mütter. Unverheiratete Väter haben infolge einer Trennung geringere Einkommenszuwächse als verheiratete Väter. Im Ergebnis ist die Kluft zwischen den Geschlechtern bei unverheirateten Paaren geringer als bei Ehepaaren.


Die Bedeutung nichtehelicher Lebensgemeinschaften (NEL) als Familienform neben der Ehe hat in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen. Anfangs nahm unverheiratetes Zusammenleben als nacheheliche Lebensform zu. Mehr und mehr wurde es auch als Form des Zusammenlebens vor der Ehe praktiziert. Mittlerweile ist die NEL auch als Familienform mit Kindern anerkannt. Immer mehr Kinder wachsen zumindest zeitweise mit Eltern auf, die nicht miteinander verheiratet sind. 2010 machten diese Familien fast 9 Prozent aller Familien in Deutschland aus, etwa doppelt so viele wie noch 1998. Vergleichsweise wenig ist bekannt über die finanzielle Situation dieser Familien, wenn sie auseinander brechen.

Der deutsche Wohlfahrtsstaat unterscheidet im sozialrechtlichen Sinne besonders deutlich zwischen Ehen und NEL. Die Ehe wird als Familienform bevorzugt. Das Modell des männlichen Familienernährers wird institutionell unterstützt, etwa durch das Ehegattensplitting und die unentgeltliche Mitversicherung nicht erwerbstätiger Ehepartner in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Auch im Fall einer Trennung sind ehemals Verheiratete, in erster Linie Frauen, per Gesetz besser gegen finanzielle Einbußen geschützt als Unverheiratete nach einer Trennung. Der Unterhalt für Kinder der beiden Partnerschaftsformen ist zwar gleich, aber es gibt deutliche Unterschiede beim Unterhalt für den Partner oder die Partnerin. Diese Leistung gilt nur für Ehegatten: eben als "Ehegattenunterhalt". Unverheiratete Partner haben nach einer Trennung lediglich Anspruch auf sogenannten Betreuungsunterhalt. Dieser kann eingefordert werden, wenn einem Elternteil wegen der Betreuung eines Kindes unter drei Jahren keine Erwerbstätigkeit zugemutet werden kann. Nach Vollendung des dritten Lebensjahres muss der betreuende Elternteil selbst in der Lage sein, für den Unterhalt zu sorgen. Rein theoretisch gilt dies seit 2008 auch für verheiratete Mütter. Allerdings bezieht die Rechtsprechung hier weiterhin die Ehedauer und den Lebensstandard während der Ehe in die Entscheidung über die Höhe und die Dauer des Ehegattenunterhalts mit ein, um Vertrauensschutz zu gewährleisten. In der Praxis wird häufig erst vom 8. Lebensjahr an eine Teilzeittätigkeit und etwa vom 12. Lebensjahr des Kindes eine Vollzeittätigkeit des betreuenden Elternteils als zumutbar angesehen.

Diese sozialrechtlichen und sozialpolitischen Maßnahmen rund um die Ehe können ein Gefühl der finanziellen Absicherung im Falle einer Scheidung vermitteln. Auch nach dem Tod des Ehepartners sind verheiratete Frauen durch die Witwenrente finanziell bessergestellt. Dies führt dazu, dass vor allem Paare, die ohnehin eine traditionelle Arbeitsteilung verfolgen und eine eigenständige Absicherung der Frau nicht anstreben, geneigt sind zu heiraten. Daraus ergeben sich dann unterschiedliche Erwerbsmuster von verheirateten beziehungsweise unverheirateten Paaren, in erster Linie aber Frauen: Unverheiratete Mütter in Partnerschaften weisen eine höhere Erwerbsquote auf als verheiratete Mütter. Die wöchentliche Arbeitszeit unverheirateter Mütter ist ebenfalls höher. Auch sind unverheiratete Väter eher geneigt, Elternzeit zu nehmen, als verheiratete. Insgesamt weisen unverheiratete Paare eine egalitärere Aufteilung der Erwerbs- und Betreuungsarbeit auf.

Diese Situation legt die Vermutung nahe, dass es auch Unterschiede zwischen verheirateten und unverheirateten Paaren mit Kindern bei den finanziellen Trennungsfolgen gibt. Gesicherte Erkenntnisse gibt es bislang vor allem über die Differenz der Trennungsfolgen zwischen Frauen und Männern. Legt man das so genannte bedarfsgewichtete Einkommen zugrunde, eine Art Pro-Kopf-Einkommen, das den Vergleich zwischen Haushalten unterschiedlicher Größe ermöglicht, dann müssen Frauen hohe Einkommensverluste hinnehmen, vor allem weil das Haupteinkommen des Partners wegfällt. Außerdem leben Kinder nach der Trennung meistens im Haushalt der Mutter. Dadurch steigt für den Haushalt der finanzielle Bedarf, der nicht durch die Zahlung von Kindesunterhalt durch den Ex-Partner kompensiert wird, vor allem wenn die Zahlungen nicht vollständig oder nicht regelmäßig erfolgen. Schließlich ist durch die Betreuung von Kindern die Möglichkeit einer Existenz sichernden Erwerbstätigkeit eingeschränkt, vor allem wegen des Mangels an Kinderbetreuung.

Männer erzielen im Schnitt bedarfsgewichtete Einkommensgewinne oder haben im ungünstigsten Fall geringe finanzielle Verluste zu verzeichnen. Dieser Befund kommt rechnerisch vor allem dadurch zustande, dass nach einer Trennung Haushalte von Männern nun nicht mehr zusätzlich auch Frau bzw. Partnerin und Kinder vom häufig gleichbleibenden Erwerbseinkommen versorgen müssen. Erschwert werden präzise Untersuchungen auch dadurch, dass in erster Linie die Einkommensseite abgefragt wird und weniger die Ausgabenseite. Außerdem antworten bei repräsentativen Umfragen wie der hier verwendeten viele Befragte nicht auf sensible Fragen, zum Beispiel nach der Höhe der geleisteten Unterhaltszahlungen. Diese können dann oft nicht angemessen berücksichtigt werden; das Einkommen erscheint höher als es tatsächlich ist.

Wenige empirische Erkenntnisse haben wir aber bisher über die Unterschiede zwischen Unverheirateten und Verheirateten, die sich trennen. Eine Annäherung an eine Antwort auf die Frage nach Unterschieden zwischen Partnerschaftsformen nach einer Trennung ermöglicht aber die Auswertung von Längsschnittdaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Die betroffenen Personen werden über einen längeren Zeitraum regelmäßig befragt, auch zu ihrer Einkommensentwicklung. Die hier untersuchten Trennungen von verheirateten und unverheirateten Paaren mit Kindern fanden zwischen 1984 und 2009 statt. Trotz der Zunahme von Trennungen und Scheidungen sind die Fallzahlen pro Jahr niedrig, deshalb werden sie über den gesamten Zeitraum zusammengefasst. Die hier genutzten Daten der betreffenden Haushalte wurden über einen Zeitraum von fünf Jahren ausgewertet, von einem Jahr vor der Trennung bis zu drei Jahren nach der Trennung. Betrachtet werden zwei Einkommensmaße. Das Einkommen vor Steuern und Transfers gibt Aufschluss über die privaten Einkommensquellen wie das Erwerbseinkommen der Haushaltsmitglieder oder regelmäßige private Transfers wie Unterhaltszahlungen oder Unterstützung durch Verwandte. Das Einkommen nach Steuern und Transfers ist das tatsächlich verfügbare Einkommen, nachdem Steuern abgezogen und Transferzahlungen wie Kindergeld hinzugefügt wurden.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Unterschiede im verfügbaren Einkommen zwischen ehemals verheirateten und unverheirateten Müttern im Jahr der Trennung und danach eher gering sind. Der Wohlfahrtsstaat gleicht die Unterschiede, die in den Einkommensverlusten vor Steuern und Transfers deutlich sichtbar sind, aus. Betrachtet man nämlich das Einkommen vor Steuern und Transfers, wird deutlich, dass verheiratete Mütter im Jahr der Trennung einen geringeren Anteil des Haushaltseinkommens verlieren als unverheiratete Mütter.

Ein Grund dafür ist, dass verheirate Frauen häufiger als unverheiratete Frauen bereits im Jahr der Trennung wieder eine neue Partnerschaft mit gemeinsamem Wohnsitz eingehen. Dadurch erhöht sich ihr Haushaltseinkommen, und der Verlust fällt geringer aus. Hinzu kommt, dass verheiratete Frauen bereits im Jahr der Trennung ihr Arbeitseinkommen erhöhen, zum Beispiel durch Aufstockung ihrer Arbeitsstunden. Aus anderen Untersuchungen ist auch bekannt, dass diese Frauen, die sich dann größtenteils noch im offiziellen Trennungsjahr befinden, mit relativ großzügigen Unterhaltszahlungen rechnen können. Im Trennungsjahr ist die Zahlungsmoral noch deutlich besser als in den nachfolgenden Jahren. All das trägt sehr wahrscheinlich zu den geringeren Verlusten im Jahr der Trennung im Vergleich zu unverheirateten Frauen bei.

Auf der anderen Seite erholen sich nicht verheiratete Frauen in den folgenden Jahren jedoch deutlich schneller von diesen Verlusten als verheiratete Frauen. Innerhalb von drei Jahren haben sich die Haushalte von unverheirateten Müttern fast vollständig von den finanziellen Verlusten erholt. Allerdings ist diese Erholung nicht sofort erklärbar, da diese Frauen erst später ihr Arbeitseinkommen erhöhen und auch erst später als verheiratete Frauen häufiger mit neuen Partnern in einem gemeinsamen Haushalt leben. Aufgrund der geringen Fallzahl von Trennungen in NEL mit Kindern sind diese Befunde mit einer größeren Unsicherheit behaftet als bei den Ehepaaren mit Kindern.

Das bedarfsgewichtete Haushaltseinkommen von Vätern nach der Trennung unterliegt weitaus schwächeren Schwankungen, unabhängig vom Familienstand vor der Trennung. Unverheiratete Männer verzeichnen aber geringere relative Einkommenszuwächse als verheiratete Männer. Nach Berücksichtigung von Steuern, Transfers sowie simulierten Unterhaltszahlungen erleiden sie sogar leichte Einkommensverluste.

Das Einkommen von unverheirateten Vätern würde durch Unterhaltszahlungen stärker belastet als das von verheirateten Vätern. In den Jahren nach der Trennung schmelzen die Einkommenszuwächse für beide Gruppen von Vätern durch das Eingehen einer neuen Partnerschaft allmählich ab. An ihrem Erwerbseinkommen ändert sich in Folge einer Trennung nur wenig.

Das Ergebnis relativer Einkommensgewinne beziehungsweise nur geringer Verluste gilt selbst unter der Annahme gleich verteilter finanzieller Belastungen durch Kinder im Haushalt oder durch die Ausübung des Umgangsrechts. Dennoch sind diese Ergebnisse eher eine Simulation, als tatsächlich aus den Daten ableitbar. Dies ist in der mangelhaften Datenlage begründet; wir wissen zu wenig über die realen Unterhaltszahlungen. Diese bestimmen aber maßgeblich, wie sich das Einkommen in Väterhaushalten nach der Trennung verändert. Insofern ist die hier vorgestellte Version der Berechnung eine Annäherung an die Lebenswirklichkeit von Trennungsfamilien, in denen beide Eltern finanziell und sozial in das Leben ihrer Kinder involviert sind.

Die deutlichen Geschlechterunterschiede in den Trennungsfolgen bleiben auch bei unverheirateten Paaren bestehen. Auch bei diesen Paaren verbleiben Kinder überwiegend im Haushalt der Mütter, die sich dann mit eingeschränkten Möglichkeiten zur Erwerbstätigkeit aufgrund mangelnder Kinderbetreuung sowie unzureichenden Unterhaltszahlungen konfrontiert sehen. Dennoch ist die Kluft zwischen den Geschlechtern nach der Trennung bei nicht verheirateten Paaren geringer als bei verheirateten. Diese Lücke ist kleiner vor allem auf Kosten der nicht verheirateten Väter aber gleichzeitig auch in geringem Maß zugunsten nicht verheirateter Mütter.

Die Unterschiede in den finanziellen Folgen zwischen verheirateten und nicht verheirateten Partnern mit Kindern sind möglicherweise zurückzuführen auf die rechtliche und sozialpolitische Ungleichbehandlung von verheirateten und unverheirateten Paaren mit Kindern. Die Mechanismen hinter der schnelleren Erholung der unverheirateten Mütter von ihren Einkommensverlusten sind aber noch nicht eindeutig identifiziert. Auch die Frage, ob diese Mütter aufgrund der geringeren Absicherung dazu gezwungen sind, private Strategien zu verfolgen, oder ob sie aufgrund ihrer besseren Integration in den Arbeitsmarkt dazu besser in der Lage sind, bleibt offen. Es kann nicht daraus geschlossen werden, dass unverheiratete Mütter eindeutig besser mit den finanziellen Trennungsfolgen umgehen können als verheiratete Mütter.

Verheiratete Mütter sind aber auch nicht eindeutig besser vor finanziellen Verlusten geschützt als unverheiratete Mütter. Einige der finanziellen Schutzfunktionen der Ehe, in erster Linie die großzügigen Unterhaltsansprüche nach der Ehe mit Blick auf die Bezugsdauer, wurden im Zuge der Unterhaltsrechtsreform 2008 eingeschränkt. Auch wenn die Diskrepanz zwischen rechtlichem Anspruch und tatsächlichen Zahlungen schon vor 2008 groß war, dürften für verheiratete Frauen in der Zukunft zumindest keine finanziellen Verbesserungen zu erwarten sein. Die rechtliche Gleichstellung von Ehen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften könnte also dazu beitragen, die Unterschiede in den Trennungsfolgen zwischen den Geschlechtern weiter zu reduzieren.


Anke Radenacker ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Ungleichheit und Sozialpolitik. Sie erforscht aus soziologischer und demografischer Perspektive Fragen von Geschlecht und Familie.


Literatur

Radenacker, Anke: Economic Consequences of Family Dissolution: Comparing Married and Unmarried Parents in Germany. Unveröffentlichtes Manuskript.

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Quelle:
WZB Mitteilungen Nr. 143, März 2014, Seite 23-26
Herausgeberin:
Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung
Professorin Jutta Allmendinger Ph. D.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2014