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FRAUEN/331: Außenseiter auf dem globalen Arbeitsmarkt - NGOs kritisieren Weltbank-Politik (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. September 2011

Frauen: Außenseiter auf dem globalen Arbeitsmarkt - NGOs kritisieren Weltbank-Politik

Von Kanya D'Almeida


Washington, 22. September (IPS) - Die Weltbank wirbt für eine bessere Integration von Frauen in den internationalen Arbeitsmarkt. Wenn die Gleichberechtigung der Geschlechter in diesem Bereich weiter vorangetrieben werde, lasse sich die Produktivität deutlich steigern, heißt es in dem '2012 World Development Report'. Vertreter unabhängiger Organisationen werfen der Finanzorganisation allerdings vor, selbst bisher zu wenig zur Lösung der Probleme beigetragen zu haben.

Der Abbau von Barrieren, die Frauen den Zugang zu bestimmten Berufen verwehren, würde den bestehenden Produktivitätsrückstand von Frauen um ein Drittel bis zur Hälfte reduzieren, geht aus dem Report mit dem Titel 'Gender Equality and Development' hervor. Die Produktivität könnte in einer Reihe von Entwicklungsländern pro Person um bis zu 25 Prozent steigen.

Würde man den Frauen in den Ländern des Südens einen gleichberechtigten Zugang zu Land und Ressourcen ermöglichen, ließe sich die Agrarproduktion dort um etwa vier Prozent erhöhen. Wenn etwa Bäuerinnen in Malawi und Ghana unter den gleichen Bedingungen wie Männer ihre Felder bestellen könnten, würden die Maisernten um bis zu 17 Prozent zunehmen.

Auf dem Jahrestreffen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds vom 23. bis 25. September in Washington wird der Bericht über die Gleichberechtigung der Geschlechter im Fokus stehen. Repräsentanten internationaler Finanzorganisationen werden dort mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen und Privatunternehmen zusammentreffen.


Zoellick räumt Versäumnisse ein

"Während der vergangenen fünf Jahre hat die Weltbankgruppe 65 Milliarden US-Dollar für die Bildung von Mädchen, die Gesundheitsversorgung von Frauen sowie zur Förderung des Zugangs von Frauen zu Krediten, Land, Agrardienstleistungen, Jobs und Infrastruktur bereitgestellt", sagte der Präsident der Bank, Robert Zoellick. "Diese Arbeit war wichtig, hat aber noch nicht ausgereicht."

Laut Zoellick sucht die Weltbank nach Wegen, um das volle Potenzial von Frauen auszuschöpfen, die immerhin die Hälfte der Weltbevölkerung ausmachen. Obgleich der Bericht auch positive Entwicklungen aufzeigt, ist das Bild insgesamt betrachtet ernüchternd.

Die hohe Sterblichkeit von Gebärenden und die Abtreibung weiblicher Föten summieren sich dem Report zufolge auf jährlich schätzungsweise 3,9 Millionen Todesfälle von Frauen. Zwei Fünftel aller Mädchen werden laut Weltbankbericht aufgrund der gezielten Abtreibung weiblicher Föten niemals geboren. Ein Sechstel überlebt die ersten Lebensjahre nicht, und mehr als ein Drittel stirbt im frühen Erwachsenenalter. Im Afrika südlich der Sahara werden viele Todesfälle aufgrund der hohen Verbreitung von AIDS verzeichnet.

Während die Weltbank im Zusammenhang mit der Geschlechterfrage unter anderem für mehr Investitionen in Humankapital und die Angleichung der Löhne von Männern und Frauen wirbt, halten unabhängige Organisationen Veränderungen nur dann für möglich, wenn die Bank größere strukturelle Veränderungen bei ihren eigenen Maßnahmen für Frauen vollzieht.

"Die Weltbank hat niemals eine eigene Linie zu Menschenrechtsfragen vertreten", kritisierte die Vorsitzende der Organisation 'Gender Action', Elaine Zuckerman. "Dieser Trend setzt sich nun weiter fort, denn der diesjährige Entwicklungsbericht erkennt Frauenrechte nach wie vor nicht als Menschenrechte an."

Beanstandet wurde außerdem, dass der Report für komplexe Probleme unzureichende Lösungen vorschlägt. Die Symptome würden stärker beachtet als die eigentlichen Ursachen der Probleme von Frauen, erklärten Aktivisten.

"Die massive Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt während der vergangenen 30 Jahre führte nicht nur zu ungleichen Löhnen. Frauen haben zudem unsichere, informelle und befristete Jobs und sind oftmals von zu Hause aus tätig. Ihre Rechte und der Zugang zu sozialem Schutz werden dadurch beschränkt", sagte Claire Courteille vom Internationalen Gewerkschaftsbund (IGB).


Bessere Jobs für Frauen gefordert

Nur wenn die Politik Frauen Zugang zu höherwertigen Jobs ermögliche, könne sich etwas verändern, meinte Courteille. Wirtschaftswachstum allein werde die Diskriminierung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt nicht beseitigen. Hier hinke der Weltentwicklungsbericht erneut neuen Trends hinterher. "Der internationale Konsens läuft darauf hinaus, dass die unsichtbare Arbeit im Bereich der Fürsorge bei der Formulierung makroökonomischer Politikstrategien berücksichtigt wird."

Vertretern zivilgesellschaftlicher Gruppen zufolge offenbart der diesjährige Weltbank-Entwicklungsbericht im Grunde die eklatanten Widersprüche zwischen internationalen Entwicklungsstrategien und deren tatsächlichen Auswirkungen auf die Lage der Frauen.

Die Soziolologin Hester Eisenstein, die kürzlich in den USA das Buch 'Feminism seduced: How Global Elites Use Women's Labour and Ideas to Exploit the World' herausgegeben hat, warf der Weltbank zudem vor, keine Verantwortung dafür zu übernehmen, dass sie mit ihren Entwicklungsstrategien einen großen Teil der Entwicklungsländer in die totale Armut gestürzt habe. Hauptleidtragende seien Frauen und Kinder gewesen. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. September 2011