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FRAUEN/403: Mindestlohn und weniger Minijobs, um vor Altersarmut zu schützen (Ev. Akademie Bad Boll)


Evangelische Akademie Bad Boll - 13. Mai 2012

Altpeter: Mindestlohn und weniger Minijobs, um Frauen vor der Altersarmut zu schützen

Katrin Altpeter, Sozialministerin des Landes Baden-Württembergs, bei Podiusmdiskussion in der Evangelische Akademie Bad Boll



Bad Boll - Einen flächendeckenden Mindestlohn und weniger Minijobs hat Katrin Altpeter, Familienministerin des Landes Baden-Württembergs, am heutigen Sonntag bei der Tagung "40 Jahre Frauenrechte" in der Evangelischen Akademie Bad Boll gefordert. Nur so könnten Frauen wirksam vor Altersarmut geschützt werden. Außerdem seien diese Maßnahmen eine der Voraussetzungen, um das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen zu verringern. "Nur auf Basis eines gerechten und flächendeckenden Mindestlohns kommen wir zu mehr sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung", so die Ministerin. "Wir müssen weg von Minijobs und atypischen Arbeitsverhältnissen hin zu sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Ein 400-Euro-Job mag für viele Frauen heute gut sein, aber wenn sie übermorgen in Rente gehen und in die Grundsicherung rutschen, haben sie zu wenig davon."

Mehr als 130 Frauen besuchten die Tagung von Freitag, 11. bis Sonntag, 13.‍ ‍Mai in der Evangelischen Akademie Bad Boll. Sie fragten kritisch, was die Frauenbewegung erreicht hat, was Gleichberechtigung noch immer verhindert und ob die Bewegung heute an ihre Grenzen stößt. Anlass der Veranstaltung ist der "1. Bundesfrauenkongress", zu dem sich im März 1972‍ ‍rund 400 Frauen in Frankfurt trafen. Den Eröffnungsvortrag hatte die EMMA-Herausgeberin Alice Schwarzer gehalten. "Wir haben in diesen Jahrzehnten große Erfolge gefeiert, aber es gibt auch erschreckende Niederlagen", bilanzierte Schwarzer.

Die Podiumsdiskussion bildete den Abschluss der Tagung. Neben Ministerin Katrin Altpeter diskutierten verdi-Landesbezirksleiterin Leni Breymaier, Angelika Klingel, Vorsitzende des Landesfrauenrats und Petra Grimm, Professorin für Medienethik und Medienwissenschaft an der Hochschule der Medien in Stuttgart.

Altpeter kritisierte vehement das von Bundesfamilienministerin Christina Schröder geplante Betreuungsgeld für Frauen, die ihre Kinder zu Hause betreuen und nicht in Krippen oder Kindergärten bringen. "Christina Schröder hat kein politisches Bewusstsein für die Emanzipation, sonst würde sie nicht das Betreuungsgeld einführen", sagte Altpeter.

Angelika Klingel, Vorsitzende des Landesfrauenrates, nannte Altersarmut als eine besondere Gefahr für Frauen. "Ein Drittel der Frauen in Baden-Württemberg hat aus eigener Erwerbstätigkeit weniger als 300 Euro Rentenansprüche im Monat, zwei Drittel weniger als 600 Euro", so Angelika Klingel. "Deshalb müssen die Mini-Jobs weg!" Um Beruf und Familie zu vereinbaren hätten Frauen oft keine andere Chance, als 400-Euro-Jobs anzunehmen. Damit würden sie aber zu geringe Rentenansprüche erwerben.

verdi-Landesbezirksleiterin Leni Breymaier kritisierte Bund, Länder und Gemeinden wegen deren Tarifpolitik: "Gerade der öffentliche Dienst müsste doch ein großes Interesse haben, das Lohngefälle zwischen Frauen und Männer zu verringern. Dennoch haben wir zwar in den letzter Tarifrunde eine Lohnerhöhung von 6,4 Prozent bekommen, aber nicht die mindestens 200 Euro für die untersten Gehaltsgruppen - also für viele Frauen."

Wie schwer es Frauen auch in anderen Bereichen haben, betonte die Medienwissenschaftlerin Prof. Petra Grimm. "Die Wissenschaft ist ein sehr männlich dominierter Bereich. Spätestens, wenn Frauen Kinder bekommen, haben sie es schwer, in Führungspositionen zu kommen. Es gebe zu viele stereotype Rollenbilder von Männern und Frauen. "Wenn ein Mann heute zu Hause bleibt, um für die Kinder zu sorgen, gilt er doch als das größte Weichei", sagte Grimm.

Zum Auftakt der Tagung hatte Alice Schwarzer ebenfalls zu wenig Fortschritte im Bereich der Arbeitswelt kritisiert. "Ich habe 1973 ein Buch über Probleme arbeitender Frauen geschrieben und befürchte, wenn ich das Datum im Impressum auf 2012 änderte, würde keiner merken, dass es schon so alt ist", so die Journalistin. Noch nie hätten so viele Frauen in Teilzeit gearbeitet wie heute. Viele Töchter und Enkelinnen der Frauenrechtlerinnen aus den 70ern seien der Ansicht, das wichtigste im Leben sei die Mutterschaft und für die Kinder da zu sein "Das ist doch ein Rückfall ins 19.Jahrhundert", kritisierte Schwarzer. "Es ist nicht die Quantitität, sondern die Qualität der Zeit entscheidend, die Eltern mit ihren Kindern verbringen." Sie forderte eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung in Krippen und Horten.

Als einen der größten Erfolge bezeichnete Schwarzer die in Deutschland weiter sinkende Zahl der Abtreibungen. "Niemand hat soviel dazu beigetragen wie die Frauenbewegung. Nur wer aufgeklärt ist, über sich und seinen Körper frei bestimmt, wer den Mut hat, 'Nein' zu sagen, kann sich vor einer ungewollten Schwangerschaft schützen." Die Frauenbewegung habe erst dafür gesorgt, das Thema zu enttabuisieren und eine öffentliche Debatte darüber zu starten.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 13. Mai 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2012