Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → SOZIALES

FRAUEN/437: Ehebruch-Gesetze treffen vor allem Frauen - UN-Ausschuss fordert Abschaffung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Oktober 2012

Menschenrechte: Ehebruch-Gesetze treffen vor allem Frauen - UN-Ausschuss fordert Abschaffung

von Thalif Deen



New York, 25. Oktober (IPS) - Bei der Einführung der Scharia in den 1990er Jahren drohte die Regierung des betreffenden asiatischen Landes die Verabschiedung eines neuen Gesetzes zugunsten der Steinigung verurteilter Ehebrecher an. "Sollte es in Kraft treten", kommentierte damals ein Wochenmagazin sarkastisch, "werden dem Land wohl die Steine ausgehen".

Das kontrovers diskutierte und meist religiös verbrämte Thema war kürzlich Gesprächsinhalt eines vierköpfigen UN-Sonderausschusses, dessen Aufgabe es ist, Wege zur Abschaffung von Gesetzen aufzuzeigen, die Frauen kriminalisieren. Die Mitglieder der in Genf angesiedelten Gruppe riefen die UN-Mitgliedstaaten auf, sämtliche Gesetze abzuschaffen, die Ehebruch kriminalisieren und bereits dazu geführt haben, dass Frauen ausgepeitscht, gehenkt oder zu Tode gesteinigt wurden. "Ehebruch sollte überhaupt nicht als Straftat eingestuft werden", meinte Kamala Chandrakirana, die den Vorsitz über den Ausschuss führt.

Yasmeen Hassan, Direktorin von 'Equality Now', einer Frauenrechtsorganisation mit Sitz in New York, wies darauf hin, dass Ehebruch in allen großen Religionen ein Thema ist und in einigen US-amerikanischen Bundesstaaten noch immer unter Strafe steht. Berichten zufolge ist Ehebruch in 18 US-Bundesstaaten einschließlich Colorado, Florida, Arizona, Michigan und Illinois eine kriminelle Handlung. "Es geht jedoch nicht um die Kriminalisierung von Ehebruch an sich, sondern um die Umsetzung der sogenannten Scharia-Gesetze gegen Unzucht und Ehebruch, um Frauen zu unterdrücken und einzuschüchtern und um patriarchale und misogyne soziale Systeme aufrechtzuerhalten", betonte Hassan.


Mit internationalen Abkommen inkompatibel

In einer in New York veröffentlichten Mitteilung warnte die Expertinnengruppe bestehend aus der Indonesierin Chandrakirana, der Tunesierin Emna Aouij, der US-Israelin Frances Raday und der Polin Eleonora Zielinska, dass die Aufrechterhaltung von Ehebruch als Straftat - selbst in Fällen, in denen die Strafe auf beide Geschlechter abzielt - vor allem die Frauen treffe. Angesichts ihrer fortgesetzten Diskriminierung und Ungleichbehandlung verstoße der Straftatbestand gegen ihre Menschenrechte auf Würde, Privatheit und Gleichheit.

Chandrakirana zufolge ist die Kriminalisierung von einvernehmlichen sexuellen Beziehungen zwischen Erwachsenen ein Angriff auf das Recht auf Privatheit und gegen den vor 20 Jahren etablierten Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte.

Die Expertinnen wiesen darauf hin, dass in Übereinstimmung mit einigen Traditionen, Gebräuchen und Rechtssystemen Ehebruch ein Vergehen gegen das Zivilrecht sei, dass sich auf Scheidungs-, Kindersorgerechts- und Unterhaltsverfahren auswirken könne. Dennoch sollte Ehebruch nicht als Straftat geahndet werden und nicht, wie in einigen Ländern üblich, mit Bußgeldern, Gefängnis-, Prügel- oder der Todesstrafe geahndet werden.

Dem UN-Expertinnenteam zufolge werden Frauen in der Regel schwerer bestraft als Männer, und in einigen Ländern gilt die Aussage einer Frau nur halb so viel wie die eines Mannes.

Wie Hassan gegenüber IPS erklärte, dient die Art und Weise, wie diese Gesetze in arabischen Ländern umgesetzt würden, dazu, diejenigen Frauen zu bestrafen und zu terrorisieren, die sich über soziale Grenzen hinwegsetzten. Auch würden sie dazu missbraucht, um missliebige Frauen loszuwerden - etwa wenn diese Erbansprüche stellten oder der Wiederheirat ihres Mannes im Weg stünden.

"Auffällig ist, dass diese Gesetze - soweit ich weiß - nie gegen die Mitglieder der Elite dieser Länder angewendet werden, was ihre Umsetzung umso diskriminierender macht", betonte Hassan. Viele Frauengruppen, die innerhalb des islamischen Regelwerks aktiv seien, würden eine Abschaffung dieser Gesetze oder zumindest deren Abschwächung begrüßen.

In ihrer Mitteilung führten die Mitglieder des UN-Expertinnenausschusses etliche Länder an, in denen diskriminierende Ehebruchgesetze erfolgreich bekämpft worden sind. So hat das guatemaltekische Verfassungsgericht 1996 die Bestrafung ehelicher Untreue in Anlehnung an die Landesverfassung und internationale Menschenrechtsabkommen abgeschafft. In Uganda brachte das Verfassungsgericht 2007 das dort geltende Ehebruch-Gesetz zu Fall, das eine Bestrafung der Frauen, nicht aber der Männer vorsah. (Ende/IPS/kb/2012)


Link:

http://www.ipsnews.net/2012/10/adultery-laws-unfairly-target-women-u-n-says/

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. Oktober 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Oktober 2012